Wie kommuniziere ich mein Wechselvorhaben meinem Chef gegenüber?
Frage/1: Ich bin Dipl.-Wirtschaftsingenieur und nach einer mehrjährigen Tätigkeit bei einer spezialisierten Fachberatung nun seit etwa zwei Jahren bei meinem zweiten Arbeitgeber tätig. Ich bin dort Sachbearbeiter im Bereich …
Jetzt bin ich auf eine interne Stellenausschreibung als Teamleiter in einem anderen Bereich des Konzerns aufmerksam geworden. Ich möchte unbedingt führen und sehe diese Stelle als geeigneten nächsten Schritt in meiner Karriere an. Innerhalb meiner Abteilung gibt es kurzfristig keine Möglichkeit, eine ähnliche Position zu bekommen. Gegen einen externen Wechsel spricht aus meiner Sicht die zu kurze Dienstzeit.
Frage/2: Folgende Frage stelle ich mir: Wie kommuniziere ich mein Wechselvorhaben meinem Chef gegenüber? Prinzipiell sehe ich zwei Möglichkeiten:
1. Ich sage meinem Chef sofort, dass ich mich intern beworben habe. Dabei gehe ich ähnlich vor wie bei einer Kündigung: Lob des Führungsverhaltens und der Zusammenarbeit, Bedauern des Weggangs, Verweis auf die mögliche Entwicklungschance, welche die neue Stelle bietet.
Einschätzung: Ich sage ihm mehr oder weniger direkt „ich will hier weg“. Falls ich die neue Stelle nicht bekomme und erst einmal bleibe, muss er dennoch befürchten, dass ich seine Abteilung jederzeit verlassen könnte. Vielleicht ist er sogar persönlich beleidigt. Im schlimmsten Fall hat es zur Konsequenz, dass spannende Projekte an meine Kollegen und nicht mehr an mich vergeben werden. Eventuell fühlt er sich sogar indirekt erpresst und glaubt, ich wolle nur eine Gehaltserhöhung herausschlagen. Im besten Fall schätzt er meine Offenheit und unterstützt mich, weil er weiß, dass er mich nicht halten kann. Er könnte sich nach außen als Person verkaufen, der ihre Leute vertrauen und die sich um sie kümmert.
2. Ich warte mit der Information meines Chefs, bis der interne Auswahlprozess so weit fortgeschritten ist, dass ich in die engere Auswahl komme und ein Angebot wahrscheinlich wird (Argumentation ihm gegenüber wie bei 1).
Einschätzung: Ich halte das für die bessere Möglichkeit. Es sei denn, mein heutiger Chef erfährt – warum und weshalb auch immer – vorab von meinem Vorhaben. Er könnte das als Vertrauensbruch deuten und wäre ggf. bloßgestellt, weil er nicht weiß, was in seiner Abteilung so vor sich geht. Zusätzlich gelten die negativen Konsequenzen lt. 1.
Antwort:
Antwort/1: Arbeiten wir Ihre Basis bis dahin erst einmal auf, dann widmen wir uns der Frage, die Sie haben. Diese Trennung halte ich für ratsam – denn Sie haben in Ihren Unterlagen ein Problem, von dem Sie vermutlich noch gar nichts wissen.
Sie sind Anfang 30, Einser-Kandidat, haben etwas Auslandspraxis aus Studienzeiten und als Berufseinstieg den Weg über eine Beratung gewählt, deren Spezialisierung zu Ihrem Studium und zur heutigen Tätigkeit passt.
Nun ist eine zwangsläufig eher strategisch als operativ ausgerichtete Beratung für Ihre jetzt angestrebte Tätigkeit als Teamleiter im operativen Bereich vielleicht nicht die beste denkbare Empfehlung, aber immerhin. Und da sind ja auch noch die letzten zwei Jahre als Sachbearbeiter im richtigen Fachgebiet des Konzerns.
Das wichtigste Dokument in Ihrer „Mappe“ ist derzeit das Zeugnis der erwähnten Beratung. Und das spricht
– von „stets guter Qualität“, mit der Sie Ihre Aufgaben erfüllt haben;
– es ist schwer auf das (bei einem Einser-Kandidaten selbstverständlich erwartete) Einser-Zeugnis zu kommen, wenn erst einmal von „gut“ die Rede ist;
– ein paar Zeilen später von „sehr guten Arbeitsergebnissen“; das ist zwar irgendwie nicht ganz logisch bei der erwähnten „nur“ guten Qualität, aber schauen wir mal, was noch kommt;
– von „guten und passenden Lösungen“, die Sie fanden, nun sogar ohne „stets“ (also nicht einmal immer);
– von einer Teilprojektleitung in einem Beratungsprojekt;- von Leistungen, die „stets unsere volle Anerkennung“ gefunden haben („vollste“ hätte einer Einser-Note entsprochen);
– am Schluss vom Bedauern und „wertvollem Mitarbeiter“, aber man dankt ausdrücklich nur für die „stets guten Leistungen“.
Das passt entweder alles nicht zusammen – oder es soll ganz gezielt etwas aussagen. Unterstellen wir Letzteres einmal: Wie werden aus „guten Lösungen“ erst „sehr gute Arbeitsergebnisse“ und aus diesen wiederum nur „gute Leistungen“? Einser-Leute sind nie dumm und selten faul, haben immer ein sehr hohes fachliches Niveau. Wenn dann die Gesamtwertung dennoch hinter den Erwartungen zurückbleibt, kann die Differenz eigentlich nur zu Lasten der Persönlichkeitsfaktoren gehen. Gehen Sie dieser Frage einmal nach. Je nachdem, wie eines Tages das Zeugnis vom derzeitigen Arbeitgeber ausfällt, kann sich ein auffälliges Muster ergeben.
Antwort/2: Sie haben die beiden Möglichkeiten sorgfältig analysiert und die jeweils drohenden Konsequenzen aufgezeigt, genau so stellt es sich in der Praxis fast überwiegend dar (vertrauen Sie nicht auf die positiven Aspekte von Nr. 1). Vor einer Empfehlung müssen wir uns mit dem Hintergrund des Problems auseinandersetzen:
a) Die externe Bewerbung und die nach Vertragsabschluss erfolgende interne Kündigung sind die klassischen, offiziell „sauberen“ und im System klar geregelten Wege. Sie sind moralisch nicht ganz einwandfrei, weil man sich nicht nur hinter dem Rücken des Chefs, sondern sogar des ganzen Arbeitgebers bewirbt, aber mit diesem „tolerierten Schmutzeffekt“ leben beide Seiten.
b) Die interne Bewerbung müsste eigentlich alle Arbeitgeber begeistern: Ein bewährter, mit dem Haus vertrauter Mitarbeiter, der bereits weiß, wo es intern grundsätzlich langgeht und seine nützlichen Netzwerke hat, bleibt dem Unternehmen erhalten. Seine Einarbeitung macht weniger Mühe und kostet weniger als bei einem von draußen kommenden Bewerber, man hat bei der Einstellung mehr an Entscheidungsgrundlagen (interne Beurteilungen/Referenzen) vorliegen – eigentlich müsste dieser Weg überall in den Unternehmensleitungen und Personalabteilungen Jubel auslösen.
c) Allein genau das tut er im weit verbreiteten Normalfalle nicht. Dafür gibt es mehrere Gründe, die eine unterschiedliche Rolle spielen:
– Bei einer Stellenbesetzung von draußen bleibt das Problem auf die suchende Abteilung beschränkt. Die offene Stelle wird extern besetzt – und fertig.
– Bei der Stellenbesetzung mit einem internen Bewerber sind mindestens zwei Abteilungen betroffen: die suchende und diejenige, die den internen Bewerber abgibt, wodurch bei ihr ein zu stopfendes Loch entsteht. Mit etwas „Pech“ wird auch diese Stelle nun wieder intern besetzt, dann stehen Sie kurz vor einer Kettenreaktion. Unter diesen Aspekten kann die interne Lösung sehr viel teurer werden.
(Ein mögliches Gegenargument lautet: Die internen Bewerber hätten, gäbe es keine solche Chance, das Unternehmens ohnehin verlassen. Aber das können Sie nicht beweisen – und wie Ihr eigener Fall zeigt, bliebe so mancher Mitarbeiter doch noch „ein paar Jährchen“ am bisherigen Platz, bevor er nach draußen strebte).-
Immer mehr verbreitet ist das Denken auch kleinerer Bereiche und Abteilungen im Sinne eines Profitcenters, also mit umfassender (unternehmerischer) Verantwortung u. a. für das Erreichen vorgegebener Ziele. Wenn es diese umfassende Verantwortung des Leiters gibt, dann muss er auch adäquate Kompetenzen haben, also weitgehend frei entscheiden können. Und zu dem Prinzip passt es nicht, dass man ihm – zusätzlich zu der immer gegebenen Gefahr einer Kündigung – nun auch noch „intern Leute abwirbt“. Denn hinterher lässt sich kaum noch beweisen, ob der Mitarbeiter sich intern aktiv beworben oder ob der neue Chef ihn zunächst angesprochen hat. Also verfahren viele Unternehmen – teils offiziell, teils heimlich – nach dem Prinzip „keine interne Neubesetzung ohne vorherige Zustimmung des alten Chefs und schon gar nicht gegen dessen Willen“.
Daraus folgt: Selbst manche Personalabteilungen sagen „unter der Hand“, in ihrem Hause sei eine Kündigung einfacher als der interne Wechsel.
d) Der potenzielle neue Chef ist in der Regel ranggleicher Kollege des alten. Mit diesem fühlt er sich verbunden, mit dem arbeitet er in Projektgruppen zusammen, den könnte er irgendwann noch „brauchen“. Also wird der neue Chef immer bemüht sein, nichts zu tun, was den alten so richtig wütend macht (Regel: „Halte die Zahl deiner hausinternen Feinde im übersichtlichen Größenbereich“). Und natürlich ist der mögliche neue Chef daran interessiert zu hören, wie der interne Bewerber denn „so ist“ – sprich, wie der heutige Chef ihn beurteilt. Diese beiden letztgenannten Argumente sprechen dafür, dass der mögliche neue Chef versucht ist, den heutigen einmal anzurufen. Vor allem, wenn er ihn kennt. Wann, in welchem Stadium des Prozesses „interne Bewerbung“ er das tut, lässt sich kaum vorhersagen.
Vor diesem Hintergrund nun spielt sich in der Regel der Einzelfall ab. Manche größeren Unternehmen haben das Verfahren „interne Bewerbung“ eindeutig geregelt, andere nicht, bei wieder anderen gibt es Gepflogenheiten, die nicht schriftlich fixiert sind. Wie das bei Ihnen aussieht, weiß ich nicht – aber ein kompetenter Vertreter Ihres Personalwesens weiß es. Fragen Sie ihn in jedem Fall, und seien Sie aufgeschlossen, wenn er andeutungsweise rät, es lieber zu lassen.
Jetzt könnten Sie noch fragen, warum man überhaupt interne Stellenausschreibungen veröffentlicht, wenn man hinterher über Bewerbungen gar nicht so glücklich ist. Auch darauf gibt es eine Antwort: Dann hat der Betriebsrat mit der Unternehmensleitung eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die verbindlich regelt, welche Position wie und wo öffentlich wie lange „ausgehängt“ werden muss, bevor an externe Stellenangebote überhaupt gedacht werden kann. In dieser Vereinbarung ist aber nicht gesagt. „Alle Vorgesetzten müssen glücklich sein über jeden ihrer Mitarbeiter, der intern abgeworben wird.“
Es wäre ungerecht, jetzt nicht auch noch zu erwähnen, dass es Großunternehmen gibt, die ihre innerbetrieblichen Bewerbungen vorbildlich institutionalisiert haben. Ich habe sogar einmal von einem Konzern gehört, in dem jeder Vorgesetzte gehalten war/ist, in einem bestimmten Zeitraum eine bestimmte Anzahl seiner Mitarbeiter zu benennen, die er für die Übernahme höherwertiger Aufgaben in fremden Abteilungen als geeignet ansieht und nun der Personalentwicklung meldet. Erreicht er das Ziel nicht, gibt es Punktabzug in seiner Jahresbeurteilung. Industriestandard in Deutschland ist das aber nicht geworden, jedenfalls bisher nicht.Nach sehr langer Vorrede nun zu Ihren Möglichkeiten:
I. Informieren Sie sich bei der Personalabteilung, was im Hause üblich ist (Ihrer Bitte um Diskretion gegenüber Ihrem heutigen Chef wird man in der Regel entsprechen).
II. Rechnen Sie vorsichtshalber damit, dass Sie mit dem Absenden einer internen Bewerbung einen Stein lostreten, der eine Gerölllawine auslösen kann. Es ist denkbar, dass Sie am Schluss zwischen allen Stühlen sitzen und schließlich gehen müssen (eventuell auch intern zu einer dritten Abteilung; aber wenn Ihr heutiger Chef von Ihrer Absicht erfährt, schreibt er Sie vermutlich ab und beginnt zu überlegen, wer Ihren Job bekommt).
III. Von Ihren beiden Varianten würde auch ich die Nr. 1 ausschließen. Bei Nr. 2 verhalten Sie sich ein wenig wie bei einem externen Wechsel, das ist schon besser. Ein Risiko bleibt auch da, aber in unserem Wirtschaftssystem sind Erfolge oder Vorteile nicht zu erringen, ohne ein Risiko einzugehen. Das gehört dazu!
IV. Wenn die interne Bewerbung erfolglos abgeschlossen ist und Ihr heutiger Chef davon erfährt, bleibt Ihnen so viel Zeit, dass Sie vor einer externen Bewerbung dort noch drei Dienstjahre „voll“ bekommen. Dann können Sie die externe Bewerbung riskieren. Ihre Zeiten wären dann nicht ideal, aber vertretbar.
V: Wenn wir schon von idealen Umständen sprechen: Für einen Mitarbeiter, der dort nicht auf Dauer bleiben, sondern anschließend im „stationären“ Betrieb arbeiten wollte, sind Sie ein bisschen lange in der Beratung geblieben. Mit zwei Jahren dort und heute vier Jahren in einem Industrieunternehmen wären Sie jetzt etwas besser dran.
Kurzantwort:
1. Oft ist die interne Bewerbung mit größeren Problemen verbunden als der externe Stellenwechsel. Das ist z. T. gewollt oder wird aus übergeordneten Gründen „billigend in Kauf genommen“.
2. Ein Vorgesetzter, der – aus welcher Quelle auch immer – erfährt, dass einer seiner Mitarbeiter in- oder extern nach neuen Ufern strebt, kann gar nicht anders: Er schreibt den Mitarbeiter in seiner Planung ab und besetzt dessen Stuhl gedanklich neu.
3. Unverständliche Absagen bei Bewerbungen können auch darauf zurückgehen, dass der Empfänger einzelnen Zeugnissen des Bewerbers kritische Details entnommen hat, die dem Bewerber nicht bewusst sind. Dazu sind Zeugnisse schließlich da (u. a.).
Frage-Nr.: 2608
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 8
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2013-02-22
Ein Beitrag von: