Ist der Uni-Bachelor bei Arbeitgebern nicht beliebt?
Frage
Ich bin soeben mit meinem Bachelor in Wirtschaftsingenieurwesen an der Uni … fertig, Abschluss mit 2,7. Nun bin ich auf Jobsuche und bewerbe mich hauptsächlich als technische Einkäuferin, Vertriebsingenieurin, Projektassistenz usw. Ich bekomme aber hauptsächlich nur Absagen.
Nun bin ich aufgrund einer vorangegangenen Berufsausbildung und einiger zusätzlicher Schuljahre schon 27 Jahre alt und möchte nicht als Frau mit 29 oder 30 Jahren in das Berufsleben starten, da haben andere schon längst an der TU fertig promoviert. Was soll ich machen? Mich weiter bewerben oder in den sauren Apfel beißen und den Master dranhängen?
Antwort
Öffentliche Stellungnahmen zu dem Komplex „Bachelor/Master“ einerseits und „Uni/FH“ andererseits sind für einen Kommentator nicht sehr reizvoll. Das ist schon im Bereich theoretischer Betrachtungen ein „gefährliches“ Thema. Wenn aber Betroffene (wie Professoren, Studenten, und Absolventen) noch ihren Emotionen Raum geben, steht man schnell im kalten Gegenwind.
Ich rechne also hier nicht mit begeisterter Zustimmung aller Leser, wenn ich meine Sicht der Dinge darlege:
Es beginnt mit der schlichten Tatsache, dass der Bachelor-Abschluss einer Universität (im Gegensatz zu dem einer Fachhochschule, die wiederum fast alles tut, um nicht mehr eine solche zu sein) bei den einstellenden Unternehmen nicht besonders beliebt ist.
Daraus folgt als grobe Faustregel: Wer von vornherein mit dem Bachelor aufhören möchte und dann einen Job sucht, ist mit einem FH-Studium sehr gut beraten. Daraus folgt auch: Wenn man schon eine Uni absolviert, dann möglichst bis zum Master-Abschluss.
Das hat ganz sicher mit der Tradition der deutschen Ingenieur-Ausbildung zu tun: Es gab an der Universität nur den hochwertigen Dipl.-Ing. TH/TU/univ., während der FH-Bachelor immerhin Ähnlichkeiten zum früheren Dipl.-Ing. (FH) aufweist. Zum heutigen Uni-Bachelor jedoch gab es nichts Vergleichbares.
Und bevor jetzt jemand stöhnt ob der Wörter „früher“ und „gab“ – es gibt nach wie vor zahlreiche Entscheidungsträger in den Unternehmen, die noch jene „alten“ Studiengänge absolviert haben und die entsprechenden Bezeichnungen tragen. So etwas prägt.
Und: Wenn also schon der Uni-Bachelor nicht sonderlich begehrt ist bei den Unternehmen, dann sind es schwächere Abschlussnoten („befriedigend“) dabei ganz bestimmt nicht. Die Uni gilt immer noch als Institution mit mehr wissenschaftlichem Tiefgang und – vielleicht – etwas höherem Anspruch. Wenn man dort unbedingt hinstrebt, dann also eher bis zum traditionellen Ende (früher Dipl.-Ing. TH/TU/univ., heute Master) gehen – und möglichst nicht mit schwächeren Resultaten nach der „Hälfte“ aufhören. Sich auch nur mit ansatzweise elitären Elementen schmücken zu wollen, hat halt seinen Preis.
Daraus wiederum folgt auch: Ein Uni-Bachelor sollte also möglichst mit gutem Resultat abgeschlossen werden. Dann jedoch greift sofort eine andere Regel, deren Befolgung empfohlen werden kann: Wer einen Bachelor – egal wo – mit gutem Ergebnis abschließt, sollte schon auch noch die zweite Stufe, den Master, anstreben.
Also, geehrte Einsenderin, ein großer Teil Ihrer Probleme liegt in der gebotenen Qualifikation „Uni-Bachelor mit befriedigendem Examen“.
Vielleicht hat Ihnen das vorher niemand so deutlich gesagt. Dann läge die Ursache darin, dass politisch etwas anderes gewollt war, dass enorm viel Staub aufwirbelt, wer auf solche Zusammenhänge hinweist – und dass man von einer Uni nicht gut verlangen kann, Studieninteressenten abzuschrecken mit dem Hinweis: „Meiden Sie uns, wenn Sie hier nur bis Ende der ersten Stufe bleiben wollen.“ Vermutlich darf die Uni das gar nicht, ihre kultusministerielle Aufsichtsbehörde würde ihr schön etwas erzählen. Außerdem endet die Zuständigkeit der Uni mit der Aushändigung einer formschönen Bachelor-Urkunde. Was deren Besitzer damit macht und was man ihn „draußen“ damit machen lässt, ist seine Sache – wir sind ein freies Land.
Eine Einschränkung muss ich an dieser Stelle machen: Erkenntnisse aus der Praxis wie die hier beschriebenen unterliegen keinen festen Gesetzmäßigkeiten, lassen keine Anwendung starrer Formeln zu. Will heißen: Natürlich gibt es Ausnahmen, schon weil die einstellenden Entscheidungsträger in den Unternehmen eine höchst heterogene Gruppe mit starken Abweichungen vom Standard sind.
Und so könnten Sie also durchaus einen älteren Uni-Bachelor mit schwächerem Examen treffen, der nicht nur einen Job gefunden hat, sondern damit auch sehr glücklich geworden ist (Ausnahmen ändern eben nichts an der Gültigkeit einer Regel).
Bei Ihnen, geehrte Einsenderin, kommt noch eine recht große Spreizung Ihrer Zielpositionen hinzu. Zwar mögen sich alle drei Beispiele für eine Wirtschaftsingenieurin eignen, aber es ist kaum denkbar, dass eine Person über alle dort geforderten persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten verfügt. Dann ist auch das Thema der Bachelor-Arbeit zu beachten: Dabei handelt es sich um eine gern genommene Brücke zwischen dem Bewerber und seiner Einstiegsposition. Und auch hier ist es kaum wahrscheinlich, dass ein Thema gleichermaßen gut zu allen drei Zielen passt.
Ich neige dazu, Ihnen trotz des Alters zum Master-Studium zu raten (mit Ihnen „als Frau“ hat das alles nichts zu tun) und wünsche Ihnen als kleinen Ausgleich dabei einen „rundum guten“ Abschluss, mehr Sicherheit bei der Auswahl Ihrer späteren Zielrichtung und ein dazu passendes Thema Ihrer Master-Arbeit.
Service für Querleser
Wer sein Studienziel von Anfang an auf den Bachelor-Abschluss beschränkt, macht mit der Wahl einer FH nichts falsch, er könnte nach einem Uni-Besuch vor Akzeptanzproblemen stehen (die durch eine schwächere Abschlussnote noch verstärkt werden).
Frage-Nr.: 2.958
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 27/28
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2018-07-06
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