Ein Manager lässt Berufsleben Revue passieren
Ein Manager reflektiert sein Berufsleben und bespricht einzelne Karrierestationen sowie Herausforderungen mit dem Karriereberater Heiko Mell. Gemeinsam arbeiten sie daran, die entscheidenden Punkte und Probleme zu identifizieren, um die kommenden Jahre in der beruflichen Laufbahn erfolgreich zu gestalten.
Frage/1:
Ich lasse gerade mein ebenso abwechslungs wie erfolgreiches Manager-Berufsleben Revue passieren:
Bei zwei meiner Firmenwechsel ging leider etwas schief: So habe ich einmal erfahren dürfen, wie es ist, wenn man sich nicht harmonisch integrieren kann, weil es einen „intern gepamperten Platzhirsch“ gab, der sofort das Stuhlsägen begann und die Stelle dann auch innerhalb eines Jahres eroberte.
Wie ich so etwas hätte vorher erkennen oder dem entgegenwirken können, habe ich mich lange gefragt.
„Platzhirsch“ im Berufsleben
Antwort/1:
Die eigentliche Ursache der Schwierigkeiten liegt eindeutig bei Ihrem damaligen Vorgesetzten. Der hätte wissen müssen, dass da ein „Platzhirsch“ (mit „gepampert“ kann ich nichts anfangen; H. Mell) in seinem Bereich vorhanden war, der Ihre Position für sich beanspruchte und der das vermutlich mehr als deutlich gemacht hat.
Der Chef des Bereiches hat diesem internen Kandidaten den Job nicht gegeben und sich für die externe Lösung entschieden. So weit, so gut. Dieser Chef hätte nun aber unbedingt wissen müssen, dass er damit eine scharf geschaltete Zeitbombe geschaffen hatte, die jederzeit „hochgehen“ konnte. Er hätte wissen müssen, dass dieser Platzhirsch seine ganze Wut gegen den Mann richten würde, der ihm vermeintlich „den Job weggenommen“ hatte. Was gar nicht stimmt.
Eigentlich hätte die Wut gegen den Bereichschef gerichtet werden müssen, der hatte schließlich die Entscheidung gegen ihn getroffen. Aber, wie der Mensch nun einmal ist, dieser Boss war ihm zu stark, Widerstand gegen ihn schien viel zu gefährlich zu sein.
Dann hätte dieser Chef dem Platzhirsch gegenüber seine Entscheidung sachlich begründen – und ausführen müssen, dass er auch von diesem Mitarbeiter eine konstruktive Zusammenarbeit erwarte. Dabei hätte er zur Sicherheit ganz allgemein erklären sollen, dass er die Besetzungsentscheidung getroffen hätte und dass er jede Opposition dem Neuen gegenüber als offene Kritik an seiner Entscheidung werten und dass er darauf entsprechend reagieren werde.
Entweder gleich noch in dieser Situation oder spätestens bei den ersten erkennbaren Handlungen des Platzhirsches hätte der Chef vor versammelter Mannschaft erklären sollen, er hätte sich klar für die externe Lösung entschieden – und wenn der erste Versuch scheitern sollte, würde er ihn wiederholen, also einen neuen externen Kandidaten einstellen.
Wenn eine Zeitbombe „tickt“
Soviel zu diesem Aspekt. Es gibt einen Ansatz, mit dem Sie eventuell vor Vertragsunterschrift hätten erkennen können, dass da eine Zeitbombe „tickt“: Als künftige Führungskraft hätten Sie sich im Vorstellungsprozess über die Personen und ihre Positionen informieren (lassen) können, die Sie nun führen sollten. Dabei wäre durchaus die Frage berechtigt gewesen, ob es nicht den einen oder anderen internen Bewerber um Ihre Position gegeben hätte. Daraus hätten sich immerhin entsprechende Hinweise für Sie abzeichnen können.
Wenn der „Stuhlsäge-Prozess“ erst einmal läuft und der Chef des Bereichs nicht wie von mir gefordert eingreift, ist keine pauschale Handlungsempfehlung mehr möglich. Aber dann kann man sich als Beobachter immerhin noch wünschen, der externe Neue möge wenigstens besonders durchsetzungsstark sein und das Sägen an seinem Stuhl energisch aktiv bekämpfen. Hatten Sie dieses Talent?
Was darf ein Kandidat für eine Geschäftsführer-Position an Infos verlangen
Frage/2:
Ähnlich schiefgegangen ist ein späterer zweiter Wechsel in ein schon halb insolventes Unternehmen, dessen erster Eindruck leider getrogen hat. Hier war ich allerdings einem früheren Vorgesetzten gefolgt, der davon dann selbst auch kalt überrascht wurde.
Antwort/2:
Als Kandidat für eine Geschäftsführer-Position müssten und dürften Sie vor Vertragsunterschrift Einsicht in die „Bücher + Zahlen“ des potenziellen Arbeitgebers verlangen. Alles andere wäre leichtsinnig.
Als Kandidat für eine Managementebene unterhalb der GF (wie in Ihrem Fall) lässt sich dieser Informationsanspruch schon viel schlechter realisieren, hier sind aber allgemeine Fragen des Bewerbers „zur Geschäftslage und insbesondere zur aktuellen Ertragssituation“ erlaubt.
Wenn Sie aber einem früheren Vorgesetzten folgen, können Sie dem nicht mit allzu großem Misstrauen begegnen. Und, so lehrt die Erfahrung, in Schwierigkeiten befindliche Unternehmen sind z. T. äußerst geschickt darin, der Steuer, den Banken, der Öffentlichkeit und Bewerbern etwas vorzumachen. Nein, ich glaube, da hatten Sie keine große Chance, das war einfach Pech.
Persönlichkeitsmerkmale für die Karriere
Frage/3:
Natürlich habe ich mich auch immer wieder gefragt, ob alle Persönlichkeitsmerkmale bei mir zur Karriere gepasst haben. So waren mir Durchsetzungsvermögen nur mit Härte sowie pure Rücksichtslosigkeit immer fremd. Ich versuchte eher, mit den Leuten zu arbeiten, auch wenn es schwierig wurde (Beispiel Verlagerungen oder Werksschließungen). Vielleicht hat mir auch dieses gewisse „Alpha-Tierchen-Gen“ gefehlt?
In der Rückschau bin ich mit mir im Reinen und sehr zufrieden, wie ich die Dinge bewegt und erfolgreich vorangebracht habe. Aber in den jeweiligen Situationen war es doch bisweilen schwierig für mich. Ich stand dann hin und wieder mal zwischen meinem Vorgesetzten und meinem Team. Ich wollte Karriere, aber auch nicht um jeden Preis, der „berühmt-berüchtigte Blick in den Spiegel“ musste mir immer gut möglich sein.
Talente eines Universalgenies erwarten?
Antwort/3:
Sie stellen Fragen hinsichtlich Ihrer eigenen Begabung und äußern Selbstzweifel. Das ist anerkennenswert und ehrt Sie. Was davon berechtigt ist, kann ich von hier aus nicht beurteilen – aber eine gewisse Verbindung bzw. Abhängigkeit zwischen dem in Frage/1 geschilderten „Stuhlsäge-Prozess“ und den in Frage/3 geäußerten Talent-Einschränkungen besteht ganz sicher.
Es gibt einseitig begabte Führer-Typen, die mit einer bestimmten, auf sie zugeschnittenen Situation im Unternehmen sehr gut zurechtkommen, aber deutliche Schwächen zeigen oder Reibungsverluste produzieren, wenn sich die Lage tiefgreifend verändert.
So kann sich ein Manager hervorragend als Sanierer eignen, entsprechende Aufgaben auch sehr erfolgreich lösen. Aber mit einem erfolgreich arbeitenden, in ruhigem (Markt-) Fahrwasser dahinschwimmenden, weder von den Gesellschaftern noch vom Wettbewerb übermäßig bedrängten Unternehmen kann er schlicht überfordert sein: Er saniert auch dann, wenn es nichts (mehr) zu sanieren gibt – und greift durch, wenn eher Motivation angesagt ist.
Umgekehrt gibt es Manager, die auch schwierige Führungsprobleme durch ihre spezielle Art des Vorgehens lösen, die Fluktuationsraten und Krankenstände in Ordnung bringen, das Verhältnis zum Betriebsrat glätten und das Image des Hauses in der Öffentlichkeit erfolgreich wieder aufbauen. Aber genau diese Führungskräfte können fehl am Platz sein, wenn das Unternehmen plötzlich vor ungewohnten Herausforderungen steht, die harte Maßnahmen an allen Fronten erfordern.
Man könnte vom idealen Manager die Talente eines Universalgenies erwarten, überforderte damit aber – von Ausnahmen abgesehen – das allgemeine Potenzial des Marktes, der jene Führungskräfte liefern soll.
Nicht falsch sein kann das immerwährende Bestreben des Einzelnen, seine entsprechenden Stärken und vor allem Schwächen rechtzeitig zu erkennen, bei der Auswahl seiner Positionen möglichst zu berücksichtigen und vielleicht sogar dann einen sonst nicht erforderlichen Wechsel vorzubereiten, wenn sich sein Arbeitsumfeld in eine Richtung zu ändern beginnt, die ihm eher nicht liegt. Natürlich wird der ideale Manager mit jeder denkbaren Situation fertig und kann auch seinen Führungsstil einer geänderten Lage anpassen – aber wer ist schon derart vollkommen?
Ihr „Ich stehe zwischen dem Vorgesetzten und meinem Team“ ist Manageralltag. Manche Führungskräfte lassen sich in dieser Konfliktsituation stärker zum Team hinziehen, agieren als dessen Sprecher bzw. als eine Art „Mini-Betriebsrat“. Das ist „menschlich verständlich“, dieser Versuchung fallen nicht die schlechtesten Persönlichkeiten zum Opfer.
Aber ich als „Interpret des Systems“ muss immer wieder darauf hinweisen, dass der Manager von oben ernannt wird, von oben her befördert oder gefeuert werden kann – und nicht von unten her gewählt ist. Er ist nicht „Primus inter Pares“ des Teams, sondern ein zu diversen Handlungen bzw. Entscheidungen bevollmächtigter Vertreter der Unternehmensleitung gegenüber den ihm unterstellten Mitarbeitern.
Ihm wurden (personelle) Ressourcen anvertraut, mittels deren effizientem Einsatz er bestimmte Ergebnisse erzielen soll. Dass er vom Team geliebt wird, ist nicht sein Ziel, dass ihn vor allem seine Chefs „lieben“ sollen, ist hingegen äußerst ratsam. Dass andererseits ein Team nur unter bestimmten Voraussetzungen Höchstleistungen erbringt, kennzeichnet die Stellung des typischen Managers als Gratwanderer zwischen oben und unten. Sagen wir es so: Die Meinung der „Oberen“ ist für ihn noch wichtiger als die der „Unteren“.
Und was den „Blick in den Spiegel“ angeht: Irgendwann habe ich hier geschrieben: „Wer Manager wird, kann nicht jedes Mal stolz auf sich sein, wenn er in den Spiegel schaut.“ Daran hat sich inzwischen nichts geändert.
Das alles gilt übrigens auch für Positionen ganz an der Spitze: Was dem Bereichsleiter der vorgesetzte Geschäftsführer, das ist dem CEO der Aufsichtsrat oder der Großaktionär.
Wenn man über einen Abgang nachdenkt
Frage/4:
Nach fast 30 Jahren im Management bin ich aber nun abgekämpft und denke über einen Abgang nach. Hier frage ich mich, ob es unredlich ist, vor der offiziellen Rente noch eine gewisse Zeit in die Arbeitslosigkeit zu gehen. Auf der anderen Seite lese ich von vielen Führungskräften über Burnout und andere „Modekrankheiten“ (früher Nervenzusammenbruch genannt?). So weit will ich es bei mir nicht kommen lassen. Wie sehen Sie dieses präventive Ausstiegsszenario?
Antwort/4:
Es gibt den Menschentyp, der im Leben alles mitnimmt, was ihm in halbwegs legaler Art und Weise zum Vorteil gereicht. Und es gibt auf der anderen Seite jenen Typ, der selbst auf klare gesetzliche Ansprüche im sozialen Bereich verzichtet, weil er unbedingt auf eigenen Beinen stehen und die Gemeinschaft nicht mit Ansprüchen überfordern will. Der Rest ist irgendwo dazwischen angesiedelt.
Ich meine: Wir haben ein relativ dichtes Netz von Sozialleistungen, das im Bedarfsfalle wirksam wird. Die Betonung liegt auf „im Bedarfsfalle“. Wenn Sie krank werden, z. B. physisch oder psychisch in Ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sind, wird man Sie krankschreiben, dann greifen entsprechende Regelungen. Wenn Sie durch arbeitgeberseitige Kündigung arbeitslos werden, wird man Sie finanziell unterstützen. Und wenn Sie total berufsunfähig werden sollen, gibt es auch dafür Regelungen, die Sie vor der Sorge um Ihre „nackte Existenz“ bewahren.
Diese Sicherungssysteme sind nicht dafür gedacht, dass man ihr Anspringen gezielt, bewusst und ohne „in Not“ zu sein, also um des persönlichen Vorteils willen, provoziert. Ein solches „Netz“ ist dafür vorgesehen, eine Person im Notfall vor dem Schlimmsten zu bewahren, es ist jedoch nicht dort aufgespannt, damit diese Person sich das Vergnügen macht, eine Art Trampolin-Erlebnis zu genießen. Natürlich weiß auch ich, wie oft und wie gern gegen diesen Anspruch verstoßen wird.
Ich halte viel davon, sich im Berufsleben so zu bewegen, dass man zu allen wesentlichen Entscheidungen stehen – und im Rahmen des Möglichen stolz darauf sein kann. Sie, geehrter Einsender, haben lt. beigefügtem Lebenslauf trotz nicht idealer Startbasis viel erreicht, zu dem Sie stehen und mit dem Sie sich sehen lassen können. Wollen Sie wirklich, dass jemand hinter Ihrem Rücken sagt: „Am Schluss hat er dann freiwillig das Handtuch geworfen und den Arbeitgeber zu einer Kündigung überredet, dann hat er ‚auf arbeitslos gemacht‘ und auf die Rente gewartet.“ Das zöge in meinen Augen und in denen einiger anderer Menschen vieles von dem hinunter, was Sie sich erarbeitet hatten. Wenn Sie „es“ dennoch tun wollen, dann muss ich das akzeptieren, aber da Sie mich gefragt haben, müssen Sie auch meine Meinung dazu ertragen.
Vielleicht lässt sich ja Ihr Arbeitgeber dazu überreden, Sie in Ihren letzten Berufsjahren in einer etwas weniger fordernden Verantwortung (z. B. in einem Optimierungs-Projekt) einzusetzen. Das würde auch Ihrem Selbstwertgefühl besser bekommen als das Bewusstsein, sich nun als „Karrierehöhepunkt“ in die Arbeitslosigkeit getrickst und für den Arbeitsmarkt praktisch wertlos gemacht zu haben.
Schauen Sie sich auch außerhalb Ihres Unternehmens einmal aufmerksam um. Es gibt Betätigungsmöglichkeiten verschiedenster Art, wo Sie Ihre Qualifikation einsetzen und damit noch etwas bewirken können – von Beratungstätigkeiten als Angestellter oder im selbstständigen Bereich, Interims-Engagements bis zu ehrenamtlichen Betätigungen (sofern Sie sich das leisten können).
Oft hat man auch einfach in der derzeitigen Position die Möglichkeit, es etwas ruhiger angehen zu lassen. Denn „mehr“ wollen Sie ohnehin nicht werden, der übliche Anteil an der Tätigkeit eines Managers, mit dem er sich für den weiteren Aufstieg empfiehlt, entfällt schon einmal. Und falls dann der Arbeitgeber Sie loswerden möchte – dann ist das doch für Sie gar nicht so schlimm, weil Sie ja schon selbst mit dem Gedanken an „Arbeitslosigkeit bis zur Rente“ gespielt hatten. Aber ich glaube, dass Sie sich dann als durch die Umstände „arbeitslos Gewordener“ deutlich besser fühlen denn als „gewollt Arbeitsloser“. Ich fürchte nur, es gibt tatsächlich Menschen, die den großen Unterschied dazwischen nicht sehen.
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