Heiko Mell 02.01.2016, 08:36 Uhr

Kann ich mich trotz eigener Absage erneut bei einem Unternehmen bewerben?

Frage/1: Sie empfehlen dem karriereambitionierten Ingenieur, alle vier bis fünf Jahre den Arbeitgeber zu wechseln.

Frage/2: Nehmen wir an, Ingenieur A bewirbt sich heute jeweils bei den Unternehmen B, C und D. Die Vorstellungsgespräche laufen gut, alle drei Unternehmen zeigen Interesse und bieten dem Bewerber A eine Beschäftigung an. A entscheidet sich für Unternehmen C. Nach fünf Jahren erinnert sich Ingenieur A an Ihre Ratschläge und möchte den Arbeitgeber wechseln, um den nächsten Schritt auf der Karriereleiter zu erklimmen (Vorsicht mit solchen Schuldzuweisungen wie „Ihre Ratschläge“; siehe Antwort auf den Teil 1 Ihrer Frage; H. Mell). Unternehmen B scheint für ihn nach wie vor attraktiv zu sein, daher bewirbt sich A dort erneut.

Wie reagiert das Unternehmen B auf diese Bewerbung eines Ingenieurs, der einige Jahre zuvor bereits ein Job-Angebot dieses Hauses ausgeschlagen hatte? Mit dem gleichen Interesse wie damals? Mit Zurückhaltung (weil dieser Bewerber es „immer wieder tun“ könnte, wie eines Ihrer Zitate lautet)?

Ich bin mir darüber im Klaren, dass auch die Arbeitsmarktsituation Einfluss auf die Antwort hat – aber ich bin sicher, dass Sie trotzdem gute Hinweise zu der Thematik haben.

Antwort:

Antwort/1: Das tue ich nicht – und habe es auch nicht getan! Mir ist das so wichtig, dass ich Sie bitte, mir ggf. Textzitate zu nennen, aus denen Sie das ableiten.

Zur Sicherheit hier noch einmal meine vielfach niedergeschriebenen Empfehlungen:

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1. Die „Mindestverweildauer“ pro Arbeitgeber sollte im Durchschnitt ca. fünf Jahre betragen. Wenn es gerade gut läuft, sollte man besser mindestens etwa sieben bis acht Jahre bleiben – so legt man ein „Dienstzeitpolster“ an für eventuell später plötzlich erforderlich werdende „schnelle“ Wechsel innerhalb des Werdeganges.

„Mindestens“ bedeutet: eher mehr. Und von einer Empfehlung, nach fünf Jahren in jedem Fall zu wechseln, war nie die Rede.

2. Eine Ausnahme gilt für Berufseinsteiger nach dem Studium. Bei ihnen werden auch schon einmal zwei Jahre Dienstzeit in dieser ersten Anstellung toleriert. Auch hier gilt: länger ist besser, mit einem „Dienstzeitpolster“ sorgt man für diverse mögliche Katastrophen vor.

3. Da alles, was grundsätzlich gut und nützlich bis dringend ratsam ist, ab einer gewissen Menge auch schaden kann (wie Salz in der Suppe), gibt es auch hier Obergrenzen, die ebenfalls fließend sind und nicht sklavisch eng genommen werden müssen:

Ab zehn Dienstjahren pro Arbeitgeber sollte man so langsam nachzudenken beginnen, ob ein Wechsel nicht angezeigt sein könnte. Denn mit deutlich mehr als zehn Jahren gerät man langsam in Gefahr, eines Tages (wenn man sich denn bewerben will oder gar muss, womit immer zu rechnen ist) als unflexibel, nicht mehr fähig zur Umstellung auf die Gegebenheiten eines anderen Hauses eingestuft zu werden. Nach achtzehn Jahren Müller & Sohn, so der „Verdacht“, denkt und handelt ein Bewerber wie im „Tunnelblick“ auf jenes Unternehmen fixiert und kann sich nicht mehr an andere Gegebenheiten anpassen.

Verstärkt wird diese Empfehlung zum Wechsel durch eine gleichartige, unveränderte Tätigkeit/Position in jenen zehn Jahren oder mehr. Abgeschwächt wird sie durch viele interne Veränderungen (die sich im Lebenslauf niederschlagen) und vor allem durch echten internen Fortschritt (Beförderungen).

Es sollten also nach mehr als zehn Jahren erkennbare Veränderungen im Lebenslauf auftauchen: entweder durch interne Aufgabenänderungen/Beförderungen oder durch Arbeitgeberwechsel.

4. Grundsätzlich wird im Lande eher zu viel als zu wenig gewechselt. Lebensläufe mit zehn Arbeitgebern in zwanzig Jahren kommen vor.

In Zeiten guter Konjunktur sehen Arbeitgeber über Grenzen dieser Art leicht hinweg, ebenso bei einer Spezialisierung des Bewerbers auf ein seltenes, dringend gesuchtes Fachgebiet: Wenn eine Position unbedingt besetzt werden muss, ist dem Arbeitgeber das Hemd schon einmal näher als die Hose (sonst käme es gar nicht zu diesen Werdegängen der Extremwechsler). Aber in der nächsten Krise oder beim Überschreiten bestimmter Altersgrenzen zieht derselbe Arbeitgeber plötzlich die Reißleine und lehnt solche Kandidaten ab. Und da stehen sie dann …Daher wird empfohlen, als eine Art „Lebensversicherung“ (das ist sachlich falsch, aber einprägsam) lieber auf der sicheren Seite zu bleiben. Aber sagen Sie nicht, ich würde zum Wechsel „alle vier bis fünf Jahre“ aufrufen.

Und damit auch das gesagt ist: 25 Jahre bei einem Arbeitgeber zu bleiben, ist völlig in Ordnung – sofern Sie sicher sein können, dass Sie nun niemals mehr wechseln wollen oder müssen. Können Sie sicher sein? Sie können es leider nicht. Übrigens (damit Sie gewarnt sind): Die kritische Phase, in der dann plötzlich gegen alle Erwartungen doch etwas passiert, liegt zwischen etwa 48 und 52 Jahren.

Antwort/2: Nehmen wir also an, A bewirbt sich nach fünf Jahren der Tätigkeit im Hause C nunmehr bei Unternehmen B. Das wirft zunächst einmal keine besonderen Fragen auf. Der Mann hat eine hinreichend lange Dienstzeit beim heutigen Arbeitgeber – wenn ihm jetzt noch eine vernünftige Begründung für das Wechselvorhaben einfällt, ist soweit alles in bester Ordnung.

Nun hat der Kandidat vor jenen fünf Jahren aber nicht nur schon eine Bewerbung an B gesandt, er hat dort auch Aufwand verursacht. Für ein Vorstellungsgespräch, vielleicht sogar für die Ausarbeitung eines Vertragsangebots. Und er hat abgesagt, ein anderes Angebot vorgezogen und so könnte man meinen, B damit enttäuscht, beleidigt oder sogar wütend gemacht. Die Leute dort könnten sich an diesen Bewerber erinnern, ihm die damalige Absage immer noch übelnehmen – und vermuten, er provoziere auch jetzt wieder nur viel Aufwand, teste vielleicht nur seinen Marktwert und sage dann noch einmal ab. Dazu folgende Argumente:

1. Jener Bewerber A ist ein kluger Mann. Er weiß, man hinterlässt im Kontakt mit potenziellen Arbeitgebern niemals „verbrannte Erde“, sondern rechnet von vornherein damit, dass man sich im Leben „immer zweimal trifft“. Er hat also damals etwa einen Absagebrief dieses Inhalts geschrieben:“…, über Ihr Vertragsangebot habe ich mich sehr gefreut. Ich bedanke mich ausdrücklich für das Vertrauen, das Sie mir damit entgegenbringen.

Während unserer Kontakte hat sich Ihr Unternehmen als ein für mich sehr interessanter möglicher Arbeitgeber gezeigt, bei dem ich gern tätig geworden wäre.

Leider habe ich mich nun nach sehr sorgfältigem Abwägen aus speziellen Gründen für ein anderes Angebot entschieden. Mir ist klar, dass diese Entscheidung auch falsch sein kann, das wird sich erst in der Zukunft zeigen.

Wenn Sie erlauben, würde ich mir gerne vorbehalten, mich zu einem späteren Zeitpunkt erneut bei Ihnen zu bewerben.

Noch einmal vielen Dank für die mir gegebenen Informationen und das interessante Gespräch.

Mit freundlichen Grüßen….“

Oder so ähnlich. Es ist nicht so, dass die Leute bei B so etwas auswendig lernen und sich sofort daran erinnern, wenn der Name des A nach mehreren Jahren wieder auftaucht. Aber A fühlt sich damit besser, wenn er später wieder etwas von B will.

Und er würde sich jetzt gar nicht gut fühlen, hätte er damals etwa geschrieben: „Ihr zweitklassiges Angebot können Sie behalten. Zum Glück gibt es noch Unternehmen, die den Wert eines Bewerbers richtig einschätzen können. Leben Sie wohl.“

2. Fünf Jahre sind in einem modernen Unternehmen eine lange Zeit. Vermutlich ist dort „kein Stein mehr auf dem anderen“ – die Strukturen sind andere, die Personen haben gewechselt oder haben andere Zuständigkeiten. Und selbst wenn nicht: Niemand erinnert sich nach einer so langen Zeit noch an einen Bewerber, der „nur“ ein Angebot nicht angenommen hatte.

3. Mit Bewerbern verbindet man kurz nach der Bekanntschaft schon keinen Namen mehr – dafür kommen und gehen einfach zu viele davon. Wenn man sich etwas merkt, dann die Namen bekannter Arbeitgeber, von denen sie kommen. Aber heute kommt A von einem Arbeitgeber, der damals noch gar nicht in seiner Bewerbung aufgetaucht war.

4. Selbst wenn ein Unternehmen sich die Mühe machen sollte, alle Bewerberkontakte mit allen Details in einer Datei festzuhalten, was kaum anzunehmen ist, so gilt: neues Spiel, neues Glück. Die Position ist Jahre später eine andere, der Fachvorgesetzte hat andere Maßstäbe (oder ist eine andere Person), eine veränderte Arbeitsmarktsituation zwingt zu anderem Denken. Das Unternehmen liest die Bewerbung „neutral“ und grundsätzlich interessiert.

5. Auch werden Sie sich ja nicht mehr um die gleiche Position bewerben wie vor fünf Jahren, Sie wollten doch „den nächsten Schritt auf der Karriereleiter erklimmen“ (was übrigens so nicht geht; Sie „machen“ entweder den nächsten „Schritt“ auf einer Leiter oder, besser, Sie „erklimmen“ die nächste „Stufe“ auf derselben – aber Schritte erklimmt man nicht).

Fazit: Sie können sich unbesorgt dort wieder bewerben. Ich würde den alten Fall in der schriftlichen Bewerbung nicht erwähnen. Ob Sie es im Vorstellungsgespräch tun, hängt vom Gesprächsverlauf ab.

Aber: Es gibt nicht die geringste Sicherheit, dass man Ihnen jetzt wieder ein Angebot macht. Sie wissen ja: neues Spiel, neues Glück – und neue Mitbewerber.

Kurzantwort:

1. Es ist ratsam, mindestens ca. fünf Jahre bei einem Arbeitgeber zu bleiben. Damit ist nicht gesagt, dass man dann wechseln soll!

2. Wenn man vor fünf Jahren – was immer ratsam ist – freundlich und höflich ein Vertragsangebot abgelehnt hat, kann man sich bei diesem Unternehmen unbesorgt wieder bewerben. Dies gilt vor allem, wenn es jetzt um eine andere Position geht.

3. Unternehmen sind nicht beleidigt, nur weil ein Bewerber vor Vertragsabschluss absagt. Sie sind es aber, wenn er sie aktiv verärgert hat. Das gelingt durchaus.

Frage-Nr.: 2637
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 29
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2013-07-19

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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