Frage/1:Gelernt und erste Berufsjahre in der Projektleitung absolviert habe ich in der inzwischen verkauften Firma meines Vaters. Frage/2:Seit ca. fünfzehn Jahren bin ich jetzt in einem mittelständischen Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern tätig. Dort wurde ich bald Gruppenleiter, dann zweiter Mann in der technischen Leitung und zusätzlich Leiter eines speziellen Bereichs. Die GmbH gehört dem Gesellschafter-Geschäftsführer zu 80 und einer angestellten Führungskraft zu 20%. Der GF ist etwa Mitte 60, der Minderheitsgesellschafter wird in Kürze aus Altersgründen ausscheiden. Nun hat mich der GF angesprochen, ob meinerseits Interesse an diesen frei werdenden Anteilen besteht. Außer mir würden noch andere Kollegen infrage kommen, sich eventuell zu beteiligen. Diese sind aber nicht interessiert. Der GF hat meiner Meinung nach keinen Plan für die weitere Vorgehensweise. Frühere Fragen, wie er sich die Nachfolge vorstellt, wurden immer mit „Ich arbeite bis 70“ beantwortet. Er ist ein Mensch, der gern Entscheidungen im Alleingang fällt. Auch der heutige Minderheitsgesellschafter wird nicht wirklich in Entscheidungsprozesse einbezogen. Ihre Antwort auf Frage 2663 (10.01.2014: Inhaber-Nachfolge mit „Haken und Ösen“) beschreibt den GF gut. Was soll ich tun?
Antwort:
Antwort/1: Das ist durchaus eine wichtige Basisinformation. Entsprechend vorgeprägte Kinder nehmen Begriffe wie „Kunde“, „Auftrag“, „Umsatz“, „Gewinn“ und „Mitarbeiter“ mit der Muttermilch auf. Ihnen wird nicht zwangsläufig Talent vererbt, aber ein wertvoller Erfahrungsschatz für spätere Tätigkeiten im Management kleiner und mittlerer Unternehmen vermittelt. Ein bisschen ist das wie Salz in der Suppe: Ist der Nachwuchs erst einmal fest in die Rolle des „Kronprinzen“ hineingewachsen oder hat er gar schon geerbt, ist die Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt (für entsprechenden Bedarf kann es später höchst unterschiedliche Gründe geben) sehr deutlich eingeschränkt. Antwort/2: Minderheitsbeteiligungen am arbeitgebenden Unternehmen sind, pauschal betrachtet, nur unter einem besonderen Aspekt reizvoll: Man steigt in einer frühen Phase der Unternehmensentwicklung ein (wenn die Anteile noch preiswert sind), die Firma wächst explosionsartig, ist eines Tages von höchstem Wert – und der Minderheitsanteil wird nach Millionen gemessen. In einem Fall wie dem Ihren gilt (bei einer eingefahrenen Gesellschaft): Der Kaufpreis der GmbH-Anteile wird in der Regel durch einen Wirtschaftsprüfer festgelegt, er richtet sich nach dem Ertrag der Gesellschaft in den letzten Jahren. Was der Minderheitsgesellschafter darf, ob er „normal“ gekündigt werden kann (in seiner Angestelltenfunktion) und ob er dann die Anteile zurückverkaufen muss, regelt der Gesellschaftervertrag. Mit Minderheitsgesellschaftern, die auch nach dem Ausscheiden (z. B. nach arbeitgeberseitiger Kündigung) Gesellschafter bleiben, haben Mehrheitsgesellschafter schlechte Erfahrungen gemacht. Also werden heute überwiegend Verträge geschlossen, nach denen beim Ausscheiden des Minderheitsgesellschafters dessen Anteile gegen Entgelt zurückgegeben werden müssen. Mit seinen 80% beherrscht der GF das Unternehmen vollständig, dominiert er den Rest total. Es dürfte für Sie außer der „moralischen“ Wirkung einer Beteiligung nach innen und ggf. in sehr begrenzter Art und Weise nach außen weder einen „automatischen“ Schutz vor Kündigung geben noch ein besonderes Recht auf Mitsprache bei übergeordneten Entscheidungen. Bevor Sie eventuell kaufen, lassen Sie einen Steuerfachmann den Kaufpreis überprüfen und zeigen Sie einem spezialisierten Rechtsanwalt den Gesellschaftervertrag. Natürlich wären Sie dann mit 20% am Gewinn beteiligt, aber der durchschnittliche Gewinn der letzten Jahre beeinflusst bereits den Kaufpreis. Eine angemessene Verzinsung des Preises ist zwar wahrscheinlich, aber ob und wieviel Gewinn in diesem Jahr gemacht wird, beeinflusst entscheidend der Mehrheitsgesellschafter (z. B. durch Erhöhung seines GF-Gehalts, Anstellung und Bezahlung von Familienmitgliedern, Tätigen von umfangreichen Investitionen). Ich gehe davon aus, dass in Ihrem Fall allein die Regelung der offenen Nachfolgefrage eine sinnvolle Basis für Ihre Übernahme der Minderheitsanteile sein könnte. Dies müsste dann schriftlich im notariell zu beglaubigenden Gesellschaftervertrag im Detail geregelt werden – was Ihr GF mit Sicherheit nicht will. Also meine ich: Bedanken Sie sich höflich für das Vertrauen, das aus seinem Angebot spricht und lehnen Sie mit dem Ausdruck des Bedauerns ab. Ggf. machen Sie deutlich, dass Sie im Rahmen einer umfassenden Nachfolgeregelung sehr wohl an einem unternehmerischen Einstieg interessiert seien. Sie hätten aber das Gefühl, er möchte sich jetzt im Hinblick auf einen so weit in der Zukunft gelegenen Zeitpunkt noch nicht festlegen – und Sie wollten natürlich keinesfalls etwa drängen (so er will, kann er dann ganz spontan auch dazu etwas sagen). Wenn, wie ich annehme, das alles ohne Ergebnis endet, müssten Sie anfangen, an sich zu denken: Die Nachfolgefrage ist derzeit unklar, wenn der GF wirklich bis zum 70. Geburtstag arbeitet, sind Sie Mitte 50. Wenn die Nachfolge nicht rechtzeitig verbindlich festgelegt ist, neigen Inhaber (oder deren plötzlich dazu gewordene Erben) durchaus auch zu Spontanverkäufen an fremde Meistbietende. Sie müssten also sofort anfangen, nach externen Lösungen für sich zu suchen. Sie schreiben dazu an anderer Stelle: „Es wird schwer werden, gleiche Freiheiten, gleiches Aufgabengebiet und eine ähnlich überdurchschnittliche Bezahlung zu finden. Und wenn, sollte es ja auch ein Aufstieg sein.“ Das sehe ich so nicht! Sie haben heute einen Job mit den Freiheiten a, dem reizvollen Aufgabengebiet b und der guten Bezahlung c und wollen den Aufstieg, der diese Komponenten vermutlich noch eine Stufe anhebt. Was Sie vergessen ist: Sie sitzen heute auf einer tickenden Zeitbombe (Alter des Inhabers, ungelöste Nachfolge). Jede Bewerbung soll einen Fortschritt im beruflichen Bereich bringen. Der muss vor allem darin liegen, dass der neue Job keine solche Zeitbombe mehr einschließt. Dann wäre es mit den heutigen vergleichbaren Details von a bis c auch ohne Aufstieg schon ein gewaltiger Fortschritt, selbst reduzierte Details könnten insgesamt immer noch eine positive Bilanz ergeben.
Kurzantwort:
Wer auf die 50 zugeht und in einem kleinen, inhabergeführten Unternehmen arbeitet, in dem die Nachfolgefrage nicht beantwortet wird, sitzt auf einer tickenden Zeitbombe. Frage-Nr.: 2851 Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 47 Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2016-11-24
Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten. Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.
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