Heiko Mell 07.12.2017, 17:37 Uhr

Wie sollte der Berufseinstieg nach der Promotion aussehen?

Frage/1: Hätte ich Ihre Serie bereits während des Studiums gekannt, wäre mein Weg wahrscheinlich geradliniger verlaufen – ohne Kenntnis der Spielregeln des Berufslebens bin ich lediglich durch Glück in eine gute Position für den Berufsstart gekommen.

Antwort/1:

Was mich zu der Frage berechtigt: Wie ist es eigentlich in Zeiten des Internet mit allgemeiner Zugänglichkeit nahezu aller Informationen und insbesondere bei der hohen Präsenz der sozialen Medien im täglichen Leben junger Menschen noch möglich, dass jemand von irgendetwas, das real existiert, noch nie gehört hat? Wenn zwei Studenten diese Serie lesen und einer davon sie etwa morgens akzeptabel findet, dann müsste er bis zum Mittag etwa tausend andere darüber informiert haben, zumindest indirekt. Und bis zum Abend … Aber das geschieht irgendwie nicht.

Ich möchte nicht missverstanden werden: Ich verstehe jeden Studenten, der diese Serie nicht mag, nicht versteht oder der den Sinn von Lösungsansätzen für solche Probleme nicht einsieht, die er – noch – nicht kennt.

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Aber wie man durch ein Studium der Ingenieurwissenschaften kommt, ohne von dieser Karriereberatung zumindest gehört zu haben, erschließt sich mir nicht. Eine bessere Begründung für mein Engagement als den ersten Satz dieser Einsendung hätte ich niemals finden können.

Frage/2:

Aktuell bin ich an einem Institut einer großen TU angestellt und in der Abschlussphase meines Promotionsvorhabens. Somit beschäftige ich mich mit der Frage, wie es nach der Zeit am Lehrstuhl weitergeht. Ich habe hier ein praxisnahes Forschungsprojekt mit namhaften Industriepartnern bearbeitet und tiefes Verständnis und umfangreiche Praxiserfahrungen in der Branche erhalten. Davor hatte ich bereits 1,5 Jahre Industrieerfahrung bei einem namhaften internationalen Konzern und ein Jahr Forschungserfahrung an einer anderen Universität gesammelt.

  1. Welche Einstiegspositionen bei einem Konzern sind auf dieser Basis realistisch? Ein Einstieg, bei dem eine geringe Berufserfahrung gewünscht ist, dürfte realistisch sein. Eine Position mit Personalverantwortung bei einem Konzern ist wohl außer Reichweite, selbst wenn der Berufseinstieg im fachlich absolut passenden Gebiet sein sollte.
  2. Mit welcher Entwicklung ist nach einer Einstellung im Konzern zu rechnen? Also wie viele Jahre On-the-job-Erfahrung sind üblich, bis Personalverantwortung realistisch ist?

Antwort/2:

Sie sind Einser-Kandidat (ich gehe von einem adäquaten Promotionsergebnis aus), beim Berufseintritt werden Sie 32 Jahre alt sein und Sie haben Auslandsbezug durch Studienaufenthalt und Praktika. Da Einser-Leute oft irgendetwas „Besonderes“ machen müssen, haben Sie jene 1,5 Jahre Berufspraxis zwischen Studium und Promotion und jene einjährige Forschungserfahrung vor (!) dieser praktischen Tätigkeit an einer anderen Uni aufzuweisen.

Das ist alles gar nicht so besonders kritisch, aber bei sorgfältiger Planung hätten Sie jetzt 2,5 Jahre jünger sein können oder anders gesagt, hätten Sie heute schon 2,5 Jahre „echter“ Berufspraxis nach der Promotion bei einem Industriekonzern. Da wären Sie im Hinblick auf Ihre Karriereambitionen etwas weiter. Und Ihre einjährige Forschungstätigkeit an jener anderen Uni wird so mancher Betrachter als geplatztes Promotionsprojekt einstufen, denn:

Sie sind ein Mann, der sein Studium „sehr gut mit Auszeichnung“ abgeschlossen hat. Da liegt die anschließende, das alles „krönende“ Promotion einfach auf der Hand. Also war jener Aufenthalt an der fremden Uni vermutlich ein geplatztes Promotionsprojekt, danach sind Sie irritiert in die Praxis geflüchtet und haben sich dann aber wieder auf Ihre ursprüngliche Planung besonnen.

Ein junger Mensch, an dessen Intelligenz und fachlicher Qualifikation kein Zweifel besteht (sehr gut mit Auszeichnung) hat vor (!) Abschluss seiner hochwertigsten, abschließenden Ausbildungsphase durchaus das Recht auf Irrtum oder Fehler. Es ist die Zeit des Suchens, nicht jeder findet sofort.

Wie das bei Ihnen nun im Detail ausgeht, ist nicht vorhersehbar, Sie stehen schließlich im Bewerbungs-Wettbewerb mit anderen. Aber ich glaube, die Planungsschwäche in eigener Sache wird man Ihnen nachsehen, das Überzeugende in Ihrer Gesamtqualifikation überwiegt. Seien Sie guten Mutes, verteidigen Sie sich erst, wenn Sie im Vorstellungsprozess „angegriffen“ (kritisiert) werden. Für Standard-Bewerber mit Norm-Werdegängen haben die Einstellentscheider in den Konzernen Raster, bei individuellen Abweichungen der Bewerber-Qualifikation unterliegen Sie den individuellen Maßstäben der Entscheidungsträger (die oft auch von deren eigenem Lebenslauf abhängen).

Für Personalverantwortung in der Industrie ist es beim Einstieg zu früh. Es gilt: „Wer irgendwo führen will, muss vorher dort (!) ein paar Jahre nichtführend gearbeitet haben“ (erfolgreich natürlich). Ihre inzwischen drei bis vier Jahre zurückliegenden 1,5 Industriejahre würden nicht einmal ausreichen, wenn Sie sie gerade eben beim künftigen Arbeitgeber absolviert hätten.

Und: Sie werden in der Industrie nicht „automatisch“ befördert. Promotion und mehrjährige Praxis reichen nicht als Basis, Sie müssen auch noch bei Ihrer Tätigkeit sehr gut beurteilt werden und Ihre Persönlichkeit muss in den Augen Ihrer Chefs Potenzial für Managementfunktionen erkennen lassen. Die Beförderung hängt an der Person, nicht an der Promotion. Nach Eintritt in den Konzern ist die Übertragung von Personalverantwortung nach drei bis fünf Jahren möglich. Es gehen aber auch promovierte Akademiker als Sachbearbeiter in Pension.

Frage-Nr.: 2920
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 49
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2017-12-08

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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