Erfolgselemente für die Karriere nach Heiko Mell
Karriereberater Heiko Mell gibt Tipps für erfolgreiche Karrierewege: Eine Kombination aus richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit und etwas Glück kann den Aufstieg beeinflussen.
Der Weg in die Sackgasse
Frage:
Gern lese ich Ihre Karrieretipps und kann diese von der Sache her nur bestätigen. Bisher hatte ich immer etwas Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und mit dem zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Wissen, mit Sozialkompetenzen und Alter die nächste Stufe erreichen zu können. Ich hatte nie bewusst vor, eine Karriere zu machen; aber die Arbeit machte mir grundsätzlich immer viel Spaß, die Erfolge motivierten mich noch mehr, auch das Führen von Personen scheint mir zu liegen. So nahm wohl vieles seinen Gang.
Antwort:
Sie sind jetzt etwa Mitte 40 und leiten einen fachlich etwas „angereicherten“ kundenorientierten Konstruktionsteilbereich mit irgendwo zwischen 30 und 50 Mitarbeitern. Der Aufstieg hat sich lückenlos vom Konstrukteur an vollzogen, wie Ihr Lebenslauf ausweist.
Sie erwähnen zwei wichtige Erfolgselemente: Man muss zunächst zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, wenn es ein Erfolgsweg werden soll. Das aber ist nicht bloß ein Zufallsaspekt – Zeit und Ort beeinflussen wir durch unsere Vorauswahl von Laufbahn, Arbeitgeber und z. T. auch der eingenommenen Positionen. Vielleicht trägt der dabei ins Spiel kommende Instinkt dazu bei, dass man eines Tages genau dort steht, wo sich eine Chance ergibt. Das hat man, ich will da nicht missverstanden werden, keinesfalls etwa vorausgesehen – aber ein Mensch vom „Erfolgstyp A 1“ trifft lange vorher einfach andere Vorauswahlen als etwa ein Mensch vom Typ „Durchschnitt B 37“. Und dann steht er eines Tages da, wo sich eine Chance auftut. Wie – und ob – das funktioniert, weiß ich leider auch nicht, aber es drängt sich die Ahnung auf, „dass da etwas dran sein könnte“. Dann sprechen Sie noch den Faktor Glück an, auch das kann ich nur bestätigen. Manche Leute haben mehr davon als ihnen statistisch zusteht – aber oft ist auch das wieder das „Glück des Tüchtigen“. Und, vergessen wir es nicht, Glück ist eine Definitionssache: Was von außen danach aussieht, ist für den, der alle Zusammenhänge kennt, oft auch wieder „nur“ das Resultat harter Arbeit und bestimmter Fähigkeiten.
Bei der Gelegenheit: Ich rate sehr dazu, den eigenen Weg und die bei dessen Beschreiten erzielten Ergebnisse vorurteilslos zu analysieren. Oft zeigt sich, dass Sie beim Thema IV eine glückliche Hand, bei XII jedoch genau das Gegenteil haben. Wenn ich von mir ausgehe: Mit dem, was ich im Bereich meiner beruflichen Kernaktivitäten anpacke, habe ich in der Regel durchaus Erfolg. Aber wenn Sie eine Aktiengesellschaft ruinieren wollen, müssen Sie nur mich dazu bringen, dort Anteile zu erwerben – das Geld ist in kurzer Zeit weg und zwar meines ebenso wie das der Aktionäre. Ohne die Hintergründe so ganz verstanden zu haben, akzeptiere ich die Ergebnisse meines Tuns – und spekuliere nicht an der Börse, sondern kümmere mich um mein berufliches Engagement. Mit gutem Erfolg rate ich daher: Forcieren Sie Ihre Tätigkeit dort, wo Sie erfolgreich sind und lassen Sie die Finger von solchen Themen, bei denen Sie schon mehrfach Misserfolge eingefahren haben. Da helfen weder Seminare noch hartes eigenes Training.
Wird der neue Job zur Hölle?
Frage 2:
Mir wurde nun angeboten, eine zusätzliche Abteilung, welche übrigens sehr gut zu meinen vorhandenen Abteilungen passt und mir auch sehr liegen würde, zu übernehmen. Zeitgleich soll ich noch zusätzlich stellvertretender Leiter der allgemeinen, nicht auftragsorientiert arbeitenden F&E oder Vorentwicklung (von mir verfremdet; H. Mell) werden. So weit, so gut.
Bedingt durch eine spezielle internationale Konzernstruktur ist der andere Bereich, in dem ich erst einmal Stellvertreter werden würde, auch einem anderen Geschäftsführer zugeordnet.
Die Konsequenz: Sobald ich – was angedacht ist – im neuen Bereich vom Stellvertreter zum Leiter ernannt werde, muss ich meine heutigen Aufgaben abgeben, habe etwa 15 Mitarbeiter weniger zu führen und bekomme einen neuen Chef, wobei die damit verbundenen Probleme aus meiner Sicht deutlich gravierender als die „Kopfzahl-Rechnungen“ sind:
- Diesem zukünftigen Chef eilt ein bestimmter Ruf voraus. Niemand will eigentlich unter ihm arbeiten. Ich bin ein sehr toleranter, leidensfähiger Mensch und hatte bereits alle möglichen Typen von Vorgesetzten. Das also bekomme ich wahrscheinlich irgendwie noch hin.
- Der zur Debatte stehende andere Bereich wurde aus meiner Sicht fachlich und auch seitens der Kapazität kaputt gespart. In kurzer Zeit werden 75% der Wissensträger in Rente gehen. Ein Wissenstransfer an das verbleibende Personal ist schon zeitlich kaum noch möglich.
- Die diesem Bereich gestellten Aufgaben und die ihm entgegengebrachten Erwartungen sind aktuell sehr groß und werden auch künftig sehr groß sein.
In den Punkten 2 und 3 sehe ich das größte reale Risiko, dass der neue Job zur Hölle werden könnte.
Am liebsten würde ich ablehnen. Meine heutige Position ist im operativen „Mainstream“ des Unternehmens angesiedelt, hier „rollt der Rubel“, hier kann ich meine Fähigkeiten ausspielen, hier fühle ich mich wohl. Allerdings ist mir auch klar, dass die Firma im F&E-Bereich ein Problem lösen muss – und ein „Nein“ von mir wäre wohl nicht akzeptabel. So weit meine aktuelle Einschätzung. Ich muss das Spiel wohl mitspielen.
Meine Frage: Ich fürchte, dass die neue Position eine Sackgasse wird. Ich verlasse den „Mainstream“ und wechsele zu einem Bereich, welcher vom operativen Geschäft abgekoppelt ist. Selbst unter der Annahme, ich könnte die Aufgabe mit den genannten Risiken doch noch glorreich lösen, wird es für mich vermutlich dennoch kein Comeback mehr geben, so meine Einschätzung.
Antwort 2:
Ich muss immer auch an die anderen Leser denken, die ja hier in dramatischer Überzahl vorhanden sind. Und daher gilt: Was ich bei einer Frage nicht verstehe, darf ich dem großen „Publikum“ gar nicht erst vorlegen – und kann ich auch keiner Lösung zuführen. Hier verstehe ich zu viel zunächst nicht:
Die offene Frage ist schlicht: Was soll das Ganze eigentlich? Sie benutzen die Bezeichnung derselben Hierarchieebene, wenn Sie von der Ist- oder von der Soll-Position sprechen. Ihr Führungsumfang wird kleiner, von Gehaltssteigerung ist nicht die Rede, Sie lassen keine Begeisterung für die neue Aufgabe oder gar für den neuen Chef erkennen, das Vorhaben bleibt rätselhaft.
Dann aber geben Sie mir an anderer Stelle Ihres hier gekürzt wiedergegebenen Briefes doch noch zusätzliche Informationen, die eine Lösung immerhin enthalten könnten. Es geht ums Geld. Sie verdienen recht viel – und fürchten, das sei in den Augen der Unternehmensführung für den so „erdverbunden“ ausgerichteten heutigen Job auf Dauer zu viel. Der neue Job ist zwar gegenüber dem heutigen kein wirklicher Aufstieg, ist aber wegen seiner zentralen Bedeutung (dort wird die Technik Ihrer Produkte von morgen und übermorgen entwickelt!) wohl in einer höheren Bandbreite angesiedelt, dort wäre Ihr hohes Gehalt gerechtfertigt.
Einer Ihrer Kernsätze in jenem Teil, den ich zu Ihrem Schutz nicht weiter veröffentliche, lautet: „Mein derzeitiger Chef weiß nicht wirklich, was ich leiste.“ Sie haben also Angst, der stecke hinter der ganzen Aktion, der halte Sie für zu teuer und wolle Sie auf diesem Wege loswerden.
Übrigens versteht man Ihre Vorliebe für die heutige eher „taktische“ Ausrichtung Ihrer Aufgaben besser, wenn man weiß, dass Sie Ihr Ingenieurstudium eher praxisorientiert gewählt hatten und eben auch keine für wissenschaftliche Vertiefung stehende Promotion mitbringen. Sie sind Praktiker, sind es gern und möchten es bleiben. Die „anders“ ausgerichtete F&E reizt Sie nicht. Das klingt irgendwie nachvollziehbar.
Über die Erfolge sprechen
Meine Sicht der Dinge, verbunden mit Empfehlungen auch für andere Leser und speziell für Sie:
Man hüte sich stets davor, aus Chefs mehr Gehalt herauszukitzeln als die eigentlich zahlen wollen. Das gilt für Verhandlungen bei Bewerbungen ebenso wie „im laufenden Geschäftsalltag“. Irgendwann fällt man mit seinen im internen Vergleich zu hohen Bezügen auf, der Chef gerät seinerseits unter Druck durch seine Vorgesetzten, gibt diesen Druck dorthin weiter, wo die Ursache des Problems lag: An jenen Mitarbeiter, der vermutlich immer dann, wenn er es für günstig hielt, „Chef, ich brauch‘ mehr Geld“ in die Diskussion eingebracht hat.
Vielleicht waren Ihre damaligen Chefs zu „weich“, haben zu oft nachgegeben und Ihr heutiger Vorgesetzter will jetzt das Problem durch Ihren Weggang aus seinem Bereich lösen.
Dass Ihr Chef nicht wirklich weiß, was Sie leisten, ist ein schwerer Fehler Ihrerseits. Das sollte schon einer „grauen Maus“ nicht passieren, aber ganz gewiss keiner höheren Führungskraft, die etwas zu verlieren hat – und selbst sogar vermutet, sie sei eigentlich überbezahlt. Lösung: Sie müssen Ihre Leistungen und Erfolge mehr und besser kommunizieren. Denken Sie an den alten Beratergrundsatz: „Tue ein wenig Gutes – und dann sprich ausführlich darüber.“
Sprechen Sie über Ihre Erfolge – und binden Sie Ihren Chef mit ein. Etwa so: „Ich habe Ihre Anregung aus unserem letzten Gespräch erfolgreich umsetzen können. Dabei ist es gelungen, …“ Wenn Sie das gut vorbereitet angehen, glaubt er das mit ziemlicher Sicherheit. So mancher Chef ist ohnehin überzeugt, der Laden liefe nur, weil er an dessen Spitze steht.
Das löst Ihr Problem noch nicht, es zeigt aber, wo Sie Fehler gemacht haben – und wie andere Leser solche kritischen Entwicklungen vermeiden können.
Die schwierige Persönlichkeit des möglichen neuen Chefs ist – wie Sie schon vermuten – letztlich ein zu lösendes Problem. Wenn man wirklich will, kann man das unter hohem persönlichen Einsatz irgendwie in den Griff bekommen. Die Erfahrung zeigt: Es gibt keinen Chef, mit dem „nie jemand konnte“. Irgendwann kommt ein Mensch, der auch das schafft.
Vielleicht müssen Sie einen hohen Preis zahlen, aber das ist ja nicht von Dauer: Ein anständiger internationaler Konzern strukturiert spätestens alle drei Jahre um – dann geht entweder der Chef oder Sie steigen auf oder es kommt umgekehrt. Aber irgendetwas geschieht, schon aus Prinzip.
Die Aufgabe, auch mit den genannten zusätzlichen Schwierigkeiten ist reizvoll, beinhaltet ein hohes Risiko, kann aber bei überzeugender Lösung ein tolles Sprungbrett für Sie sein. Das gilt in- wie extern.
Überlegen Sie aber gut, ob Sie sich das zutrauen, ob Sie diesen „Schwenk“ in Ihrer fachlichen Ausrichtung akzeptieren wollen. Was Ihnen besser gefällt, ist nicht so wichtig, das System garantiert niemandem auf Dauer seine Traumposition. Die neue Ausrichtung wird erst einmal „vorläufig endgültig“ sein, ein Zurück gibt es eher nicht.
Prüfen Sie auch, z. B. durch das Studium von Stellenanzeigen oder auch durch den Kontakt zu Headhuntern/Personalberatern, ob diese Ihnen auf dem Markt eine Chance geben, sich mit Ihrem eher praxisorientierten Studium auf Dauer im neuen Metier durchzusetzen, in dem eine Promotion nahezu zu den Standardanforderungen gehört.
Es würde ganz sicher schwierig sein, das Angebot abzulehnen. Aber es ist unverantwortlich, die Entscheidung nur aufgrund von Spekulationen und Annahmen zu treffen. Sie müssen wissen, was da eigentlich vorgeht.
Wenn der Chef Sie loswerden möchte…
Sprechen Sie vertrauensvoll mit Ihrem heutigen Chef. Wie immer, so gilt auch hier: Beginnen Sie mit Lob und mit Positivem: wie gern Sie den heutigen Job machen, wie gern Sie in seinem Bereich und unter ihm arbeiten etc. etc. Dann bedanken Sie sich für das Vertrauen, das man Ihnen mit dem Angebot entgegenbringt und wieder etc. Lassen Sie eine gewisse Ratlosigkeit erkennen, warum man gerade Sie auserkoren hat – und versuchen Sie, hinter die Ursache zu kommen: Will der neue Chef Sie gegen jede Vernunft unbedingt haben – und warum? Oder gibt es tatsächlich Gründe, aus denen Ihr heutiger Chef Sie lieber dort als hier sieht? Sprechen Sie nicht über Geld, warten Sie auf seine Äußerungen. Diskutieren Sie nicht mit ihm, hören Sie zu. Filtern Sie aus seinen diversen unverbindlichen Angaben den „harten Kern“ heraus, der wirklich dahintersteckt. Erst dann können Sie eine begründete Entscheidung treffen.
Wenn Ihr heutiger Chef Sie loswerden möchte, müssen Sie gehen – intern oder extern.
Wenn Sie das Angebot annehmen, müssen (!) Sie vorher mit dem neuen Chef über alle Ihnen dort bekannten Probleme sprechen und seine Bereitschaft ergründen, eine Ihnen vorschwebende Lösung mitzutragen bzw. aktiv zu unterstützen!
Mell sagt: „Ein guter Mitarbeiter ist jemand, den sein Chef dafür hält.“ Da springen wir noch einmal auf B zurück. Ingenieure sind besonders anfällig dafür, nach scheinbar objektiven Maßstäben auf rein fachlicher Basis ein guter Mitarbeiter „sein“ zu wollen. Aber dafür gibt es keine allgemeingültigen Maßstäbe. Es gibt nur den real existierenden Chef, der Sie dafür „halten“ muss. Diesem Ziel müssen Sie sich widmen, jeweils bei dem Chef, den Sie haben. Und Sie hätten anfangs sogar zwei davon, was die Sache nicht einfacher macht.
Gute Sacharbeit ist auch dafür keine schlechte Voraussetzung, aber stets nur ein Teil der Lösung: „Ich bin gut, aber mein Chef weiß das so genau gar nicht“ – wenn das so ist, vergeuden Sie viel von der Leistung, die Sie dort täglich einbringen. Oder drücken wir es technisch aus: Dann liegt der Wirkungsgrad Ihres beruflichen Tuns nur bei etwa 40 Prozent. Das reicht nicht!
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