Heiko Mell 02.01.2016, 11:19 Uhr

Sollte ich drei Monate Probezeit im Lebenslauf verschweigen?

Bisher war mein Lebenslauf durchgehend. Auch wenn einige kürzere Tätigkeiten dabei waren, konnte ich die Veränderungen immer begründen.

Dieses Jahr nun hatte ich eine neue Stelle angetreten, bei der der Vertrag nach drei Monaten in der Probezeit im gegenseitigen Einvernehmen beendet wurde. Danach werde ich nun arbeitslos sein.

Kann ich diese kurze Probezeit und die nachgelagerte Arbeitslosigkeit im zukünftigen Lebenslauf durch eine familienbedingte Auszeit oder eine freiberufliche Tätigkeit kaschieren oder ist dies rechtlich eher bedenklich? Lebenslauf liegt bei.  

Antwort:

Sie sind Manager, haben schon deutlich mehr als 100 Mitarbeiter geführt, in Ihrem Lebenslauf stand auch schon einmal Vice President. Sie gehen auf die 50 zu – ein kritisches Alter für Führungskräfte, wie man beim Lesen von Lebensläufen schnell erkennt.   Sie hatten bisher sieben Arbeitgeber, bei den meisten (6) davon sind Sie immer nur zwei bis drei Jahre geblieben, nur einmal waren es doppelt so viele Jahre wie die pauschal erwarteten fünf. Ich verschweige Branche und Tätigkeit, Sie bleiben damit total anonym. Ihre Zeugnisse liegen mir nicht vor, ich kann also die Freiwilligkeit früherer Wechselprozesse nicht nachprüfen. Es gibt allerdings bei früheren Wechseln im Lebenslauf „nicht optimal zueinander passende Zeiten“, die ohne Erklärung nicht verständlich sind. Insgesamt ergeben sich für einen Bewerbungsleser folgende Fragen und Zweifel auf der mir vorliegenden Informationsbasis:

1. Wie Sie selbst auch schon gemerkt haben, ist Ihre Beschäftigungsdauer pro Arbeitgeber seit Studienende im Durchschnitt zu kurz, das verstärkt das Misstrauen des Bewerbungsempfängers hinsichtlich der wahren Gründe für den jüngsten Misserfolg.

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2. Da viele Manager Ihrer Altersgruppe in entsprechende Schwierigkeiten geraten (oft erkennbar auch an den eher kürzer als länger werdenden Dienstzeiten pro Unternehmen), liegt stets ein wenig der Verdacht in der Luft, Sie könnten so langsam erreicht haben, was Peter den – bei jedem von uns gegebenen – „level of incompetence“ nennt. Niemand wird das aussprechen, aber so mancher zumindest denken. Unterstützt werden könnten solche Gedanken durch die Tatsache, dass Ihre letzten drei zurückliegenden Positionen die Gesamtleitung einer Funktion (etwa Einkauf, Produktion, Vertrieb o.ä.) für ein ganzes Unternehmen abdeckten, während die letzte Anstellung nur noch eine sachlich-räumliche Teilverantwortung für Ihr Fachgebiet ausweist.

3. Ihre heutige/letzte und die davorliegende Position passen lt. Lebenslauf nahtlos aneinander. Damit liegt der „Verdacht“ nahe, Sie seien bei dieser davorliegenden Position auf eigenen Wunsch ausgeschieden (Zeugnisformulierung). Würden Sie auf dieser Basis statt der heutigen/letzten Position etwas „Erfundenes“ präsentieren, wären Sie in diese ungewöhnliche Phase auch noch „auf eigenen Wunsch“ gegangen und hätten einen solide aussehenden Job freiwillig aufgegeben, um irgendeine „Auszeit“ zu nehmen.

4. Familienbedingte Auszeiten sollte man mitten im Erwerbsleben ohne Not lieber nicht ausweisen; auch eine freiwillige Selbstständigkeit an dieser Stelle hätte Nachteile:

a) Sie zeigen, dass Sie lieber selbstständig als angestellt sind und dass alle Positionen, um die Sie sich jetzt bewerben, für Sie nur zweitklassigen Charakter haben.

b) Als Selbstständiger nach gut drei Monaten schon pleite gegangen zu sein, das ist kein Erfolgsbeispiel und klingt nach extrem schlechter Planung.

5. Kern meiner Antwort aber muss sein: Sie bewerben sich um neue Positionen als angestellte Führungskraft. Begründen Sie kein neues Engagement dieser Art mit einer „Leiche im Keller“ (bewusste Falschdarstellung wesentlicher Gegebenheiten im Lebenslauf). Neue Arbeitgeber können sehr wütend werden, wenn sie hinter Ihre Falschaussage kommen, das Risiko schließt die fristlose Entlassung ein. Tun Sie das nicht!

6. Die Beendigung der Probezeit „im gegenseitigen Einvernehmen“ gilt als arbeitgeberseitige Entlassung, sie gilt weiterhin als eine große Niederlage innerhalb des Berufslebens. Wäre dies die einzige Auffälligkeit in Ihrem Lebenslauf, kämen Sie vermutlich relativ unbeschadet damit durch. Durch die vielen kurzen Engagements ist jedoch das Misstrauen des Bewerbungsempfängers geweckt.

7. Noch eine Auffälligkeit: Bei den frühen Wechseln während Ihres Berufslebens geben Sie mehrfach „Wechselmotivationen“ an, zuletzt jedoch nicht mehr. Das fällt auf! Das waren Hintergrund-Erläuterungen, jetzt zum anstehenden Problem:

Jeder Empfänger Ihrer Bewerbung will unter allen Umständen wissen, „was da los war“ beim heutigen/letzten Arbeitgeber, wie es zur Katastrophe (der Probezeit-Entlassung) kommen konnte. Diese Erklärung sollte unbedingt schon in der schriftlichen Bewerbung stehen, sie sollte im Wahrscheinlichkeitsbereich einer solchen Konstellation liegen (nichts enthalten, was man noch nie gehört hat) – und sie sollte vorwiegend sachliche Darstellungen der Ursachen aufführen. Je stärker beim Leser der Verdacht aufkommt, man hätte Sie schlicht für unfähig gehalten oder Sie seien sofort mit Ihrem neuen Chef zusammengerasselt, desto klarer kann man vorhersagen, dass Sie eine Absage erhalten werden. Vielleicht vermisst manch ein Leser bei mir den Hinweis, dass die Erklärung auch noch absolut wahr sein muss. Dann hat er natürlich absolut recht. Aber wenn die Wahrheit nun (siehe den Absatz davor) eine Aussage einschlösse, die mit Sicherheit eine Einstellung ausschlösse? Dann muss jeder Bewerber selbst entscheiden, was er aussagt. Er trägt natürlich auch das Risiko. Es ist ein heikles Thema, ich weiß das natürlich auch. Aber ich muss auch sehen, dass es Wahrheiten gibt, die mit Sicherheit in die Dauerarbeitslosigkeit führen. Und ich habe drei Argumente zum Trost:

a) Auch die Unternehmen sagen bei der Darstellung von Position und Umfeld nicht immer jene Wahrheit, die man als „rein“ bezeichnen würde. Ich verzichte auf Beispiele.

b) Auch die Unternehmen erwarten bei der Darstellung des Bewerbers im Bereich „Motive, Gründe, Hintergründe, Ursachen und Absichten“ zwar eine rundum überzeugende, ebenso überzeugend vorgetragene, glaubwürdige Geschichte. Sie wissen aber, dass sie nicht alles nachprüfen können – und dass Verkäufer dazu neigen, ihr Angebot in leuchtenden Farben darzustellen, worüber man sich dann als Käufer sein eigenes Urteil bilden muss. Wahr sein müssen allerdings die „harten Fakten“, die man nennt: Die arbeitsrechtliche Situation (gekündigt, durch wen, freigestellt, Klage erhoben), die früheren Beschäftigungsverhältnisse (eben keine Kaschierung einer kurzen Dienstzeit durch irgendeine „Geschichte“ über familieneigene Auszeiten etc.).

c) Jetzt wird es „gemischt“: Arbeitgeber wollen oft gar nicht „die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit“ wissen. Nehmen wir einmal an, Sie sind Arbeitgebervertreter im Vorstellungsgespräch. Nun finden Sie einen Kandidaten, der Sie rundum überzeugt, der die Lösung Ihres personellen Problems sein könnte und den Sie spontan für Ihren Bereich gewinnen möchten. Und dann sagt dieser Bewerber als Antwort auf eine Frage oder spontan aus sich heraus: „Ich bin, ehrlich gesagt, eher faul und brauche Druck, um engagiert an meine Arbeit zu gehen. Und Chefs? Chefs bin ich gegebenenfalls bereit zu akzeptieren, wenn sie auf meinem Gebiet besser sind als ich, sonst eher nicht.“ Oder auch: „Mein letzter Chef hielt mich für unfähig, aber das war nicht sein einziges Fehlurteil.“

Was machen Sie dann? Der Kandidat hat das gesagt, Sie haben es gehört, Sie wissen es jetzt. Ignorieren können Sie das nicht mehr, das verbietet Ihre Loyalitätspflicht gegenüber Ihrem Arbeitgeber. Also werden Sie kräftig fluchen („warum musste der Kerl das so offen sagen“) – und ihm eine Absage geben. Hätte er sich statt dieser Aussage einfach nur bemüht, den üblichen guten Eindruck zu machen, hätten Sie wahrscheinlich gedacht: „Nun ja, einfach zu führen wird der nicht sein. Aber warten wir es mal ab. Schließlich hat er ja mich als Chef, das bekommen wir schon hin. Und wir gewinnen mit ihm einen exzellenten Fachmann. Schauen wir einfach optimistisch nach vorn.“ Zur Sicherheit: Ich habe nicht gesagt, die Firmenvertreter wollen belogen werden. Ich habe nur gesagt, mitunter freuen sie sich, wenn sie von einem sonst überzeugenden Bewerber eine gute Geschichte hören, die sie durchaus glauben dürfen. Sie können ja schließlich keinen Privatdetektiv losschicken, der alles aufklärt. Zurück zur konkreten Einsendung: Dieses Probezeitende war sachlich bedingt, die Geschäftspolitik hatte sich geändert, die bei Ihrer Vorstellung geltenden Gegebenheiten waren nicht mehr aktuell, Perspektiven sind entfallen, Entwicklungschancen haben sich zerschlagen etc. Das muss kurz, sachlich, überzeugend, „staatstragend“ kommen („ich kann das Unternehmen sogar verstehen, vielleicht hätte ich auch so gehandelt“). Und bevor mir jemand vorwirft, allzu lax mit der Wahrheit umzugehen: Unser Einsender wurde bereits entlassen, hat also keinen Schutzanspruch mehr, wie ihn ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis begründen würde. Es spricht also nichts dagegen, dass der Bewerbungsempfänger beim heutigen/letzten Arbeitgeber anruft. Es gehört nun wieder zum Geschick des Bewerbers, einen hochrangigen Arbeitgebervertreter dafür zu gewinnen, die eigene „Geschichte“ halbwegs zu unterstützen. Als Trost für alle Fälle: Viele Bewerbungsempfänger werden (nach einem geführten Vorstellungsgespräch) dort anrufen, alle jedoch nicht. Aber mit „Ausfällen“ aufgrund der Auskunft des letzten Arbeitgebers ist zu rechnen. Bei der Gelegenheit: Entlassungen in der Probezeit sind problemlos möglich, kommen aber relativ selten vor. Das ist eine beruhigende Nachricht für Stellenwechsler, macht aber eine Entlassung für den Betroffenen besonders auffällig. Wenn etwas selten ist, fallen die wenigen Fälle besonders auf. Umso wichtiger ist eine im Sinne der Regeln überzeugende Erklärung dieser Maßnahme, zu der sich der letzte Arbeitgeber gezwungen sah.

Kurzantwort:

Im gesamten Bewerbungsprozess sollte im Hinblick auf arbeitsrechtlich relevante Fakten die Wahrheit gesagt werden. Im Hinblick auf Hintergründe, Motive, Ver-hältnis zu Chefs etc. gilt das natürlich auch, aber die „Spielräume“ sind größer.

Frage-Nr.: 2766
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 29
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2015-07-16

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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