Heiko Mell 02.01.2016, 11:08 Uhr

Ist eine Linienfunktion einer Stabstelle besser für die Karriere?

Frage/1: Ich habe Maschinenbau an der TH … studiert und konnte bei Studienende vor gut einem Jahr verhältnismäßig viele Erfahrungen durch Praktika und fachbezogene Nebentätigkeiten nachweisen.
Meine Diplomarbeit habe ich bei dem einige hundert Mitarbeiter starken Standort eines amerikanischen Konzerns geschrieben – eine kleine Einheit im Verhältnis z. B. zu einem deutschen Automobilhersteller, den ich bei einem Praktikum kennengelernt habe.Bei dieser amerikanischen Konzerntochter habe ich eine ganz andere Kultur erlebt als bei traditionellen deutschen Arbeitgebern. Ich habe dann dort im Bereich des Anlagenbaus als Lean Projekt Manager beim Produktionsleiter angefangen. Schnell konnte ich viel Verantwortung übernehmen. Ein Neubauprojekt und die Einführung einer umfassenden Unternehmenssteuerungs-Software waren zwei fundamentale Veränderungen und brachten große Herausforderungen für mich.

In meiner Stabsfunktion obliegen mir beispielsweise die gesamte Planung, Beschaffung und Umsetzung des neuen Konzepts für einen Teil der Logistik inklusive Lager und Optimierung der Materialversorgung der Arbeitsplätze.

In den letzten Wochen hatte ich mehrere Gespräche mit einem ranghohen Manager bezüglich meiner weiteren Entwicklung. Auf die Frage, was ich mir denn vorstelle, habe ich „Lean Leader“ gesagt. Damit habe ich mich gegen eine Stabsfunktion entschieden, in der ich den Anlagenbau verlassen und die Leitung einer kleinen Serienproduktion im Werk hätte übernehmen sollen.

Frage/2: Im Anlagenbau bei uns „brennt die Hütte“ und ich kann derzeit auch dort mein Potenzial besser einbringen.
Als Lean Leader bin ich beim Werkleiter aufgehängt und klassisch funktional (hierarchisch) betrachtet auf Augenhöhe mit dem Produktionsleiter und dem Material Manager, aber ohne direkt zugeordnete Mitarbeiter.
Sie haben geschrieben, eine Linienfunktion wäre aus Gründen der Karriereoptimierung einer Stabsstelle vorzuziehen. Ich bezweifle jedoch die Anwendbarkeit auf eine tatsächlich gelebte Matrixorganisation wie in unserem weltweit operierenden Konzern. Ich habe das Gefühl, dass hier das Ausmaß der Verantwortlichkeit insgesamt gegenüber der Verantwortlichkeit nur aufgrund direkter Reporte entscheidender ist.
Sie sagen in etwa: Es müsse ja klar sein, dass ein derartig interessanter Job nicht karriereoptimal sein könne, weil bei der Vergabe von Positionen mit Führungsverantwortung klassische Muster zugrunde gelegt würden. Ich für meinen Teil freue mich nun, eine weitere sehr steile Lernkurve zu haben, um anschließend mit direkter Führungsverantwortung weiter zu machen.

Ich freue mich sehr über eine Antwort und Ihre Perspektive.

Antwort:

Antwort/1:

Ich hatte von Anfang an kleine Verständnisschwierigkeiten bei Ihrer Originaleinsendung. Sie jonglieren, was völlig in Ordnung ist, so mit den Namen der beteiligten Unternehmen, dass ich nicht spontan verstand, bei welchem Sie nun tätig sind. Ich habe nach mehrmaligem Durchlesen entschieden, dass Sie beim Amerikaner unterschrieben hatten und Ihre Einsendung entsprechend auf „klare Aussage“ umgebaut (ich kann den Lesern keine unklare Situationsschilderung zumuten, die würden einfach beim dritten Absatz abschalten – und Vorabnachfragen beim Einsender kommen für mich aus Prinzip nicht infrage).

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Diese ersten Zeilen meiner Antwort sind ja noch von nur begrenzt tiefgründiger Aussagekraft – eine kleine Unklarheit, was soll’s. Aber: Die ganze Geschichte dreht sich schon vom Betreff Ihrer Einsendung bis zum späteren Schluss um „Stab contra Linie“. Und dann kam der letzte bisher abgedruckte Satz aus obiger Einsendung – und ich verstand nun gar nichts mehr! Sie wollen Chef der Lean-Aktivitäten im Werk werden, direkt beim Werkleiter aufgehängt. Schön, ist ja völlig in Ordnung. Aber was Sie da außerhalb des Anlagenbaus nicht wollten, nämlich die Leitung der kleinen Serienproduktion, war natürlich keine Stabs-, sondern eine Linienfunktion. Das ist des Pudels Kern (Faust, Goethe), darum dreht sich hier alles, das haben Sie selbstverständlich auch gewusst – aber an der entscheidenden Stelle verwechselt. Und beim üblichen Kontrolllesen nicht gemerkt. Das ist ziemlich unverzeihlich.

Fast hätte ich Ihre Einsendung als unverständlich eingestuft und abgelegt. Woher soll denn ein armer Leser wissen, dass Sie „schwarz“ meinen, wenn Sie „weiß“ schreiben? Und nun lesen Sie meine Eingangsbemerkung über unklare Schilderungen noch einmal. Das weitaus Beste, was ich je für Sie tun kann, ist es, Sie auf eine klare Schwäche in der Präsentation Ihrer Gedanken hinzuweisen. Mit meiner Lebenserfahrung wage ich die Aussage: Wenn Sie nichts dagegen unternehmen, wird Ihnen das eines Tages ziemliche Probleme bereiten. Denn: „Sie tun es immer wieder“; Heiko Mell a. a. O.

Also zurück zur Sache, auch zur Beruhigung von Lesern, die meine „Aufregung wegen solch einer Lappalie“ nicht nachvollziehen können. Seien Sie versichert: je ranghöher und erfahrener jemand ist, desto mehr kann er (nachvollziehen).

 

Antwort/2:

Sie wollen meine Perspektive erfahren? Das ist nett, aber besser nicht. Ich habe keine große mehr, meine Laufbahn ist gelaufen. Sehen Sie, so geht das. Was Sie wahrscheinlich lesen möchten ist, welche Perspektive Sie in meinen Augen haben. Und da kann ich Sie beruhigen: Es ist alles in Ordnung, Sie haben bisher „laufbahntechnisch“ keinen Fehler gemacht und eine solide berufliche Zukunft vor sich.

Zu den Details: Ob Ihre Begeisterung für den internationalen Konzern anhält, müssen Sie einmal sehen – alle wirklich wichtigen Entscheidungen fallen jenseits des großen Wassers. Aber noch berührt Sie das nicht.

Dass Ihre Begeisterung über Matrix-Strukturen anhält, bezweifle ich. Wenn Sie erst einmal Produktions- oder Werkleiter sind, könnte Sie der Verdacht beschleichen, Sie kämen „notfalls auch ohne Matrix“ zurecht. Solche komplexen Befehls-, äh Berichts-Strukturen haben schon ihre Vorteile: für die Steuerung des Konzerns. Sie wurden nicht geschaffen, damit das Management an der operativen „Front“ im fernen Germany erheitert wird.Nun zu Stab-/Linienaspekten: Ich habe nie gesagt, eine Linienposition wäre in jedem Fall vorzuziehen. Sicherheitshalber präzisiere ich meine Aussagen noch einmal:

 

1. Die „große Karriere“ bis zur zweiten oder auch dritten Hierarchieebene unterhalb der Konzern-/Unternehmensleitung wird generell in der Linie gemacht. Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer sind mit sehr kleinen Ausnahmen Inhaber von Linienpositionen.Als wesentliches Kriterium der Linie kann gelten: Sie „macht“ vorrangig das operative Geschäft oder dient diesem maßgeblich. Typische Beispiele: Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Finanz- und Rechnungswesen, Personalwesen, Einkauf. Kriterium: Nehmen Sie aus dem „Getriebe“ des Unternehmens ein „Linien-Zahnrad“ heraus, bleibt in Kürze der gesamte Apparat stehen – alles ist „tot“.

 

2. Insbesondere für junge Akademiker, die frisch von der Hochschule kommen, an der ja die theoretisch-wissenschaftliche Beschäftigung mit den Fachthemen überwiegt, ist Stabstätigkeit faszinierend, sie macht einfach Spaß.

Als wesentliches Kriterium der Stabsfunktion kann gelten: Mit dem Schwerpunkt auf konzeptioneller Arbeit und nicht eingebunden in das operative Tagesgeschäft unterstützt der Stab die Linie, analysiert Probleme, zeigt Lösungen auf, berät, schlägt vor, arbeitet aus. Beispiele: Strategische Unternehmensplanung, Business Development, Grundsatzfragen des Personalwesens, Lean Management, Organisationsabteilung, Inhouse-Consulting, Assistent. Kriterium: Legen Sie eine Stabsabteilung still – passiert erst einmal gar nichts, das laufende Geschäft geht weiter. Erst nach Monaten, vielleicht erst nach Jahren macht sich das Fehlen der Stabsaktivitäten bemerkbar, es beginnt erst hier zu „knirschen“, dann dort.

 

3. Zur Vorsicht sei gesagt: Die Definitionen sind nicht starr, die Grenzen sind fließend. Mitunter sind Stabs- und Linienfunktion miteinander vermischt. Mittelständler haben oft gar keine als solche ausgewiesenen Stäbe, sie rechnen sich dort nicht. Natürlich wird die konzeptionelle/strategische Denkarbeit dort auch erledigt – oft vom Inhaber oder Top-Management in seltenen Mußestunden.

 

4. So wichtig Stabsfunktionen für das Unternehmen auch sind, so gilt doch: Stäbe machen in der Regel keinen Umsatz, sie verdienen aktiv kein Geld. Der Zweck des Unternehmens ist aber Rendite. Da sind die Linienfunktionen einfach näher dran. Wer hoch nach oben will, muss irgendwann in die Linie, es führt kaum ein Weg daran vorbei.

Nicht zu vergessen: Es gibt sehr(!) viel mehr Linienfunktionen. Von manchen Stabspositionen gibt es auch in großen Häusern nur eine einzige.

 

5. Typischer Werdegang für Berufseinsteiger mit Top-Ausbildung: Einstieg im Stab, dort erfolgreich für etwa zwei bis vier Jahre arbeiten, sich beim Top-Management profilieren, dann in die Linie wechseln, dabei sofort oder bald Führungsaufgaben übernehmen.

 

6. Die früher übliche Aufstiegsroutine sah vor, dass interne Wechsel vom Stab in die Linie Standard waren, der umgekehrte Fall aber praktisch nicht vorkam. Ein Problem ist dabei auch der Führungsumfang: Wenn man erst einmal 100 Mitarbeiter geführt hat, geht man ungern auf eine Stabsfunktion mit einem Mitarbeiter zurück.

Die vielfach praktizierte moderne Form der Laufbahnplanung in Großkonzernen sieht sehr viel öfter routinemäßige Wechsel auch von der Linie in den Stab vor. Ziel ist das Heranbilden eines breit erfahrenen Top-Nachwuchses. Nachteil dabei: Wenn man vorher in der Linie war, große Führungsverantwortung hatte, seit zwei Jahren wieder im Stab sitzt – und sich dann mit dieser Basis extern bewerben muss, kann man auf Akzeptanzprobleme stoßen.

Und für den Fall, dass mich ein Leser für zu hart urteilend in diesem Fall hält: Ob unser Einsender seinen Ziel-Job „Lean Leader“ nun hat oder ob er nur Wünsche anmelden durfte, haben wir auch nicht erfahren. Weil es im Original im nämlichen Satz heißt: „Als Lean Leader bin ich beim Werkleiter aufgehangen sein“ – was eine in der deutschen Sprache nicht vorgesehene Kombination von Gegenwart und Zukunft bedeutet und den Leser mit seinen Fragen allein lässt.

Wer mich für kleinlich hält, darf den Satz des vorletzten Absatzes von „Frage/2“ hier einmal im Original lesen:„Sie sagen in etwa: Es müsse ja klar sein, das ein derartig interesannter Job nicht karrieroptimal sein aufgrund klassischer Muster bei der Vergabe von Positionen mit Führungsverantwortung.“

Ich habe keinen Lebenslauf vorliegen, lese aber einen „urdeutschen“ Vornamen, darauf achte ich bei solch einer Kritik dann schon.

Kurzantwort:

Service für Querleser:
Für den jungen Hochschulabsolventen ist der Start im Stab des Werkleiters nahezu ideal. Mit 40 beginnt man zu wünschen, man wäre Werkleiter und damit „Linie pur“.

Frage-Nr.: 2755
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 22
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2015-05-28

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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