Heiko Mell 03.09.2018, 11:09 Uhr

Befördert – aber keine Gehaltserhöhung

Frage 1

Vorab möchte ich Ihnen herzlichst für Ihre stets informative und klar formulierte Kolumne danken. Ich kann mir vorstellen, dass Sie das in jeder zweiten Zuschrift so attestiert bekommen, aber es ist nun einmal einfach so. Ich bin erst am Ende meines Maschinenbau-Studiums über die VDI nachrichten auf Sie aufmerksam geworden und bin froh, die eine oder andere berufliche Situation mithilfe Ihrer Ratschläge besser einschätzen und somit auch meistern zu können. Daher nochmals vielen Dank für Ihr öffentliches Engagement! 

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Antwort 1 

Das erspart mir einen sonst fälligen eigenen Beitrag zum Thema „Was haben eigentlich Leser von Ihren Ausführungen, helfen die jemandem wirklich?“. Es gehen immer wieder Anfragen dazu ein, die z.B. hier ihre Antwort finden.

Ich bringe sicher nicht mehr Angestellte auf Managementpositionen als dies ohne meine Arbeit der Fall wäre. Weil ich ja die Zahl der entsprechenden Stellen nicht vermehre und die bisherigen Jobs dieser Art auch ohne mich stets besetzt wurden. Aber ich glaube, dass ich einen Beitrag dazu leisten kann, bei vielen Angestellten das Verständnis für die Vorgänge rund um den eigenen Arbeitsplatz deutlich zu verbessern. Damit kann ich manche Fehler und anschließende Katastrophen verhindern – und auch solchen Mitarbeitern helfen, sich Chancen zu erschließen, die sie sonst nicht gehabt hätten.

Ich stelle es mir schrecklich vor, in einem hochkomplexen Umfeld, das für mich von existenzieller Bedeutung ist, arbeiten zu müssen – und nicht recht zu verstehen, was da vorgeht und warum Chefs und Kollegen „so“ handeln. Dagegen kann ich etwas tun.

Lesen Sie, liebe Leser, die folgenden eigentlichen Fragen unseres Einsenders und die entsprechenden Antworten. Sie unterstreichen das oben Gesagte eindrucksvoll (wie ich finde).

Frage 2

Ich arbeite seit ca. drei Jahren als Projektingenieur ohne Personalverantwortung in einem mittelständischen Unternehmen. Meine Vorgesetzten sind, soweit ich das beurteilen kann, mit meiner Arbeit sehr zufrieden. Nun gab es in unserer Abteilung personalbedingt Umstrukturierungen (Abteilungswechsel, Mutterschutz u. a.), in deren Folge mir kurzfristig eine Beförderung angeboten wurde. 

Diese Chance zur Karriereentwicklung habe ich ohne zu zögern ergriffen. Das habe ich auch getan, um der Abteilungsleitung in der akuten Situation einen Gefallen (wenn man das überhaupt so sehen kann) zu tun. 

Antwort 2

Arbeiten wir das erst einmal auf:

Sie sind nicht, wie Sie es vielleicht besser gefunden hätten, innerhalb eines ruhig verlaufenden Anstellungsverhältnisses ausschließlich wegen Ihrer fachlichen Leistungen und Ihrer persönlichen Fähigkeiten zum passenden Zeitpunkt befördert worden. Sondern die Abteilungsleitung sah sich plötzlich aufgrund diverser Ausfälle vor „Löchern“ in der Struktur, die dringend gestopft werden mussten. Also schaute man sich nach möglichen „Stopfen“ um, mit denen man diese Löcher verschließen konnte. Dabei gerieten Sie ins Blickfeld.

Das heißt konkret: Hätte es die plötzlichen „Löcher“ nicht gegeben, hätte auch derzeit niemand einen „Stopfen“ gebraucht – und hätte Ihnen niemand zu diesem Zeitpunkt eine Beförderung angeboten.

Muss Sie das irgendwie beunruhigen oder sonst bedenklich stimmen? Nein, absolut nicht! Der Angestellte ist ein recht einflussarmes Rädchen im Getriebe des Unternehmens. Mal ist er schuldlos Opfer (man verkauft seinen Geschäftsbereich an den Wettbewerb oder legt ihn still), dann wieder unverdient Nutznießer plötzlicher Entwicklungen, die er nicht beeinflussen kann. Da gilt ganz eindeutig die Devise:

Im Falle des „Opfers“ ist aktiv alles zu tun, um Auswirkungen auf die eigene Laufbahn zu minimieren; im Falle des „Nutznießers“ gilt es, entschlossen zuzugreifen, sofern die Chance den eigenen Wünschen und Vorstellungen entspricht. Skrupel sind nicht angebracht: Mitunter fragen mich Kandidaten, ob es z. B. moralisch überhaupt vertretbar sei, eine Beförderung zu akzeptieren, die ausschließlich durch den plötzlichen Tod des verehrten Chefs zustande kommen würde. Die Antwort lautet: Es ist absolut vertretbar, Bedenken sind nicht ratsam, das System sieht das so vor. Selbst Papst wird man in der Regel nur, weil der Vorgänger plötzlich verstarb. Und dort geht es noch nicht einmal um Gewinnmaximierung, sondern – hoffentlich – allein um „höhere Werte“.

Zum Argument „Ich wollte der Abteilungsleitung einen Gefallen tun“: Das tut man mit der Annahme einer Beförderung fast immer! Man wird in der Regel vor allem befördert, um eines jener Löcher zu stopfen, die den Arbeitgeber plötzlich oder mittelfristig „drücken“. Umgekehrt heißt das aber auch: „Kein Loch – keine Beförderung.“ Niemand ernennt jemanden zum Abteilungsleiter, wenn derzeit gar keine offene Abteilungsleiter-Position zu besetzen ist.

Eine andere Frage ist es, was man anrichtet, wenn man das Beförderungsangebot ablehnt. Es gibt viele Unternehmen, die bieten Ihnen nie wieder etwas an (weil Sie sich geweigert haben, den Firmeninteressen zu dienen), andere geben Ihnen vielleicht später einmal eine zweite Chance – eine dritte gibt es so gut wie nie.

Also: Sie haben zugegriffen und die plötzlich hereinschneiende Chance, die sonst nicht so schnell gekommen wäre, genutzt. Dabei konnten Sie sich auf zwei zusätzliche Kriterien stützen:

a) Unabhängig von Ihrer eigenen Einschätzung, ob Sie schon können, was da verlangt wird, haben Sie die Beurteilung des erfahrenen Abteilungsleiters als wichtige Orientierung. Dieser Chef hält es mindestens für wahrscheinlich, dass Sie dem gewachsen sind. Dessen Urteil müssten Sie sich ja auch beugen, wenn er ein Beförderungsbegehren von Ihnen abgelehnt hätte. Wenn der Chef dann „recht hätte“, müsste er auch in diesem Fall wissen, was er tut. Also können Sie ihm durchaus erst einmal vertrauen.

b) Chefs hassen es, eigene Entscheidungen später offiziell als falsch einstufen zu müssen (oder vom eigenen Vorgesetzten als Fehler vorgehalten zu bekommen). Also wird Ihr Abteilungsleiter einiges tun, um Sie zu unterstützen, damit sich seine (!) Idee (um die geht es vor allem) als richtig erweist. Er wird Ihnen helfen und Ihre Anfangsfehler weitgehend tolerieren.

Frage 3

Nun arbeite ich schon seit einem Monat praktisch kommissarisch in der neuen Position, ohne dass auf die versprochene gehaltliche Anpassung eingegangen wurde.

Antwort 3

Leider wird in Ihrer Schilderung nicht deutlich, was mit dem wichtigen Begriff „kommissarisch“ in Ihrem speziellen Fall gemeint ist. Oben, unter „Frage/2“ verwenden Sie ihn nicht; jetzt, wo Ihr finanzielles Anliegen ins Spiel kommt, steht er plötzlich. Offen bleibt für mich: Sind Sie generell nur „kommissarisch“ (also etwa „vorübergehend“) ernannt worden, bis eine – meist anderweitige – personelle Lösung gefunden wurde oder sind Sie „voll im Amt“, richtig und endgültig ernannt, empfinden dies aber als nur vorläufig umgesetzt, weil ja das Gehalt noch nicht angehoben wurde und nennen die Ernennung daher so?

Bei einer von Anfang an offiziell „kommissarisch“ genannten Ernennung hält sich der Arbeitgeber im Hinblick auf die endgültige Positionsbesetzung völlig offen. Der vorübergehend Berufene löst die entsprechenden Aufgaben bis zum Zeitpunkt einer abschließenden Lösung. Der Arbeitgeber kann (und wird wahrscheinlich) einen anderen Mitarbeiter (intern oder von draußen) auf diese Führungsposition setzen. Der kommissarische Positionsinhaber hat eher eine geringere Chance, endgültig ernannt zu werden. Dafür ist die „Blamage“, wenn man den neuen Job wieder verliert, relativ klein, es war ja nur von „vorübergehend“ die Rede.

Wurde davon bei Ihrer Ernennung nicht gesprochen und Sie allein haben den Begriff wegen der leidigen Gehaltsfrage ins Spiel gebracht, dann hören Sie auf damit und sprechen Sie nie wieder von „kommissarischer“ Positionsübernahme.

Frage 4

Ich habe zunehmend das Gefühl, dass das Thema „Gehaltsanpassung“ auf die lange Bank geschoben wurde, was durchaus auch bis zu einem gewissen Grad zu verstehen ist, da es für meine Vorgesetzten im Moment brennendere Themen gibt. Allerdings macht sich bei mir langsam die Angst breit, dass ich in dieser Situation ausgenutzt werde – und das trotz großen Engagements und „guter Figur“ in der neuen Position (das ist keine Selbsteinschätzung!). 

  1. Wie lange soll ich praktisch in Vorleistung treten und darauf verzichten, das Thema Gehalt offensiv zur Sprache zu bringen? 
  2. Welche Konsequenzen ziehe ich, wenn mir die Gehaltserhöhung nicht zugestanden wird bzw. wenn ich wieder einen Schritt zurück auf meine vorherige Position machen muss? 
  3. Würden Sie es als frech bewerten, wenn ich meine Gehaltsvorstellung mit zunehmender Dauer der Übergangszeit erhöhe und das mit eben dieser Begründung auch offensiv verhandle? 

Antwort 4

Sie haben ein winziges, absolut unbedeutendes, für Ihre weitere Karriere praktisch nicht relevantes Problem – nämlich dass Sie „schon seit einem Monat“ in der neuen Position arbeiten, aber noch keine Gehaltserhöhung bekommen haben.

Und Sie haben ein für Ihre weitere berufliche Entwicklung entscheidendes riesiges Problem, das Sie mit positivem Ergebnis lösen müssen: Es ist von extremer Bedeutung für Ihren ganzen weiteren Weg in diesem Hause und darüber hinaus, dass Sie sich in der „zufällig hereingeschneiten“ Beförderungsposition überzeugend bewähren. „Zufällig“ heißt ja: Sie waren für einen solchen Schritt offenbar noch „längst nicht dran“, nur die eigene Notsituation hat den Arbeitgeber dazu gebracht, Ihnen hier eine solche Chance zu geben. Also ist auch Ihr Chef noch misstrauisch, schaut Ihnen auf die Finger – und überlegt, ob er damit wohl gut beraten war.

Wer ehrgeizig ist und vom Aufstieg träumt, nimmt ein solches Angebot an. Keine Frage: Er greift mit beiden Händen zu und zeigt, dass er die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt. Er steht seine Bewährungsphase mit höchstem persönlichen Einsatz (bis hin zu eventuellen unbezahlten Überstunden) erfolgreich durch, komme, was da wolle.

Und das dauert! Nach drei Monaten Ihrer Bewährung schläft der Abteilungsleiter wieder besser, sechs Monate später atmet er tief durch und bewundert seinen Weitblick, mit dem er Ihr Talent erkannt hat. Aber Ihr bisheriger einer Monat ist nichts!

Ob Sie nun nur kommissarischer Positionsinhaber sind oder nicht – natürlich müssen Sie um den Verbleib in diesem Job kämpfen und dabei siegreich bleiben. Sollte jedoch später einmal in Ihrem Zeugnis etwas in der nachfolgenden Art stehen, hätte das den Charme von „Wir wogen ihn und befanden ihn als viel zu leicht“:

„Herr X war zunächst als Sachbearbeiter tätig. Von … bis zum … übertrugen wir ihm die Leitung der Gruppe/des Teams …, anschließend übernahm er wieder seine vorige Position.“

Jetzt hätten Sie mich z.B. fragen können, worauf zu achten wäre, wie Sie vorgehen sollen, welche Rolle Ihre neuen Mitarbeiter und ehemaligen Kollegen dabei spielen, wie Sie Ihren Chef von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugen können. Aber Sie konzentrieren sich auf das Geld!

Natürlich haben Sie grundsätzlich einen Anspruch auf das der ausgeübten Position angemessene Einkommen. Aber:

a) Wenn ich richtig informiert bin, haben namhafte Großunternehmen in ihren Richtlinien sogar verbindlich festgelegt, wie lange ein frisch beförderter Mitarbeiter noch zum alten Gehalt weiterarbeiten muss – das gibt es also durchaus als Regel.

b) Ihr Chef hat Ihr Gehalt nun einmal nicht zum Übernahmetag der neuen Position angehoben. Wenn Sie jetzt Ihr „Thema Geld“ ins Gespräch bringen, zwingen Sie ihn, das ganze Beförderungsprojekt auf den Prüfstand zu stellen. Gerade in den Anfangswochen macht man Fehler – die er mit bewerten müsste.

Meine Empfehlung: Arbeiten Sie hart daran, in den Augen Ihres Chefs fest im Sattel zu sitzen, endgültig (ohne „kommissarisch“) ernannt zu sein und von ihm (nicht etwa von Ihren Mitarbeitern) in dieser Funktion gut bis sehr gut beurteilt worden zu sein. Und dann gehen Sie hin, bedanken sich für die Chance und bringen vorsichtig das „offenbar in Vergessenheit geratene“ Gehaltsthema ins Gespräch.

Vielleicht, ich halte das immerhin für möglich, hat Ihr Chef diese Frage bewusst in der Schwebe gehalten und wartet erst einmal Ihre Bewährung ab. Dann braucht er Sie später ggf. nicht wieder gehaltlich zurückzustufen.

Also:

Zu 1: Legen Sie das für die nächsten Monate auf Eis und konzentrieren Sie sich auf Ihre überzeugende Bewährung.

Zu 2: Intern haben Sie dann kaum noch eine Chance auf erneute Beförderung, Sie müssten gehen (und Ihr Chef würde damit rechnen).

Zu 3: Vergessen Sie das.

Frage-Nr.: 2.964
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 35
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2018-08-31

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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