Wie bekomme ich präsisere Angaben in meinem Arbeitszeugnis?
Frage: Ich habe den ersten Arbeitgeberwechsel hinter mir und ein gutes Zeugnis bekommen. Eingesetzt war ich in Arbeitnehmerüberlassung bei dem renommierten Automobilhersteller XY AG als Projektingenieur für … Mein Arbeitsplatz war bei der XY AG, und ich hatte dort die gleiche Verantwortung wie die Direktangestellten.
Allerdings steht nun im Zeugnis sehr knapp, dass ich „bei einem großen OEM“ eingesetzt war. Ich möchte jedoch meinen Einsatzort mit Kundennamen im Zeugnis auch entsprechend mit aufgeführt haben.
Mein früherer Arbeitgeber teilt mir nun mit, dass aufgrund einer internen Regelung der Kundenname nicht im Zeugnis aufgeführt werden darf.
Ist das zulässig?
Schließlich habe ich mich bei meinem neuen Arbeitgeber mit der Angabe genau dieses OEM im Lebenslauf erfolgreich beworben. Wie kann ich als Arbeitnehmer in Überlassung dann beweisen, wo ich genau gearbeitet habe? Soll ich nun darauf bestehen oder es mit einem Kompromiss versuchen. Z. B. könnte dort stehen: „ein großer Automobilhersteller in Wolfsburg“, dann wäre kein Name genannt, aber jeder weiß, um welche Firma es sich dabei handelt (ich verfremde stets alle Details; „Wolfsburg“ ist von mir ausgewählt; im Original geht es um eine andere Stadt, die aber ebenso typisch ist für einen OEM; H. Mell).
Muss ich meinen Lebenslauf daraufhin auch entsprechend ändern und den Namen des OEM streichen?
Antwort:
Es gibt eine Aussage von mir zum Detail und eine zum Grundsätzlichen. Letztere ist für alle Mitarbeiter interessant, ob überlassene Arbeitnehmer oder nicht.
1. Zum Detail:
Firmen haben die merkwürdigsten Vorbehalte gegen die Darstellung bestimmter Fakten. Das kann die Anzahl unterstellter Mitarbeiter, Umsatz- oder gar Renditesteigerungen, Kunden- oder Lieferantennamen oder andere Einzelheiten betreffen. Am besten ist es, Sie nehmen das hin. Der Kampf gegen „Gepflogenheiten des Hauses“ ist wie der gegen Windmühlenflügel.
In Ihrem Fall gilt: Die Hauptsache ist, Sie haben Ihre Beschäftigung im Lebenslauf korrekt dargestellt. Das müsste dort so aussehen:“04/08 – 10/12 Max Müller GmbH (Arbeitnehmer-Überlassungsunternehmen) eingesetzt durchgehend bei der XY AG alsProjektingenieur für …•…•…“Wichtig ist, dass Sie korrekt und vorrangig den Namen Ihres tatsächlichen Arbeitgebers angeben. Das ist der Überlasser, sein Name steht im Briefkopf des Zeugnisses. „Eingesetzt bei …“ ist eine erlaubte und sinnvolle Zusatzinformation. Diese komplette Angabe können Sie in Zukunft beibehalten, ob nun der Name des Kunden Ihres Arbeitgebers im Zeugnis steht oder nicht.
Aber es gilt auch:“04/08 – 10/12 XY AGProjektingenieur“wäre falsch und hochgestapelt. Die XY AG war nicht Ihr Arbeitgeber! Jeder Versuch, das so hinzubiegen, birgt die Gefahr einer Falschdarstellung in der schriftlichen Bewerbung. Sie würden den Bewerbungsleser verunsichern, da er den „Arbeitgebernamen“ XY AG im Kopf Ihres Zeugnisses nicht findet!
Was nun in Ihrem Fall die Übereinstimmung zwischen Zeugnis (ein Dokument – und das in Deutschland!) und Lebenslauf angeht: „Tödlich“ sind klare Abweichungen im Faktenbereich.
Beispiel: Der Lebenslauf sagt, der Mitarbeiter wäre „Technischer Leiter“ gewesen und das seit 2008, das Zeugnis kennt nur eine Beförderung zum Leiter Arbeitsvorbereitung und auch die erst 2010.
Der Lebenslauf darf dem Zeugnis, das immer(!) recht hat, also nicht widersprechen. Aber er darf es problemlos ergänzen, das wird grundsätzlich kommentarlos geglaubt.
Beispiele:
– Das Zeugnis sagt: „… führte er eine Gruppe von Konstrukteuren.“ Der Lebenslauf sagt: „Gruppenleiter mit 7 unterstellten Konstrukteuren.“ Problem: keines.
– Das Zeugnis des Arbeitnehmerüberlassers sagt: „Projektingenieur, eingesetzt bei einem Großunternehmen der Automobilindustrie.“ Der Lebenslauf sagt: „Projektingenieur, eingesetzt bei der XY AG.“ Problem: keines.
2. Zum Grundsätzlichen:
a) Mitarbeiter, die ein Zeugnis oder, schlimmer noch, einen Zeugnis-Entwurf ihres Arbeitgebers ausgehändigt bekommen, entwickeln oft eine große Leidenschaft für die Ausführlichkeit rein sachlicher (also nicht wertender) Details. Wehe dem Arbeitgeber, der die Mitwirkung in diesem speziellen Projekt nicht auch noch festhält, der keine konkreten Zahlen bei Umsätzen, unterstellten Mitarbeitern oder eingesparten Beträgen nennen will. Dabei lohnt sich der Aufwand für den betroffenen Angestellten meist nicht. Es gelten folgende Regeln:
– Im Zeugnis genannte Daten und Fakten müssen stimmen, sonst bleibt dem Mitarbeiter nur, um eine Korrektur zu kämpfen. Später gilt: Was im Zeugnis steht, ist die Wahrheit, abweichende/widersprechende Darstellungen des Bewerbers im Lebenslauf sind nicht „erlaubt“ (konkret: sie sind gelogen).
– Was an wichtigen „Vorkommnissen“ im Zeugnis nicht erwähnt wurde, hat es nie gegeben. Beispiele: Einsatz als …, Beförderung zum … oder Ernennung zum Stellvertreter des …; Prokura o. Ä.; längerer Auslandsaufenthalt; Leitung eines bedeutenden Projekts.- Im Zeugnis angegebene „Rahmen“ dürfen im Lebenslauf durch Eigenangaben gefüllt werden (s. a. 1.).
Beispiel: Das Zeugnis spricht von „maßgeblichen Reduzierungen der Kosten im Zuständigkeitsbereich“, der Lebenslauf kann da in der Regel ruhig von „um 7%“ sprechen.
b) So überaus wichtig sind weitergehende Details im sachlich-berichtenden (nicht: wertenden) Teil des Zeugnisses nicht. Die Gründe dafür:
– In der Regel bewirbt man sich aus ungekündigter Position, aus dieser hat man noch gar kein Zeugnis. Da man etwa fünf Jahre pro Arbeitgeber „bleiben“ soll, ist das letzte vorhandene Zeugnis fünf Jahre, das vorletzte zehn Jahre alt. Die fachlich-sachlichen Details aus jenen Dokumenten sind also weitgehend veraltet und für den Leser kaum noch interessant.
– Nach den Zeitangaben im vorigen Punkt bewirbt man sich in der Regel aus einem seit fünf oder mehr Jahren andauernden ungekündigten Beschäftigungsverhältnis, aus dem man kein Zeugnis hat. Diese „heutige Tätigkeit“ des Bewerbers ist aber besonders interessant für den Bewerbungsempfänger, gerade darüber sucht er detaillierte Informationen (was macht der Bewerber, wofür ist er zuständig, wie groß ist sein Verantwortungsrahmen etc.?). Diese erfolgsentscheidenden Darstellungen findet er nur im Lebenslauf des Kandidaten.
Weil der Bewerbungsempfänger also aus der besonders wichtigen „heutigen Tätigkeit“ des Bewerbers keine Aussagen in einem Zeugnis finden kann (es gibt keines) und er sein Informationsbedürfnis aus dem Lebenslauf stillen muss – hat er sich angewöhnt, die sachlichen Details zu früheren Beschäftigungsverhältnissen auch gleich dem Lebenslauf (nicht aus den „alten“ Zeugnissen) zu entnehmen.
– Bei den (wichtigen) Details zur derzeitigen Position (zur „heutigen Tätigkeit“) des Kandidaten, der sich aus ungekündigter Position bewirbt und (wurde jetzt oft genug betont) kein Zeugnis aus dieser Phase hat, ist der Bewerbungsleser darauf angewiesen, die im Lebenslauf stehenden Informationen zu glauben. Und das tut er denn auch problemlos! Bei der Gelegenheit glaubt er dann die Lebenslauf-Angaben zu früheren Beschäftigungsverhältnissen gleich mit (sofern er keine widersprechenden Angaben in alten Zeugnissen findet).
– Da dies im – anzustrebenden – Regelfall so ist, hat sich bei professionellen Lesern die Angewohnheit herausgebildet, bei neuen Bewerbungen erst die Lebensläufe zu lesen, die Anschreiben nur bei jenen ca. 10 bis max. 20%, die das „überleben“. Dort nur blättert man auch in den Zeugnissen. Anders gesagt: Mir ist kein Leser von Bewerbungen bekannt, der seine wesentlichen Informationen über Bewerber vorrangig aus dem sachlichen Teil von Zeugnissen entnimmt (mit dem Standard-Risiko, dass die jüngsten Informationen stets etwa fünf Jahre alt sind).
– Ein Profi geht grundsätzlich immer nach dem gleichen, bewährten Schema vor. Er tut das auch dann, wenn der Bewerbung ausnahmsweise ein aktuelles Zwischen- oder Endzeugnis vorliegt.
3. Resümee: Sie, geehrter Einsender, können Ihren alten Arbeitgeber ruhig in seinem Sinne vorgehen lassen, Sie haben dadurch keinen wesentlichen Nachteil.
PS. Ich habe dies so ausführlich dargestellt und in diesem Beitrag auch mehrfach Hinweise ähnlichen Inhalts nicht gescheut, um den Lesern zu verdeutlichen: Natürlich darf ein Zeugnis keine fehlerhafte oder grob unvollständige Darstellung im sachlich-beschreibenden Teil enthalten. Aber viel wichtiger ist eine möglichst umfassend-positive Bewertung von Leistung und Führung und dann auch noch in einem möglichst freundlich-warmherzigen Ton. Kritisch zu sehende oder mehrdeutige Formulierungen in diesem Bereich fallen noch nach zehn Jahren auf, die sachlichen Darstellungen zur Tätigkeit sind dann total veraltet.
Kurzantwort:
1. Im sachlichen Teil des Zeugnisses vom Arbeitgeber grob gesteckte „Rahmen“ können vom Bewerber in seinem Lebenslauf problemlos und wirkungsvoll durch präzise Detailangaben ausgefüllt werden.
2. Zeugnisse werden in der Regel erst etwa fünf Jahre nach dem Ausstellen anlässlich von Bewerbungen vorgelegt. Dann interessiert die Beurteilung immer noch, der beschreibend-sachliche Teil ist bereits überholt.
Frage-Nr.: 2623
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 19
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2013-05-08
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