Woran merke ich, dass ich einen guten Job mache?
Es beginnt damit, dass nahezu jeder von uns irgendwie in seinem Job „gut“ sein, ein „gutes“ Leistungspotenzial zugesprochen bekommen und „gute“ Arbeit abgeben möchte (in unterschiedlichen Abstufungen von „gut“). Gehen wir einmal davon aus, dass sich die weitaus meisten Mitarbeiter um solche Bewertungen bemühen.
Da es sich z. B. bei unseren Lesern um Menschen mit einer anspruchsvollen Ausbildung (praktisch mit 100 % Studienquote) handelt, haben sie – leider – auch eine ziemlich gefestigte Meinung dahingehend, was denn nun einen guten Mitarbeiter und eine geleistete gute Arbeit ausmache: Sie definieren beides erst einmal selbst. Und erklären abends ihrem Partner, sie seien zufrieden mit sich, leisteten gute Arbeit – es gäbe nur ein kleines Problem: Ihr Chef sähe das, teils weil beschränkt, teils weil chronisch boshaft, irgendwie nicht ein. Aber sonst sei alles in Ordnung. Und genau da liegt das Problem.
Wir leben in einer Marktwirtschaft, auch einen Markt für Arbeit gibt es. Und eines der ehernen Prinzipien lautet dort überall: Der kaufende Kunde definiert, ob ein Produkt oder eine Leistung „gut“ sind. Ein gutes Auto wird nicht dadurch gekennzeichnet, dass ihm ein in höchsten Tönen lobendes Zertifikat des Entwicklungsvorstandes der Herstellerfirma beiliegt. Dessen Urteil über das fertige Produkt und seine Leistungen interessiert jetzt niemanden mehr. Der zahlende Kunde übernimmt die Berechtigung, den gekauften Gegenstand mit Prädikaten zu versehen. Das gilt auch für die Banane, die er der Obst- und Gemüsefrau auf dem Wochenmarkt abkauft.
Der Angestellte nun „verkauft“ nicht gerade sich, aber doch seine Arbeitskraft dem (Gehalt) zahlenden Arbeitgeber, der wie alle entsprechenden Kunden auf Märkten damit das – alleinige – Recht übernimmt, seinen Einkauf zu bewerten. Das gilt auf allen Ebenen: Nicht wie der Dachdecker das von ihm belegte Dach bewertet, ist entscheidend, sondern zu welchem Urteil seine Kunden kommen.
Gegenüber der verkaufenden Gemüsefrau hat der Angestellte sogar noch zwei Nachteile: Er ist abhängig beschäftigt – und zwar bei seinem Beurteiler. Und er hat auf viele Jahre hinaus jeweils nur einen Kunden. Die Gemüsefrau ist von vielen Kunden abhängig. Sie kann sich einen (!) unzufriedenen leisten, der Angestellte eher nicht.
Der Arbeitgeber delegiert sein Beurteilungsrecht, das existenzielle Auswirkungen auf den Angestellten hat, an dessen Chef. Der ist nicht allmächtig in diesen Fragen, er unterliegt durchaus Kontrollmechanismen: Gesetze und Vorschriften, seine Führung muss wiederum seinen Vorgesetzten zufriedenstellen, die Fluktuation in seinem Bereich darf bestimmte Grenzen nicht überschreiten und Betriebsräte gibt es auch noch. Aber er hat das erste und oft entscheidende Wort in der Frage: Wer ist letztlich ein guter Mitarbeiter? Was der Betroffene darüber denkt, ist sehr deutlich weniger von Belang.
Service für Querleser:
Ein guter Mitarbeiter ist jemand, den sein Chef dafür hält. Und zwar nach dessen eigenen, oft höchst individuellen Maßstäben. Die auch falsch oder sonst wie unvollkommen sein können.
Frage-Nr.: 506: Achtung: Risiko!
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 20/21
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2020-05-15
Ein Beitrag von: