Heiko Mell 14.07.2024, 09:00 Uhr

Merkwürdige Stellenanzeige?

Der Karriereberater Heiko Mell prüft eine Stellenanzeige genau. Was fällt dabei besonders auf? Und welche Ratschläge gibt er seinen Leserinnen und lesern?

Stellenanzeige

Seltsame Stellenanzeigen kommen nicht selten vor.

Foto: PantherMedia / Andriy Popov

Frage:

Mir ist die beigefügte Stellenanzeige aufgefallen. Sie ordnen ja sonst gern Bewerbungen von Ingenieuren bei Firmen ein. Vielleicht könnten Sie auch mal diese Stellenanzeige als Bewerbung einer „Firma“ bei Ingenieuren einordnen. Dort will eine Fachhochschule eine Professur vergeben.
Als kleine Anmerkung: Bei durchaus renommierten Universitäten höre ich von Berufungskommissionen immer wieder, dass sich nur sehr wenige Bewerber finden und diese häufig nicht geeignet sind.

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Keinerlei (!) weitere Ausführungen zum Aufgabenbereich und zum Anforderungsprofil

Antwort:

Ich habe Ihre Einsendung bewusst einige Zeit zurückgestellt, bis der entsprechende Einstellprozess vermutlich – so oder so – abgeschlossen ist. Schließlich wollte ich kein laufendes Verfahren beeinflussen. Und natürlich hat die inserierende FH ebenso ein Anrecht auf eine anonyme Behandlung in dieser Serie wie private Einsender und deren Arbeitgeber auch.

Die Anzeige beginnt klassisch mit einer Vorstellung der suchenden Institution sowie der Nennung der Professur, um die es geht.

Dann aber kommen die Besonderheiten: keinerlei (!) weitere Ausführungen zum Aufgabenbereich und zum Anforderungsprofil, also nichts, was diese Angelegenheit irgendwie interessant machen würde. Dafür folgen unmittelbar unter der Positionsbezeichnung dreizehn Zeilen mit Angaben über Chancengleichheit und eine Diversity-orientierte Personal und Hochschulpolitik, über das Bestreben, den Anteil an weiblichen Beschäftigten zu erhöhen, über die ausdrückliche Ermutigung von Frauen zur Bewerbung. Dann geht es weiter mit dem Hinweis auf die familiengerechte Ausrichtung der Institution und einen Dual Career Service. Es folgt der Hinweis auf die Bevorzugung schwerbehinderter Kandidaten; die Frauenbeauftragte und die Schwerbehindertenvertretung bieten sich für ein Vorabgespräch an.

Ende der „positionsbezogenen Aussagen“. Es folgt der Hinweis, dass man die ausführliche Stellenausschreibung mit den Einstellvoraussetzungen im Internet finden könne.

Kandidaten werden abgeschreckt

Was vermutlich für schwerbehinderte Frauen mit Kindern durchaus interessant sein könnte, was aber z. B. einen männlichen potenziellen Bewerber mit hoher Sicherheit schon gar nicht mehr anspricht. Denn der vorangestellte Text hat sein mögliches Interesse bereits abgetötet. Das Ganze ist ein einziger Aufschrei: Es möge sich doch bitte nur?) die im Detail umrissene sehr spezielle Frau bewerben. Der Rest potenzieller Kandidaten wird ziemlich energisch abgeschreckt. Hätte ich als Mann an dieser Position grundsätzliches Interesse, ich würde mir unter den obwaltenden Umständen eine Teilnahme am Einstellprozess nicht antun.

Nun kann jedes private Unternehmen und jede Institution des öffentlichen Dienstes die Personalwerbung nach eigenen Vorstellungen gestalten – muss dann aber mit den erzielten Resultaten leben.

Zufällig ist die Gestaltung von Stellenanzeigen einer meiner fachlichen Schwerpunkte. Ich war einmal zuständig für die gesamte Personalwerbung eines Konzerns und habe dann einige Jahrzehnte u. a. eine Agentur für Personalwerbung geleitet. Und auf dieser Basis erlaube ich mir den – zugegebenermaßen unerbetenen – Rat an diesen Inserenten: Sie müssen erst einmal fachlich geeignete Kandidaten durch die Auflistung interessanter und attraktiver Details der Position grundsätzlich und durch eine rundum werbende Ansprache für Ihr Angebot begeistern. Und dann können Sie diesen potenziellen Bewerbern eventuell auch noch vermitteln, dass Sie einen bestimmten Typ Mensch bevorzugen – falls Sie sich das (genügend passend vorgeprägte Bewerber) leisten können.

Heiko Mell

Karriereberater Heiko Mell.

Etwa so wie man beim Angeln vorgeht: Winken Sie dem gesuchten Fisch nicht mit dem blanken Haken, der ihn nur abschreckt, aber nicht zum Anbeißen ermutigt. Zeigen Sie ihm, dem Fisch, zunächst den Köder – und lassen Sie ihn erst beim dadurch angeregten Anbeißen erkennen, dass da noch ein Haken kommt. Konkret: Drehen Sie die Geschichte einfach um. In der Anzeige die werbenden Sach und Fachinformationen, im Internet (bei Interesse) den z. T. ja schon diskriminierend und abschreckend wirkenden „Rest“.

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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