Heiko Mell 02.01.2016, 08:54 Uhr

Wie kann ich mit eigenartigen Textbausteine im Zwischenzeugnis umgehen?

Frage/1: Als langjähriger Leser der VDI nachrichten habe ich eine Menge aus Ihrer Karriereberatung gelernt. Besonders gut gefallen haben mir Ihre Analysen sprachlicher Verwirrungen. Hierfür herzlichen Dank.
Mich beschäftigen die aus meiner Sicht teilweise sehr ungewöhnlichen Formulierungen in meinem Zwischenzeugnis des XY-Konzerns. Da die Kapazität der Personalabteilung stark reduziert wurde, werden die Zeugnisse mittlerweile von einem Dienstleister auf der Basis von Textbausteinen erstellt. Oft werden mehrere Versuche benötigt, bis die Zeugnisse zumindest sachlich richtig und ohne Rechtschreibfehler sind.
Die verwendeten Textbausteine sind lt. Auskunft des Dienstleisters auf Basis der geltenden Rechtsprechung konzernweit abgestimmt. Trotz des angeblich umfassenden Abstimmungsprozesses finden sich eigenartige Wortkombinationen. Beispiel: „Er realisierte intensiv“ – was wäre denn bitte eine nicht intensive Realisierung?

An mehreren Stellen werden in den Textbausteinen Formulierungen verwendet, die m. E. eine negative Interpretation nahelegen.

Frage/2: Ich hatte z. B. folgende Änderungsvorschläge gegenüber dem ersten Entwurf:

2.1 „Dienstleitungsangebote“ wollte ich durch „Dienstleistungsangebote“ ersetzen.

2.2 „Er realisiert intensiv und sehr zielstrebig die in Eigeninitiative gesetzten sowie die vereinbarten Bereichs- und Unternehmensziele“ sollte lauten: „Er realisiert sehr zielstrebig und mit hohem persönlichen Einsatz die vereinbarten Bereichs- und Unternehmensziele.“

2.3 „Sein Arbeitsstil zeichnet sich stets durch eine sehr sorgfältige Planung, durch Systematik und klare Strukturierung aus“ sollte geändert werden in: „Sein Arbeitsstil zeichnet sich stets durch eine gute Planung und eine sehr klare Strukturierung aus.“

2.4 Die zusammenfassende Kernaussage (nur zu Ihrer Information zitiert) war und sollte bleiben: „Als hervorragender Leistungsträger erfüllt er seine Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit und entspricht unseren Anforderungen und Erwartungen in jeder Hinsicht optimal.“

2.5 Die Textbausteine eines älteren Zwischenzeugnisses sind an vielen Stellen offensichtlich ganz andere. Inwiefern ist das problematisch, weil im direkten Vergleich einzelner Kriterien der Leser die Aussagen deutlich anders interpretieren könnte?

Antwort:

Antwort/1: Sie sind hier mit einer speziellen Erscheinungsform des Zeitgeistes konfrontiert worden:

a) Abbau von Kapazitäten zur Mitarbeiterbetreuung in den Personalabteilungen vor Ort.

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b) Verlagerung des eigentlich extrem wichtigen Instrumentes „Zeugniserstellung“ hin zu einem zwangsläufig etwas „seelenlos“ operierenden Dienstleister, der den betroffenen Mitarbeiter ganz sicher und den eigentlich zuständigen Vorgesetzten vermutlich nicht mehr persönlich kennt. Bei Endzeugnissen könnte man das ja noch verstehen: Der Mitarbeiter ist weg, er hatte ja ohnehin gekündigt oder war entlassen worden. Aber bei Zwischenzeugnissen handelt es sich um den Einsatz eines Führungsinstrumentes gegenüber einem noch und weiterhin vorhandenen Mitarbeiter, der dauerhaft wirksam motiviert werden soll. Das in fremde Hände zu legen, scheint mir ziemlich gewagt zu sein.

c) Ersatz eines denkenden, Formulierungen und ihre Nuancierungen beherrschenden Menschen durch zwangsläufig immer nur einen Kompromiss darstellende Textbausteine.

Das alles ist gewollte Politik, vielleicht auch alternativlos durch wirtschaftliche Zwänge bestimmt.

Als „Trost“ für Sie: Bestimmte Trends sind nicht aufzuhalten, sie ufern eher weiter aus. Ein Konzern beginnt, andere können natürlich nicht zurückstehen, das entsprechende Vorgehen wird meinungsbildend oder sogar Standard, schwappt auf große Mittelständler über und irgendwann vielleicht sogar auf kleine. Wer nun im eigenen Haus diese – zwangsläufig stets irgendwo unvollkommen bleibenden – Instrumente einsetzt, geht auch als Leser bald routiniert damit um. Und zuckt die Schultern, wenn er in fremden Machwerken Ecken und Kanten findet, die er von seinen eigenen kennt.

Sprachästheten werden ihre Probleme damit haben, aber die große Mehrheit gehört nicht dazu: erledigt.Und noch einen Trost habe ich für Sie: Schon heute werden im Tagesgeschäft der Bewerbungsanalyse Zeugnisse aller Art überwiegend nur recht flüchtig gelesen. Das ließe sich auch, denken Sie an etwa fünfzig zu lesende Bewerbungen mit durchschnittlich etwa drei bis fünf Zeugnissen, mit allzu penibler Detailarbeit nicht mehr rationell abwickeln. Der Standardbewerbungsempfänger schaut sich ein Zeugnis, wenn nicht konkrete „Verdachtsmomente“ vorliegen, etwa nach diesem Schema an (und immer hat er den Lebenslauf vorher gelesen!):

1. Er vergleicht die Eigenangaben des Bewerbers im Lebenslauf mit den Hauptinformationen im ersten Satz des Dokumentes (Eintrittsdatum, Eintrittsposition).

2. Er kontrolliert organisatorische Veränderungen, insbesondere im Lebenslauf behauptete Beförderungen und Übernahmen von Aufgaben mit größerer Verantwortung im Hinblick auf sachliche und terminliche Richtigkeit (Aufstieg zum Gruppenleiter am X.Y.20XX).

3. Er liest recht flüchtig die Beschreibung von Aufgaben und Zuständigkeiten der letzten dort beschriebenen Position (liegt diese z. B. schon zehn Jahre zurück, überspringt er diesen Komplex).Was Bewerber immer wieder übersehen: Bei der – anzustrebenden – Bewerbung aus ungekündigter Position gibt es über die wichtigste, nämlich die heutige, Tätigkeit noch gar kein Zeugnis. Also muss der Bewerbungsempfänger diese entscheidenden Informationen aus dem Lebenslauf entnehmen. Und „bei der Gelegenheit“ entnimmt er dann die Beschreibungen früherer Tätigkeiten/Positionen auch gleich jenem Dokument.

4. Er liest dann mit Interesse die Bewertung/Beurteilung der Eigenschaften und Fähigkeiten. Sein Ziel ist in der Regel nicht, einzelne dieser Aspekte aufzuspüren und abzuhaken. Das wäre auch schwierig: In einem Zeugnis steht „selbstständiges Arbeiten“, vorn oben, im nächsten hinten unten, im dritten gar nicht (weil es dem Chef nicht wichtig war oder weil er auf dem Standpunkt steht, das sei bei ihm selbstverständlich – unselbstständige Leute hätte er längst entlassen).

Der Leser hat also keine Strichliste, auf der er die einzelnen beurteilten Aspekte etwa abhakt – und er hat auch kein System, mittels dessen er etwa die verbale Beurteilung wieder rückübersetzt in den ursprünglichen Formularbogen, auf dem der Chef des Mitarbeiters seine Kreuzchen gemacht hatte.

Er macht sich nur insgesamt ein Bild davon, welche Einschätzung dieses Arbeitgebers in den Formulierungen zum Ausdruck kommt.

5. Dann sucht er gezielt jene Formulierung, die für die „Gesamtzensur“ (Schulnote) steht. Dabei vergleicht er diese mit dem Eindruck aus 4. So merkt er auch, ob etwa nur eine „1“ vergeben wurde, „damit der Kerl Ruhe gibt“, während die Einzelwertungen unter 4. nur Durchschnitt signalisieren.

6. Dann liest er aufmerksam die Aussagen zum Verhalten („beliebt“ bei Kollegen, aber vom Chef ist in dem Satz keine Rede?).

7. Sehr wichtig sind ihm dann die Umstände des Ausscheidens (eigener Wunsch, Bedauern).

8. Die Schlussfloskeln werden nur flüchtig daraufhin abgeklopft, ob Abweichungen vom Standard vorkommen.

Nun noch zu Ihrem „Er realisierte intensiv“: Seien Sie nicht zu anspruchsvoll, Sie überfordern das System. Ein Beispiel: Ein Maurer hat eine Mauer zu erstellen. Er macht einen Ausführungsplan, er zeichnet alles auf und erstellt zwei Stücklisten: eine fürs Material, eine fürs Werkzeug. Dann setzt er den Plan um, er realisiert. Montags beschafft er die Steine, dienstags den Zement, mittwochs den Sand. Donnerstags pausiert er, freitags legt er Kübel, Kelle, Wasserwaage zurecht. Am folgenden Montag legt er den ersten Stein, dann pausiert er vorsichtshalber wieder. Glauben Sie, dass man ihm eine „intensive Realisierung“ bescheinigen würde? Ein Kollege von ihm beschafft Material und Werkzeug binnen einiger Minuten und werkelt sofort effizient los – die Mauer wächst. Ob man dem nun eine intensive oder (besser) engagierte oder (noch besser) eine effiziente, erfolgreiche Realisierung bescheinigt, ist bei der oben beschriebenen Auswertung des Dokuments im betrieblichen Tagesgeschäft nicht mehr wichtig.

 

Antwort/2: Ich habe einiges an Fragen und Beispielformulierungen kürzen müssen, aber für die Verdeutlichung des Prinzips reicht es.

Zu 2.1: Über simple, nicht sinnentstellende einzelne Tippfehler regt sich im Zeitalter der selbstgetippten E-Mails kaum noch jemand auf. Sie können so etwas reklamieren, müssen es aber nicht. Aber in Vorstellungsgesprächen müssen Sie diese Fehler kennen, sie stehen immerhin in Ihren Unterlagen. Fehler dieser Art fallen allein auf den Konzern zurück.

Zu 2.2: Ihre Version ist schwächer als die ursprüngliche, weil Sie herausgestrichen haben, dass Sie sich auch selbst Ziele setzen (ein durch und durch positives Element). Ich hätte mich auf den Vorschlag beschränkt, die Reihenfolge der beiden Ziele zu vertauschen – das Wichtigste gehört stets nach vorn oder oben. Wenn Sie „intensiv“ durch „mit hohem persönlichen Einsatz“ ersetzen, erreichen Sie keine neue Dimension.

Zu 2.3: Niemand auf der Seite künftiger Leser macht sich die Mühe, so tief in die Details zu gehen, dass sich aus Ihren Vorschlägen eine deutlich bessere Wertung ergeben würde. Sie riskieren es, mit Wünschen dieser Art bei Ihrem Arbeitgeber als kleinlich zu gelten.

Zu 2.4: Die Kernaussage/Gesamtschulnote ist supertop, daneben verblasst jede Diskussion über Bewertungsdetails.

Zu 2.5: Na und? „Ein großes Haus kann Großes bieten“, sagt der Fachmann. Wer seine Zeugnisausstellung auf Dienstleister überträgt, nimmt Abweichungen zu seinen früheren Dokumenten in Kauf. Wer Textbausteine einsetzt, wird die öfter einmal ändern. Stellen Sie sich nur einmal vor, Sie bekommen eines Tages ein neues Einser-Zwischenzeugnis dieses Hauses und man hat dann Ihren heutigen Zusatz nach der Zufriedenheitsformel gestrichen („… und entspricht unseren Anforderungen und Erwartungen in jeder Hinsicht optimal“). Soll dann der Leser denken, nun entsprächen Sie nicht mehr, seien nur noch ein ganz ordinärer Einser-Zeugnisinhaber? Also: Sehen Sie die große Linie, nehmen Sie die allerletzten Details nicht ganz so wichtig.Ausblick: Auch ein Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird (der Wurm bin ich), sehen Sie mir also zwei Schlussbemerkungen nach:

a) Sie haben mir zu diesem grundsätzlich überschaubaren Fall eine E-Mail mit 29 Seiten in „Anl. 2“ und 8 Seiten in „Anl. 1“ übersandt. Sie sind schon ein äußerst gründlich arbeitender Mensch, keine Frage.

b) Zeugnisse insbesondere größerer Unternehmen insbesondere von Mitarbeitern mit längeren Dienstzeiten werden stets auch „gegengecheckt“ durch einen Blick auf die Laufbahnentwicklung (z. B. Beförderungen), die der Mitarbeiter dort vorweisen kann. Es nützt nichts, wenn das Zeugnis von Lobes-Superlativen nur so strotzt, man einen erlösenden Schlusssatz herbeisehnt wie „in Anerkennung seiner enormen Verdienste haben wir ihn in den Vorstand berufen“ – und diese Erlösung dann aber nicht kommt.

Das bedeutet: Es hat keinen Sinn, sich isoliert nur um extrem gute Zeugnisse zu bemühen. Man schaut als Leser bei eingesandten Bewerbungen auch auf den Werdegang im Unternehmen. Man sieht darin gern eine Art „logische Unterstützung“ der Beurteilungsformulierungen.

Das eben bemühte Beispiel mit der Vorstandsberufung war sicher ein Extrem. Aber Aussagen wie diese kommen immer wieder vor (die Formulierungen gebe ich hier nur dem Sinne nach wieder, nicht wörtlich):“Der Mitarbeiter war rundum super-top. Alle haben ihn geschätzt und geliebt. Wir haben ihn gefeuert und wünschen ihm alles Gute.“ Hier passt das Ende der Laufbahnentwicklung absolut nicht zur Gesamtbewertung; wer feuert schon seine besten Leute zuerst? Um glaubwürdig zu sein, hätten hier die „Tränen“ in den Augen des Arbeitgebers ob dieser leider(!) aus erläuterten Gründen(!) unverzichtbaren Maßnahme(!) sichtbar werden müssen.

Wie so etwas aussehen kann? Etwa so:“Der Mitarbeiter war super-top (keine wörtliche Vorlage, nur eine Zusammenfassung der Einzelbewertungen).

Leider hat sich die Unternehmensleitung aus rein geschäftspolitischen Überlegungen entschlossen, die Aktivitäten auf dem Sektor XY einzustellen und den entsprechenden Geschäftsbereich aufzulösen. Damit entfiel auch der Arbeitsplatz von Herrn Müller. Wir hätten Herrn Müller gerne behalten. Leider ergab sich wegen der angespannten wirtschaftlichen Situation keine seiner besonderen Qualifikation entsprechende anderweitige Einsatzmöglichkeit im Hause. Daher endet das Arbeitsverhältnis mit ihm im besten gegenseitigen Einvernehmen zum … Wir bedauern diese Entwicklung außerordentlich, verlieren wir doch mit ihm einen wertvollen Mitarbeiter. Wir danken ihm für die sehr fruchtbare Zusammenarbeit und wünschen …“

Das gibt es durchaus.

Kurzantwort:

Frage-Nr.: 2651
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 44
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2013-10-31

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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