Arbeitslos: Startprobleme in der Krise
In der Corona-Pandemie können auch sehr gute Absolventen bei der Jobsuche ins Trudeln geraden. Heiko Mell gibt Rat.
3.103. Frage/1:
Ich habe ein Abitur mit 1,6 und einer Auszeichnung im Fach Mathematik, einen TU-Bachelor mit 2,8 (eine Begründung sehe ich darin, dass dieser Intensivstudiengang ausschließlich kluge Köpfe angelockt und zugelassen hat), sowie einen TU-Master in Maschinenbau & Management mit 1,4.
Plötzlich Homeoffice: Wie Sie produktiv bleiben
Ich würde mich also tatsächlich zu den „Einser-Kandidaten“ zählen, auch wegen meiner Ambition, meiner Zielstrebigkeit und meiner Leistungsbereitschaft (was hier aber irgendwo natürlich nur unbelegbare, leere Floskeln sind).
„Suchen Sie den Fehler bei sich“
Antwort/1:
Bei dem für Ihren Anspruch und vermutlich für Ihr entsprechendes Potenzial sehr enttäuschenden Bachelor-Abschluss beziehen Sie sich auf den elitären Rahmen Ihrer TU und sehen darin eine Erklärung für das wenig nach Elite klingende Ergebnis. Nehmen Sie das lieber als eine – in jedem Fall – selbst verschuldete Niederlage hin, suchen Sie den Fehler nur bei sich. Und: Man reift an seinen Niederlagen. Durch das Abiturergebnis vorher und den Master danach ist das etwas ausgeglichen – aber finden Sie in Vorstellungsgesprächen eine Erklärung, die beginnt mit „Ich habe einen Fehler gemacht – und daraus gelernt.“ Das überleben Sie, es schmückt Sie sogar!
Frage/2:
Die Corona-Krise hat meinen Berufseinstieg deutlich erschwert. Meine Wunschstellen als Trainee haben sich teilweise in Luft aufgelöst, mündliche Zusagen wurden widerrufen und meine Wunschbranche (Konsumgüter) leidet unter den Pandemiefolgen. Insofern ist auch ein Direkteinstieg als Alternative derzeit kaum möglich.
Arbeitslos: Berufseinstieg leidet unter Pandemiefolgen
Ich könnte mir jedoch auch für eine akademische Weiterbildung (der Gedanke begleitet mich schon eine Weile) eine Promotion an einem Institut vorstellen. Nun weiß ich, dass Sie einer Promotion als Wirtschaftsingenieur in der Vergangenheit eher skeptisch gegenüberstanden.
Haben wir uns auf völlig falsche Zahlen gestützt? Intensivmediziner im Interview
Würden Sie diese Skepsis auch in der jetzigen Situation und mit weniger Alternativen immer noch so unterschreiben?
Antwort/2:
Es geht nicht um meine Skepsis, sondern ich weise nur darauf hin, dass man zwar den klassischen Dr.-Ing. in Stellenanzeigen als gesucht findet, den promovierten Dipl.-Wirtsch.-Ing. jedoch eher selten. Der Aufwand, um in diesem beruflichen Spektrum zu promovieren, könnte sich also hinterher nicht auszahlen. Oder er könnte wegen mangelnder Nachfrage sogar bremsend auf Ihre späteren Chancen wirken.
In einer Marktwirtschaft kann es zwar durchaus eine Chance bedeuten, den Kunden (Arbeitgebern) etwas anzubieten, was sie bisher nicht gesucht hatten – aber damit ist auch ein sehr großes Risiko verbunden.
Frage/3:
Würden Sie – aus der Not heraus – Absolventen zu einem „Branchenbruch“ raten, wenn in der Wunschbranche aktuell keine Positionen zu besetzen sind?
Antwort/3:
Alles, der Job in einer fremden Branche oder die am Markt nicht nachgefragte Promotion, ist besser als „nichts“, also andauernde Arbeitslosigkeit. Aber die Promotion könnte Ihr heutiges Problem nur in die Zukunft verlagern – es kann nach Promotionsabschluss neue Krisen geben. In der fremden Branche würden Sie allmählich heimisch werden, Sie wüchsen dort hinein. Nach drei bis fünf Jahren wäre dann jene Branche Ihre berufliche Basis, ein erneuter Wechsel in frühere Lieblingsbereiche könnte schwierig werden. Das hängt auch von der Tätigkeit ab: Ein Entwicklungsingenieur wird näher bei einer Branche bzw. einem Produkt „verortet“ als ein Einkäufer oder ein Logistiker, die leichter die Branche wechseln können.
Frage/4:
Ich bin u. a. bei einem Logistikdienstleister in der Automobilbranche im Gespräch. Wie schätzen Sie die Chancen ein, um (eines Tages) aus einer führenden Position einen Unternehmenswechsel oder sogar einen Branchenwechsel aus der Fertigungsindustrie hinaus vollziehen zu können?
Arbeitslos: „Es muss jetzt etwas geschehen“
Antwort/4:
Sie werden dort vorrangig Logistik-Fachmann und damit hochinteressant für Logistikaufgaben auch in anderen Branchen. Oft gelingt es dann, mit dem „Schlüssel Logistik“ in eine Wunschbranche zu wechseln. Es ist ein Weg, wenn auch einer, der den Nachteil aller Umwege hat.
Was mir am meisten Sorgen macht: Ihr Lebenslauf zeigt – bei erkennbar überdurchschnittlichen geistigen Fähigkeiten – erst das enttäuschende Bachelor-Ergebnis und weist jetzt sowohl unter „Praxis“ als auch unter „Bildungsweg“ nur Eintragungen aus, die älter als ein Jahr sind; seitdem ist „nichts“, sind Sie arbeitslos. Es muss jetzt etwas geschehen!
Ein Beitrag von: