Richtiges Wording im Unternehmen: Mein Chef, meine Kollegen, meine Mitarbeiter
Antwort:
Das Verwenden dieser Begriffe für die Menschen um uns herum unterliegt einem steten – zum Glück allmählichen – Wandel. Und nicht immer wandelt sich etwas zum Besseren (nur Berufs-Sanierer und notorische Fortschritts-Gläubige scheinen vom Gegenteil überzeugt zu sein). Derzeit liest man, in Zeugnissen beispielsweise oder in Bewerbungen, die unwahrscheinlichsten Begriffe für geradezu simple Tatbestände. Das reicht im Ergebnis von „schwer verständlich“ bis „schlicht falsch“.
Fangen wir oben an:
- „Vorgesetzter“ ist gängig, einprägsam, nie falsch und spiegelt wider, worum es geht.
- „Chef“ ist ebenso gängig, hat aber einen umgangssprachlichen Touch, gilt für Vorgesetzte erst etwa ab Abteilungsleiter aufwärts und taugt besser fürs Gespräch als für Bewerbungsanschreiben und gar nicht für Zeugnisse.
- „Ich berichte an …“ umschreibt dieses höhere Wesen, verzichtet auf seine klare Einstufung, unterstreicht grundsätzlich aber ebenfalls die Tatsache, dass „der da oben“ mehr in der Hierarchie darstellt als Sie. Häufig wirkt diese Darstellung leicht affektiert. In komplexen, oft auch noch internationalen Matrixstrukturen ist diese Bezeichnung jedoch oft der einzige Weg, schwierige mehrdimensionale Abhängigkeitsverhältnisse zu verdeutlichen.
- „Führungskraft“, in diesem Zusammenhang ausschließlich mit dem Zusatz „meine“, wird als moderne Variante in vielen Unternehmen ganz offiziell für den eigenen Chef verwendet.
- „Manager“ findet sich in dem Zusammenhang gar nicht. Es ist eine allgemeine Bezeichnung für den Inhaber einer verantwortungsvollen Position, der nicht zwingend Personal führt. „Mein Manager“ taugt vielleicht als individuelle Liebeserklärung, sonst jedoch nicht.
Zur zweiten Kategorie:
- „Kollegen“ nennt die Gewerkschaft alle ihre Mitglieder und gelegentlich tituliert der Betriebsrat so die Gemeinschaft aller wahlberechtigten Mitarbeiter „seines“ Unternehmens. Im Sinne einer präzisen Darstellung gilt Kollege nur für die Inhaber von Positionen in vergleichbaren hierarchischen Ebenen. Für den Sachbearbeiter sind alle anderen ausführenden Personen Kollegen, für den Abteilungsleiter die anderen mittleren Führungskräfte. Ein Bereichsleiter, der den Vorstand oder die Geschäftsführung als Kollegen bezeichnet, greift entschieden zu hoch.“Kollege“ im Zusammenhang mit unterstellten Positionsinhabern ist schlicht falsch („… führte er seine Kollegen zielstrebig …“).
Über die Inhaber der Positionen in den nachgeordneten Ebenen:
- „Mitarbeiter“ sind zunächst einmal pauschal alle „Beschäftigen“ des Unternehmens. In Verbindung mit „seine“ resp. „meine“ werden daraus diejenigen Beschäftigten, denen man vorgesetzt ist bzw. die dem Erzähler unterstellt sind.
- „Untergebene“ gibt es nicht (mehr). Also schon noch, aber der Begriff ist antiquiert.
- „Ist/sind mir gegenüber berichtspflichtig“ gilt als nicht unkorrekt, wirkt aber leicht geschraubt.Also bis dahin: Mit den Wörtern „Vorgesetzter“, „Kollegen“ und „Mitarbeiter“ für die Personen über, neben und unter Ihnen machen Sie grundsätzlich nichts falsch. Man kann aber aus dem Thema durchaus noch etwas mehr herausholen:
„Meine Führungskraft“ ist im Sprachgebrauch immer nur der Chef über mir. „Meine Führungskräfte“ als Bezeichnung für meine Vorgesetzten der verschiedenen Ebenen (Chef, Chef-Chef usw.) ist unüblich. Es könnten so die zwei mir unterstellten Abteilungsleiter bezeichnet werden, aber tun Sie das wegen fehlender Klarheit lieber nicht – die wären dann besser „mir unterstellte“ oder „die mir nachgeordneten“ Führungskräfte.
Für die Chefs in gerader Linie über Ihnen ist „meine Vorgesetzten“ unmissverständlich, „meine Vorgesetzten und die anderen Führungskräfte dieser Ebenen“ bezeichnet die gesamte Managementebene über Ihnen.
Ach ja: eigentlich dürfen Sie jemandem, an den Sie „berichten“, durchaus an den Kopf werfen: „Sie können zwar meine Berichte erwarten, aber von Ihrem Recht auf Anweisungen an mich ist nirgends die Rede.“ Tun Sie es lieber nicht. Nur die Begriffe ändern sich, die wirklichen Strukturen haben ein zähes Beharrungsvermögen.
Und: Gelegentlich bin ich froh, dass ich das System nicht geschaffen habe, sondern es „nur“ interpretieren muss. Oder besser: Ich berichte Ihnen darüber. Aber Weisungsrecht mir gegenüber haben Sie deshalb noch nicht. Obwohl ich durchaus weisungsgebunden bin: Schließlich bin ich verheiratet. Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Kurzantwort:
Das Verwenden dieser Begriffe für die Menschen um uns herum unterliegt einem steten – zum Glück allmählichen – Wandel. Und nicht immer wandelt sich etwas zum Besseren (nur Berufs-Sanierer und notorische Fortschritts-Gläubige scheinen vom Gegenteil überzeugt zu sein). Derzeit liest man, in Zeugnissen beispielsweise oder in Bewerbungen, die unwahrscheinlichsten Begriffe für geradezu simple Tatbestände. Das reicht im Ergebnis von „schwer verständlich“ bis „schlicht falsch“.
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Frage-Nr.: 323
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 15
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2008-04-09
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