Heiko Mell nimmt Stellung zu Gendern in der Arbeitswelt
In seiner Replik thematisiert Heiko Mell die Debatte um Gendern und die Frauenquote. Er lässt erkennen, dass er die Diskussion um geschlechtergerechte Sprache als weniger bedeutend ansieht und stattdessen die Frauenquote als gravierenderes Anliegen betrachtet.
Soll sich Heiko Mell schämen?
Frage 1:
Nun ist das Thema auch bei Ihnen angekommen. Sie gendern ja gar nicht. Und Ihre Antwort darauf ist ja mehr als dürftig: Es überzeugt Sie keine der Lösungen.
Das ist doch wohl eher eine schwache Ausrede, um dem Thema zu entgehen. Man muss da schon auch einmal einen kleinen sprachlichen Nachteil in Kauf nehmen, um seine gute Gesinnung zu beweisen. So bleibt stehen, dass Sie als alter weißer Mann mit Ihrer Rubrik seit 39 Jahren die Regeln des Patriarchats beschreiben und den jungen Menschen sogar noch empfehlen, diesen zu folgen. Schämen Sie sich!
OK, meine Ironie ist Ihnen bis hierher inzwischen sicherlich aufgefallen, aber so ähnliche Argumentationen erlebe ich leider an meiner Uni regelmäßig.
Antwort 1:
Was Sie können in Sachen Ironie, kann ich schon lange. Sie sind ein mir durch Ihre diversen Einsendungen schon vertrauter Uni-Professor und Unternehmer aus Süddeutschland. Warum Sie mir aber jetzt mit einem amerikanischen Bundesstaat kommen, bleibt mir etwas schleierhaft. „OK“ steht nämlich nur für Oklahoma, gemeint ist aber sicher „O. K.“ mit Pünktchen dazwischen und danach, das kann dann für „okay“ durchgehen. Es gilt hier, wie es sich so oft auch in der Technik zeigt: kleine Ursache, große Wirkung. Aber werden wir wieder ernsthaft, wie es uns als alten weißen Männern geziemt.
Geht es bei Gendern um Gesinnung?
Frage 2:
Wer nicht gendert, ist sowieso verdächtig, wählt AfD, ist homophob und frauenfeindlich. Es geht um die Gesinnung und nicht um ein sprachliches Detail oder gar irgendeine Präzision der Sprache oder Höflichkeit.
Wer nicht gendert, wird bei uns von Presseartikeln runtergenommen. In der Vorlesung eines Kollegen kam eine Studentin tränenüberströmt zu ihm und beschwerte sich, er habe ja nur von Ingenieuren gesprochen und sie fühle sich damit gar nicht angesprochen. Jedes Nicht-Gendern wird als Mikroaggression wahrgenommen.
Und natürlich mündet das in der De-facto-Quote mit inzwischen einer massiven Benachteiligung von Männern. Frauen wird in meinem Bereich der rote Teppich ausgerollt, jüngeren Männern wird erzählt, dass damit die jahrhundertealten strukturellen Ungerechtigkeiten ausgeglichen werden müssen. Mit dem Grundgesetz hat das leider gar nichts mehr zu tun.
Um mich diesem Diktat der Genderideologie zu unterwerfen, würde bei mir Teeren und Federn nicht ausreichen. Ich vermute, bei Ihnen auch nicht.
Einen herzlichen Gruß von weißem alten Mann zu weißem alten Mann.
Was hat die Frauenquote mit Gendern zu tun?
Antwort 2:
Lassen wir die Thematik „Gendern“ wegen der Sinnlosigkeit einer Diskussion mit ihren z. T. fanatischen Anhängern einmal beiseite. Das Gendern hat zwar seine Tücken, ist aber im Hinblick auf die Folgen und Auswirkungen eher harmlos.
Weitaus schwerwiegender in dieser Hinsicht sind die Frauenquote und die daraus resultierende Benachteiligung von Männern. Es ist völlig inakzeptabel, die eine der beiden Gruppen jetzt mit dem Argument zu bestrafen, früher sei die andere benachteiligt worden und das müsse jetzt durch neue Ungerechtigkeiten ausgeglichen werden. Ich glaube nicht, dass man das irgendwie sinnvoll begründen kann, nicht einmal juristisch.
Wir reden hier über Ingenieure. Niemand hat gezielt deren weibliche Vertreter „früher“ benachteiligt – es gab schlicht keine: Ich bin, Gnade der frühen Geburt, Zeitzeuge. Während meines Studiums und noch länger danach gab es Quoten weiblicher Ingenieurstudenten von 2 bis 3 Prozent! Kein Wunder, dass es dann in den Betrieben keine Parität im technischen Führungsbereich gab.
Die Unternehmen hatten ja kaum eine Chance, sich über die Eignung weiblicher Ingenieure für Managementpositionen Gedanken zu machen. Es gab nicht nur kaum entsprechende Aufstiegsanwärterinnen, sondern noch nicht einmal genügend sachbearbeitende Ingenieurinnen, aus denen man Aufsteigerinnen hätte auswählen können. Da wurde niemand unterdrückt – da war schlicht niemand vorhanden, den man hätte unterdrücken können (wenn das überhaupt gewollt gewesen wäre).
Talentförderung ist wichtiger
Ich bin sehr für Talentförderung, sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Und dann bin ich für eine konsequente Besten-Auswahl im Sinne jener Anforderungen, die durch die zu besetzenden Positionen gestellt werden. Und wenn auf dieser Basis (!) in einem Unternehmen 80 Prozent der technischen Führungskräfte Frauen sind, bin ich absolut damit einverstanden. Aber in einer – relativ – freien, leistungsorientierten Gesellschaft ist eine Quote unbedingt abzulehnen.
Allerdings will und muss ich nicht gewählt werden und brauche auch keine Wahlgeschenke zu verteilen. Das macht mich etwas freier.
Und was das Teeren und Federn angeht: Ich bekomme – neben sehr vielen anerkennenden und zustimmenden – schon genug merkwürdige Briefe. Da lasse ich Ihnen mit der Höflichkeit des alten weißen Mannes gern den Vortritt.
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