Heiko Mell 02.01.2016, 11:10 Uhr

Es gibt den Dipl.-Ing. (FH) noch!

Ihre Beiträge lese ich seit vielen Jahren aufmerksam. Schon mehrfach konnte ich von Ihren Ratschlägen profitieren. Sie haben mir geholfen, meine berufliche Entwicklung nach erfolgreichen Arbeitsverhältnissen bei führenden deutschen Industrieunternehmen bis zur Position des Studiendekans einer der erfolgreichsten elektrotechnischen Fakultäten an deutschen Fachhochschulen voranzutreiben. Gemäß Ranking der Wirtschaftswoche von 2014 befindet sich „meine“ Fakultät Elektrotechnik der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden unter den Top 10.

In Frage 2745 wurde auch das Bachelor-Master-„System“ angesprochen. Sie äußerten sich dazu wie folgt:„Fachleute sagen resignierend: ‚Der Einführungsprozess ist so weit fortgeschritten, wir werden wohl damit leben müssen.‘ … Der Master an der Uni ist eine Säule des Systems. … Die andere Extremseite ist der Bachelor (FH), der etwas unter dem alten Dipl.-Ing. (FH) rangieren dürfte und mit dem viele Betriebe in der Praxis nicht ganz zufrieden sind (‚Die können weniger als die FH-Dipl.-Ing. konnten‘). Aber die Unternehmen werden sich – teils zähneknirschend – darauf einstellen, schon weil es praktisch keine Alternativen mehr gibt.“

Der letzte Satz des Zitats veranlasst mich nun zu dem Ausruf: „Doch – es gibt sie!“

In Deutschland ist Bildung „Ländersache“, also gibt es 16 (!) Hochschulgesetze und entsprechende Schwierigkeiten, hier den Überblick zu behalten.In Sachsen lässt das Hochschulgesetz zu, dass an Hochschulen – also auch an Fachhochschulen – nach wie vor der akademische Grad „Dipl.-Ing. (FH)“ vergeben wird. Daher darf hier auch in entsprechenden Diplomstudiengängen ausgebildet werden.

Diese Chance haben wir genutzt und die Diplomstudiengänge an der Fakultät „Elektrotechnik“ der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden beibehalten. Somit ist unsere Fakultät eine der ganz wenigen Fakultäten an Fachhochschulen in Sachsen sowie deutschlandweit, an denen es noch möglich ist, Diplomstudiengänge zu absolvieren.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie gelegentlich einmal auf diese Möglichkeit hinweisen könnten.

Antwort:

Das mache ich gern. Ohne nun ein großer Spezialist für die Verästelungen des deutschen Studiensystems zu sein oder werden zu wollen, aber immerhin nach bestem Wissen und Gewissen zu diesem Thema meine Meinung:

1. Wer das Studium zum Dipl.-Ing. (FH) wählt, erarbeitet sich(!) eine etwas bessere Fachqualifikation als der Standard-Bachelor. Das eine Semester mehr zahlt sich ebenso aus wie die sicherlich etwas andere Gestaltung der Wissensvermittlung. Das dürfte ihm die Lösung übertragener Aufgaben in der Praxis erleichtern.

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2. Wer von Anfang an vorhat, anschließend noch den Master zu erarbeiten, hat keinen erkennbaren Vorteil vom Dipl.-Ing., braucht insgesamt aber mehr Zeit (schaden kann der Diplom-Studiengang natürlich auch dem Master nicht).

3. Bei Bewerbungen um eine Einstiegsposition könnte jetzt und noch in den nächsten Jahren der Dipl.-Ing. (FH) von manchem (mittelständischen) Unternehmen bevorzugt werden.

4. In dreißig Jahren, wenn „alle Welt“ Bachelor oder Master ist und es auch kaum noch Dipl.-Ing. im Management gibt, könnte der Dipl.-Ing. (FH) bei Bewerbungen durchaus auf fragend hochgezogene Schultern stoßen: als Berufseinsteiger ganz sicher, als Ingenieur mit jahrzehntelanger Praxis vielleicht auch („Exotenstatus“).

Frage-Nr.: 2758
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 23
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2015-06-04

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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