Heiko Mell 02.01.2016, 09:49 Uhr

Warum werde ich von meinem Unternehmen nicht übernommen?

Frage: Ich war sieben Monate als Masterand in der technischen Entwicklung bei einem sehr bekannten OEM (A) in der deutschen Automobilindustrie tätig. Die Abschlussarbeit wurde erfolgreich mit der Note 1,0 abgeschlossen (Gesamtnote Master 1,2). Im Abschlussgespräch zeigte sich der vorgesetzte Gruppenleiter zufrieden (1) und bestätigte mir den Erhalt (2) eines sehr guten, nicht alltäglichen Arbeitszeugnisses (3). Er hat selbst die Tätigkeitsschwerpunkte formuliert und die „Kreuzchen“ in meinem Beurteilungsbogen (4) gesetzt. Die Personalabteilung hat diesen dann in Textform transferiert.
Nach eigener Einschätzung würde ich das Zeugnis allerdings mit der Schulnote „gut“ gleichsetzen (5).
Laut Aussage des vorgesetzten Gruppenleiters würde man mich sehr gerne weiterhin beschäftigen (6). Trotz der Befürwortung durch den Abteilungsleiter könne man mir aufgrund derzeit ungünstiger Rahmenbedingungen (angespannte Lage im Entwicklungsressort in Form von enormen Sparmaßnahmen, Budgetkürzungen etc.) aber leider keine Festanstellung anbieten
.Es gäbe dort aktuell keine vakanten Planstellen, insbesondere keine für Berufseinsteiger, auch nicht für das nächste Quartal (7). Einzig gangbarer Weg wäre eine externe Anstellung über einen Ingenieurdienstleister (Werkvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung). Doch selbst dieses Vorhaben sei gegenüber dem Personaleinkauf/-controlling in der momentanen Lage kaum durchsetzbar (8). Die Chancen stehen also schlecht. Nichtsdestotrotz (9) laufen auf dieser Schiene erste Bemühungen, Ausgang ungewiss.
In einem kürzlichen Telefoninterview im Bewerbungsprozess bei einem anderen OEM (B) wurde mir die – vollkommen berechtigte – Frage gestellt, wieso mich die Konkurrenz (also A) nicht übernähme. Auf meine wahrheitsgemäße Schilderung der Situation dort reagierte der Personalleiter von B so: “ Herr …, nur so viel: Wenn ich eine vielversprechende Nachwuchskraft unbedingt im Unternehmen halten möchte, kann ich diese Absicht auch durchsetzen.“ (10)Mir hatten allerdings Kollegen bei A bereits vor einem halben Jahr bestätigt, dass dort auch Top-Absolventen, die mehrere Führungskräfte als Befürworter hatten, nicht eingestellt werden konnten (11).
Der Aussage des Personalers von B im Telefoninterview konnte ich leider nichts entgegensetzen, da der Sachverhalt bei A für mich selbst nicht vollkommen transparent ist. Ein inakzeptabler Zustand (12).
Wie ist es Ihrer Ansicht nach nun wirklich? Beabsichtigt das Unternehmen A keine weitere Zusammenarbeit? Ist das Argument mit den aktuell ungünstigen Rahmenbedingungen als gültig und nach außen vertretbar anzusehen? Anders ausgedrückt: Wollte man mich geschönt loshaben (13) oder bin ich ein Opfer unglücklicher Umstände?
Wie lautet bei ausbleibender Übernahme die klügste Antwort im Dialog mit potenziellen dritten Arbeitgebern (14)?

Antwort:

Ich versuche, die Geschichte auf Basis der mir vorliegenden Informationen „aufzudröseln“. Zumindest zeigt die Analyse, wie komplex eine Situation sein kann, die sich am Stammtisch so einfach darstellen ließe. Die eingestreuten Nummern sind von mir, so kann ich leichter auf die vielen verschiedenen Aspekte eingehen.

Zu 1: Der deutsche OEM im Automobilbereich ist ein Konzern mit Weltgeltung. Er ist Teil der Spitze der deutschen Industrielandschaft, ein klassischer Traumarbeitgeber für junge Ingenieure. Nicht unbedingt absolut (die kochen auch nur mit Wasser), aber relativ gesehen (im nationalen und internationalen Vergleich) ist das schon deshalb Elite, weil darüber in der Einschätzung durch die Öffentlichkeit nichts mehr kommt. In der Entwicklungsabteilung eines solchen Hauses kann, darf und wird man durchaus auch elitäre Ansprüche stellen – vor allem an Bewerber, die dort tätig werden wollen.Ihr Vorgesetzter bei diesem Unternehmen A, der hier ruhig einmal als Repräsentant der Eliteabteilung eines Elite-Eliteunternehmens bezeichnet werden darf, zeigte sich im Abschlussgespräch mit Ihnen „zufrieden“. Das ist zu wenig! Er hätte begeistert sein müssen, beispielsweise. „Zufrieden“ steht für „befriedigend“, Elite kommt weit, weit höher. Das haben Sie vielleicht gedankenlos so hingeschrieben – aber was mir hier auffällt, hätte schon Ihnen auffallen müssen.

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Zu 2: Er kann Ihnen nicht „den Erhalt“ eines Dokumentes bestätigen, das er Ihnen gibt. Er könnte nur erklären, dass er glaubt, Ihnen ein Top-Zeugnis gegeben zu haben. Sachlich ist das nur eine Kleinigkeit, aber so etwas liest man auch in Bewerbungen (den Erhalt bestätigt der Empfänger).

Zu 3: Nun stellt sich die Kernfrage nach der Qualität Ihres Zeugnisses. Da wir das vorliegen haben, können wir mit Details arbeiten. Natürlich wissen wir nicht, wie gut solche Dokumente für Masteranden dort im Durchschnitt sind. Aber Sie müssen immer damit rechnen, dass ein Vorgesetzter im direkten Kontakt den Mitarbeiter gern positiver beschreibt als er das eigentlich empfindet. Er will vielleicht trösten, will den jungen Menschen nicht demotivieren – und sieht eine Chance, die extrem schlechte Nachricht („Wir können Sie nicht übernehmen“) durch Schmeicheleinheiten zu lindern („Aber wir geben Ihnen ein supergutes Zeugnis“).

Zu 4: Die alles entscheidenden Kreuzchen in Ihrer Beurteilung verteilen sich so: Ein Kreuz bei einer positiven Extremwertung, fünf Kreuze bei zweitbesten Wertungen. Bis dahin ist alles sehr schön. Aber dann kommt noch ein Kreuzchen bei der „nur“ drittbesten Wertung. Und das – Ihr schlechtestes also – ausgerechnet bei „Innovationskraft“. Spontan wird man das als Aussage über Ihre zentrale Schwachstelle werten. Bedenken Sie: In der Entwicklung eines Top-Weltkonzerns, bei der Elite der Elite. Das Kreuzchen ist nicht so toll, das sieht nach Vorbehalten aus. Ob das nun gerecht war oder nicht: Es hätte nicht geschehen sollen. Diese Masterarbeiten dienen schließlich den Unternehmen zum Kennenlernen und zum Testen des potenziellen Nachwuchses.

Zu 5: Im Langtext-Zeugnis steht etwa eine Note „gut+“ („gute Qualität“, „stets zur vollen Zufriedenheit“, „guter Mitarbeiter“, angereichert durch einige sehr positive Aussagen zu anderen Kriterien).Fazit: Hätten wir einen tatsächlichen allgemeinen Ingenieurmangel zum jetzigen Zeitpunkt, würde man Sie nehmen. So aber …

Zu 6: Eine pauschale, allgemeine, tröstende, jedoch unverbindliche Aussage.

Zu 7: Das dürfte durchaus stimmen. Ähnliche Gesamtumstände, die zur Zurückhaltung bei der Einstellung insbesondere von Berufseinsteigern führen, trifft man derzeit öfter an – auch bei „großen Namen“.

Zu 8: Ob Sie, wenn er denn offen sein sollte, diesen Weg über die Arbeitnehmerüberlassung gehen möchten, müssen Sie selbst entscheiden. Er hat in Ihrem Falle nur dann einen Sinn, wenn die anschließende Übernahme durch den OEM klappt. Und wenn nicht? Man hat, die Vermutung ist erlaubt, Sie schon einmal nicht so begeistert haben wollen, wie das wünschenswert gewesen wäre. Seien Sie also gewarnt.

Zu 9: Vermeiden Sie diesen nur umgangssprachlich vorkommenden Begriff in seriöser Korrespondenz. Ein „dennoch“ hätte gereicht. Mir geht es nicht um die Kritik an dieser Nebensächlichkeit, ich will vermeiden, dass Sie das Wort eines Tages ungeprüft z. B. in Bewerbungen verwenden.

Zu 10: Was dieser Mann gesagt hat, ist Standard-Denken bei Bewerbungsempfängern. Die Einstufung lautet, man habe Sie bei A „gewogen und zu leicht befunden“ (nach der Bibel, Daniel 5,27). Und dann wird man skeptisch.Was er über die Möglichkeiten sagt, im Ausnahmefall immer eine Lösung zu finden, wenn man sie denn entschlossen sucht, ist grundsätzlich richtig, wenn es auch nicht immer funktioniert. Aber die Konstellation reicht aus, um einen „Verdacht“ zu begründen. So wird nun einmal gedacht.

Zu 11: Das beweist zwar nichts, aber wir können das Argument noch gebrauchen.

Zu 12: Das war nicht einfach für Sie – und die von Ihnen beobachtete Intransparenz ist beabsichtigt und Teil des beruflichen Systems. Wie Sie damit umgehen, steht zwei Punkte weiter unten.

Zu 13: Ich vermute, hier kommen einige Aspekte unter für Sie ungünstigen Gesamtumständen zusammen. Ja, ich glaube, derzeit will A Sie nicht. B übrigens auch nicht, weil man dort glaubt, A hätte Sie kennengelernt und genau deshalb nicht gewollt. Als schon angeklungener Trost: Hätte man bei A händeringend nach Ingenieuren gesucht, hätte man Sie mit hoher Sicherheit eingestellt. So war die Kombination der eher schwächeren (Ihrer schwächsten!) Beurteilung in Sachen Innovationskraft mit Ihrem Wunsch, ausgerechnet in der elitären Entwicklung eines ohnehin elitären Top-Konzerns arbeiten zu wollen, bei dem derzeit Neueinstellungen von Anfängern generell schwierig sind, die Ursache der Ablehnung.Ich finde es übrigens gut, dass Sie sich die Frage auch schon gestellt hatten. Nur ist sie falsch formuliert: Man will Sie nicht „loshaben“ (ein Wort, das es im seriösen Sprachgebrauch nicht gibt), man war Sie ja schon „losgeworden“, indem man Ihren befristeten Masterandenvertrag einfach auslaufen ließ. Richtig ist, dass man Sie danach nicht fest + endgültig haben wollte, mit welcher Begründung auch immer.

Zu 14: Sie haben es gespürt: Bei der weltberühmten XY AG seine Masterarbeit erstellt zu haben und dann mit gutem, aber nicht sehr gutem Zeugnis dort nicht eingestellt zu werden, erweckt Verdacht. Dem müssen Sie entgegentreten. Ich sehe drei Argumentationsmöglichkeiten gegenüber anderen Unternehmen in dieser entscheidenden Frage:

a) Sie wollten da (zu A) nicht hin! Natürlich nicht, weil das etwa ein uninteressanter Arbeitgeber wäre, das kommt so nicht infrage. Die Gründe für Ihre negative Entscheidung:a1) Sie wollten die von Ihnen bearbeitete Sachthematik (Thema Ihrer Masterarbeit) jetzt beenden/abschließen und in andere Fachgebiete in der Entwicklung vorstoßen. Dahingehend hat man Ihnen aber leider keine Hoffnungen machen können – wenn eine Übernahme überhaupt infrage käme, dann vorläufig nur auf diesem Spezialgebiet.

a2) Hinzu kämen noch Schwierigkeiten, wegen fehlender Planstellen und Budgetmittel überhaupt festangestellt zu werden. Man hätte Ihnen nur anbieten können, auf dem Weg über eine Arbeitnehmerüberlassung einzusteigen und „eines Tages“ auf endgültige Übernahme zu hoffen.Beides zusammen habe bei Ihnen, der Sie gern dort gearbeitet hätten und dessen Vorgesetzter Sie auch gern übernommen hätte, wie er ausdrücklich gesagt habe, zur Ablehnung geführt.

b) Sie wollten gern dort hin, auch Ihr Vorgesetzter hätte ausdrücklich erklärt, er würde Sie gern übernehmen. Aber leider herrsche gerade in der Entwicklung, zumindest in diesem Teilbereich, quasi Einstellstopp für Berufseinsteiger, den man aber aus politischen Gründen nicht so nenne. Es gäbe keine entsprechenden Planstellen und Budgetmittel mehr, nicht einmal eine klare Chance zum Einstieg über eine Arbeitnehmerüberlassung gäbe es, von der Ungewissheit im Hinblick auf eine spätere Übernahme ganz zu schweigen. Daher würden Sie dieses Projekt nicht weiter verfolgen und seien offen für neue Chancen.

c) Sie wollten dort nicht hin! Das sei zwar ein tolles Unternehmen mit tollen Produkten und einem hervorragenden Ruf, auch habe Ihr Vorgesetzter deutliches Interesse an Ihrer Übernahme signalisiert – aber es sei halt ein Konzern. Sie hätten einen recht guten ersten Einblick gewonnen und gemerkt, dort passten Sie nicht optimal hin. Die Organisation sei doch recht starr, die Dienstwege seien sehr unflexibel, der Einzelne bewege kaum etwas. Sie hätten sich mit älteren ehemaligen Kommilitonen ausgetauscht, die schon ein bis zwei Jahre in eher mittelständischen Unternehmen tätig seien – das habe Sie überzeugt, dort würden Sie ebenfalls gern einsteigen: Der einzelne Mitarbeiter wäre näher an allen Entscheidungen dran, sehe mehr, lerne vielseitiger, sein Verantwortungsbereich sei offensichtlich breiter. Sie seien dem A-Konzern dankbar, dass Sie dort Ihre Masterarbeit hätten machen dürfen, aber nun wüssten Sie, was Ihr Ziel wäre: ein Einstieg im gehobenen Mittelstand.Natürlich eignet sich diese Argumentation (nach c) nur gegenüber einem entsprechenden Unternehmen dieser Größe.

Und ebenso natürlich können Sie alle drei Varianten parallel zumindest gegenüber verschiedenen(!) Bewerbungsempfängern ausprobieren (immer nur eine Variante pro Unternehmen).

Dahinter steht die Überlegung: Der Großkonzern ist keineswegs pauschal der bessere, interessantere Arbeitgeber. Er ist es nur, wenn der jeweilige Bewerber genau dort optimal hinpasst, wenn seine individuelle Persönlichkeit mit den Anforderungen und Gegebenheiten dort am besten harmoniert. Um das herauszufinden, dazu dienen Praktika, Industrie-Abschlussarbeiten etc. Vielleicht, geehrter Einsender, haben Sie tatsächlich etwas in der Art herausgefunden …PS: Sie, liebe hier nicht direkt betroffenen Leser, könnten sich fragen, warum ich dieses nur begrenzt dramatische Thema so breit darstelle. Ich hätte eine Antwort darauf:

Gerade der junge Mensch auf der Schwelle zwischen Studium und Beruf steht oft buchstäblich vor dem Übergang in eine völlig neue Dimension. Was dort vorgeht, ist für ihn nur schwer zu begreifen. Wenn ich mit Informationen helfen kann, tue ich es. Auch wenn es manchmal etwas mehr an Aufwand erfordert.

Kurzantwort:

Frage-Nr.: 2662
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 51
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2013-12-19

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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