Die zehn Grundregeln für den Erfolg im Beruf
Heiko Mell hat zehn Regeln für eine erfolgreiche Karriere aufgeschrieben. Nun nehmen seine Leser und Leserinnen eine Stellungnahme dazu. Was ist für eine erfolgreiche Karriere wichtig?
3.209. Frage
(In „Notizen aus der Praxis“ Nr. 543 hatte ich die aus meiner Sicht für eine erfolgreiche Laufbahn entscheidenden „Spielregeln“ dargestellt. Dabei hatte ich bewusst gefragt, ob die Leser darin mehr Provokation oder Überlebenshilfe sehen, je nach Berufspraxis und dem Grad der Vertrautheit mit meinen ständigen Aussagen in dieser Serie. Damit Sie die Leserreaktionen einfacher zuordnen können, ohne in einer älteren Ausgabe blättern zu müssen, hier noch einmal eine stichwortartige Kurzfassung jener zehn Regeln:
Spielregeln für eine erfolgreiche Karriere
- Halten Sie Ihre Qualifikation „marktgängig“.
- Unternehmensziel ist nicht die Beschäftigung von Mitarbeitern.
- Unternehmen streben eine erfolgreiche Weiterentwicklung an, der dazu optimal passende Mitarbeiter strebt nach einer erfolgreichen Laufbahn.
- Der Angestellte ist abhängig beschäftigt. Damit sind der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit Grenzen gesetzt.
- Ein guter Mitarbeiter ist jemand, den sein Chef dafür hält.
- Dort wo die Mammuts sind, hat der erfolgreiche Jäger seine Höhle. Auch heute noch sind die ‚Mammuts‘, also die zu anspruchsvollen Laufbahnzielen von Akademikern passenden Jobs, keinesfalls zufällig immer dort, wo der ‚Jäger‘ seinen aktuellen Wohnsitz hat; hier ist oft Veränderungsbereitschaft gefragt.
- Die „Mell’sche Prioritätenliste“ (nur ein Begriff pro Rangstufe).
- Steuern Sie sich so als wären Sie eine eigene kleine Firma.
- Vorgesetzte erwarten von ihren Mitarbeitern Leistung und Respekt. Chef-Kritik ist wie die Spitze eines Eisbergs.
- Für die Karriere ist Persönlichkeit wichtiger als rein fachliches Können.
Die Einsender von Kommentaren gingen unterschiedlich an die Auseinandersetzung mit meinen Aussagen heran, sahen aber generell keinen Anlass, mir eine falsche Interpretation des Systems vorzuwerfen. Ich danke für alle Zuschriften; H. Mell):
Das fachliche Können ist auch bei einem Betriebsleiter am wichtigsten
Leser A:
Zu 1 und 2: Ich stimme Ihnen voll zu.
Zu 3: Hier fehlt als oberstes Ziel die Maximierung des Gewinns.
(Dieser Aspekt steckt in der Regel 2, in 3 ging es um das beiderseitige Streben nach Weiterentwicklung; H. Mell.)
Zu 5: Neben „gut“ und „eher schlecht“ gibt es weitere Bewertungen. Wie lautet die Beurteilung der Aufsteiger?
(Hier ging es nicht um Bewertungsdetails, sondern um die grundsätzliche Abhängigkeit von der Beurteilung durch den Chef; H. Mell.)
Zu 6: Aktuell sehe ich das Regionalprinzip als weniger wichtig an. Muss man wirklich im Ruhrpott wohnen?
(Es geht nicht um eine bevorzugte Region, sondern um die Bereitschaft, sich als Bewerber ggf. dorthin zu orientieren, wo man im konkreten Fall ein besonders interessantes, zur Laufbahn passendes Angebot sieht – sonst nutzt der Akademiker die in seiner Qualifikation liegenden Chancen nicht voll aus; H. Mell.)
Zu 7: Dieses Mell’sche Gesetz ist ganz entscheidend und gehört auf Platz 4.
Zu 8: Das Thema kann entfallen. Dagegen fehlt die Aufforderung zur ständigen Weiterbildung.
(Natürlich kann man das so sehen. Aber ich habe meist sehr großen Erfolg, wenn ich in der persönlichen Beratung gefragt werde, welche generelle Berufsphilosophie ich pauschal empfehlen könne. Ich rate dann, sich ebenso zu positionieren und zu verhalten wie der Arbeitgeber es mit seiner Firma auch tut. Das funktioniert! H. Mell.)
Zu 9: Der Vergleich mit dem Eisberg hinkt. Solche Vorgesetzten (Vorstände) habe ich nicht erlebt. Besser: Krokodil.
(Es geht vor allem um die vielen Mitarbeiter, die Chefs auf Rangstufen unterhalb des Vorstands haben. Sie müssten einmal erleben, wie diese Vorgesetzten einen Mitarbeiter gegenüber dem Berater im vertraulichen Gespräch beurteilen – und wie sie dann gegenüber dem Betroffenen ihre Kritik formulieren. Dazwischen liegt oft Welten; H. Mell.)
Zu 10: Das fachliche Können ist auch bei einem Betriebsleiter am wichtigsten. Befördert wird der Fachmann.
(Abgesehen davon, dass es ja nicht nur Betriebsleiter gibt: Die Bedeutung der reinen Fachqualifikation nimmt mit steigender Hierarchiestufe ab, die aus der Persönlichkeit kommende Managementqualifikation tritt hinzu. Ein Vorstand ist dann absolut überwiegend als Persönlichkeit gefordert, für das Fachliche hat er seine „Leute“; H. Mell.)
Chef und seine Mitarbeitende
Leser B:
Besonders hervorheben möchte ich Ihre Nr. 5. Ich habe immer die tollsten Antworten bekommen, wenn ich – angeregt durch Sie – die Frage gestellt habe, wer ein guter Mitarbeiter ist.
Dazu als Ergänzung: Wer immer wieder Probleme mit Autoritäten/Vorgesetzten hat (siehe Nr. 4), angefangen von der Kita, über die Schule, Lehre, den Verein, früher auch die Bundeswehr, das Studium bis zum Beruf, der sollte ernsthaft prüfen, ob er/sie nicht in der Selbstständigkeit besser aufgehoben ist – er/sie muss sich dann aber am Markt durchsetzen und behaupten!
Schon durch Sie angesprochen und mir wichtig: Jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin, der/die vom Chef eine umfassende, ehrliche Einschätzung und Bewertung der eigenen Leistung und Führung bekommt, sollte dafür grundsätzlich dankbar sein, sich dies in Ruhe, ohne Diskussion oder Widerrede anhören und daraus die erforderlichen Konsequenten ziehen.
(Das kann man nicht oft und deutlich genug sagen: Als Chef, der ja nicht nur kritisieren, sondern dem Mitarbeiter damit auch helfen will, verliert man bei den üblichen Gegenreden schnell die Lust, sich weiter zu engagieren: „So war das gar nicht; nicht ich trage die Schuld, sondern andere; das sehen Sie falsch; wer immer Ihnen das zugetragen hat, sagt die Unwahrheit; besser hätte ich gar nicht arbeiten können, weil …“ Der Chef lässt sich in der Regel durch Gegenargumente in seinem wohlüberlegten Urteil nicht erschüttern – und fügt seinen bisherigen Meinungsbildern höchstens noch einige hinzu: uneinsichtig, starrköpfig, nicht kritikfähig.
Ratsam für den Mitarbeiter ist nach ruhigem Anhören des Chef-Vortrages etwa folgende Stellungnahme: „Ich bin etwas überrascht, dass Sie zu dieser Bewertung kommen. Sie werden verstehen, dass ich aus meiner Sicht manches davon anders beurteile. Aber in jedem Fall bin ich dankbar für die offenen Worte, die für mich sehr wertvoll sind. Unabhängig von der Frage nach Ursachen und meiner persönlichen Schuld gilt: Ich habe Fehler gemacht, die Sie mir hier deutlich vor Augen geführt haben. Vor allem aber hätte ich es nie zulassen dürfen, dass Sie zu einem solchen Meinungsbild über mich kommen. Bitte gehen Sie davon aus, dass Ihre Kritik nicht vergebens war, ich werde an mir arbeiten“; H. Mell.)
Wenn jemand ernsthafte und dauernde Probleme mit seinem Chef hat, sollte er nicht versuchen, diesen durch offene Widerworte, Unterstützung durch Kollegen, Beschwerden beim Chef-Chef usw. entgegenzutreten, sondern er sollte nach engagierter, überzeugender und erfolgreicher Arbeit – siehe Nr. 5 – mit einem guten Zeugnis in oder extern wechseln; generell siehe Nr. 1.
(Das Problem ist dabei, dass während einer Dauer-Fehde mit dem Chef eine erfolgreiche Arbeit nur schwer möglich ist. Denn was erfolgreich war, bestimmt wiederum der Chef. Und mit dem Wechsel nimmt der Mitarbeiter sein ungelöstes Harmonieproblem an den neuen Arbeitsplatz mit. Daher empfehle ich generell, sich im Sinne meiner vorstehenden Anmerkung zunächst intensiv um Ausgleich in jenem Sinne zu bemühen und die ‚Flucht‘ nur als letztes Mittel in Erwägung zu ziehen – oder als abschließende Maßnahme nach erzieltem Ausgleich mit dem Chef. Denn: siehe Nr. 4; H. Mell.)
Präsent sein ist wichtig!
Leser C:
Nr. 1 ist ein guter und gemächlicher Einstieg und wird vermutlich den allermeisten recht zügig einleuchten.
Die Nr. 2 ist schon schwieriger zu verdauen. Wenn man sie kennt, erklärt sie allerdings sehr zuverlässig verschiedene Begebenheiten im Berufsalltag.
Nr. 3 ist ähnlich wie Nr. 1 wieder leichter zu akzeptieren und schwerlich zu bestreiten.
Nr. 4 ist ähnlich wie Nr. 2 wieder eine „dicke Kröte“, die es zu schlucken gilt.
Nr. 5 kann ich uneingeschränkt und vollumfänglich bestätigen (sieben Jahre Praxis). Ergänzen möchte ich, dass im Sinne des „Karrieremachens“ auch der Chef-Chef nicht zu vernachlässigen ist. (Ein sehr wichtiger Hinweis: Der Chef kann weder seine eigene Position noch andere Positionen in seiner Hierarchieebene vergeben. Dennoch braucht man seinen Chef und der muss dem Chef-Chef ein sehr positives Meinungsbild von diesem Mitarbeiter vermitteln. Dabei gilt: Gutes über andere will der Mensch bewiesen haben, Schlechtes hingegen glaubt er sofort. Und es kann Jahre dauern, beim Chef ein rundum gutes Bild zu erarbeiten, ein schlechtes ist in zehn Sekunden zu schaffen; H. Mell.)
Bei Nr. 6 behaupte ich, dass diese möglicherweise vollumfängliche Regel in heute oft üblichen Remote-Konstellationen (Leitung per Telefon, Mail, MS-Teams) etwas an Bedeutung verloren hat und weiter verlieren wird.
(Meine „Mammuts“ sind da, wo der Arbeitgeber Sie gern hätte. Denken Sie an den Betriebsleiter im Kommentar von Leser A zu Regel 10: Den möchte man sich nicht gern mit Laptop am Strand von Mallorca wünschen. Und den CEO auch nicht. Und in vielen mittelständischen Unternehmen wird Remote noch sehr zurückhaltend gesehen; H. Mell.)
Wichtig ist es aber sicher nach wie vor, „präsent“ zu sein; früher auf dem Flur, in der Kaffee oder Raucherecke, heute in Team-Meetings und in E-Mail-Verteilern.
Nr. 7 ist nichts für mich. Ich halte nichts von Listen, außer als Erinnerungsstütze. Ich gebe lediglich zu, dass man bei der Erstellung gezwungen ist, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen und in sich hineinzuhorchen und dass dies möglicherweise einen erkenntnisbringenden Effekt hat.
(Die „Liste“ ist ja nur ein symbolischer Begriff, notfalls erstellen Sie sie im Kopf. Schauen Sie sich auch bitte den Kommentar von Leser A zu Nr. 7 an. Der sieht das genau anders herum – und ich muss Sie beide begeistern …; H. Mell.)
Nr. 8 ist mein persönlicher Favorit. Das Beherzigen dieser Regel führt praktisch automatisch auch zum Beherzigen von Nr. 5.
Nr. 9 kann ich nur aus eigener Erfahrung bestätigen. Es wird deutlich leichter, dies nachzuvollziehen, wenn man selbst einmal „ein bisschen Chef“ sein durfte, z. B. als Projektleiter o. Ä.
Nr. 10 ist sicher richtig und die Nennung ist berechtigt. Allerdings sehe ich hier den geringsten Spielraum, um selbst tätig zu werden.
(Ich verfolge hier zwei Ziele: Ich will Verständnis vermitteln für das System, will erläutern, wie es funktioniert. Daraus kann der Leser dann auch eigene Reaktionen ableiten. Beispiel: Er soll verstehen, warum nicht er, sondern sein Kollege befördert wurde. Und dann sollte er vielleicht seine Laufbahnziele entsprechend realistisch gestalten und sich damit Enttäuschungen ersparen. In dem Bereich hat er Handlungsspielraum. So könnte er etwa eine Expertenlaufbahn anstreben. Denn „mehr Persönlichkeit erwerben“ kann er in der Regel nicht; H. Mell.)
Veränderung der Kultur in Unternehmen
Leser D:
Wer wie ich heute 58 Jahre alt und seit meinen Studienzeiten Leser dieser Karriereberatung ist, der nimmt eine Veränderung der Kultur in Unternehmen wahr. Da ändern sich Kommunikationswege (es wird nicht mehr streng nach Dienstweg kommuniziert), Hierarchien werden mehr als nur hinterfragt und es werden selbst in großen Unternehmen Duz-Kulturen eingeführt. Aus meiner Sicht verführerisch und trügerisch. Denn:
Ihre Regeln gelten auch in dieser neuen Welt. Sie zu missachten, weil der Umgang so locker und unkompliziert wird, könnte böse enden, wenn der Chef nicht so zufrieden ist oder eine Restrukturierung ansteht. Ich halte es daher für wichtig zu vermitteln, dass die Regeln auch in dieser modernen Unternehmenswelt gelten und nicht nur von „alten weißen Männern für alte weiße Männer“ gemacht werden.
(Das ist ein besonders wertvoller Hinweis, den ich nur unterschreiben kann; H. Mell.)
Dann hat die Qualifikation ihren Wert. Sie ist zu Beginn der Karriere eine Eintrittskarte ins Unternehmen. Natürlich ist Persönlichkeit wichtig. Eine Karriere aber allein auf Persönlichkeit aufbauen zu wollen, wird in 99 von 100 Fällen nicht funktionieren. Niemand wird Chefarzt, bloß weil er eine vorbildliche Persönlichkeit ist. Ich weiß, dass Sie das in Regel 10 so meinen. Ich halte es jedoch für wichtig, die fachliche Qualifikation zu betonen: Junge Menschen sind den Botschaften der sozialen Netzwerke bedrohlich schutzlos ausgeliefert. Und von oft selbsternannten „Influencern“ wird zu oft die Botschaft vermittelt, fachliche Qualifikation sei unnötig: Schule/Studium abbrechen, um als Blogger, Dropshipper, Trader sein Glück zu machen. Das ist extrem, aber das Gegengift dazu muss lauten: Qualifikation hat einen Wert.
(Es muss hier bei Ihnen immer heißen „fachliche Qualifikation“. Denn unter dem Begriff „Qualifikation“ fasst man z. B. bei einem Produktionsleiter sowohl fachliche als auch persönliche Kompetenz zusammen. Ihr Chefarzt ist ein Sonderfall.
Sie haben recht, wenn Sie gerade für die Ingenieure in dieser Zeitung die Bedeutung der fachlichen Qualifikation betonen. Aber ich habe dieselbe auch keinesfalls etwa vernachlässigt. So hieß es im ausführlichen Original-Abdruck der Regel 10: „Für die Karriere ist die Persönlichkeit wichtiger als fachliches Können. Letzteres wird als selbstverständlich vorausgesetzt.“ Aber ich muss gerade fachlich hochqualifizierten Ingenieuren in Beratungsgesprächen oft vermitteln, dass ihnen für den – weiteren – Aufstieg wichtige Persönlichkeitsmerkmale schlicht fehlen. Man könnte auch formulieren: Für den Aufstieg genügt fachliches Können allein nicht; H. Mell.)
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