Wie komme ich vom Stellvertreter zum Leiter?
Heiko Mell, Karriereberater, klärt auf, was es bedeutet, vom Stellvertreter zum Leiter aufzusteigen und wie dieser Schritt richtig zu interpretieren ist.

Vom Stellvertreter zum Leiter: Der Karriereweg und die Schlüssel zur erfolgreichen Führung.
Foto: PantherMedia / Rangizzz
Frage:
Ich habe Maschinenbau (Master) studiert, bin zwischen 35 und 40 Jahre alt und in der dritten Stelle nach dem Studium, derzeit seit gut zwei Jahren als Projektleiter bei einem größeren Unternehmen tätig.
Vor etwa einem Jahr wurde ich zum Stellvertreter meines Teamleiters ernannt, der neben der disziplinarischen Führung eines größeren Teams am Standort noch zahleiche Mitarbeiter an anderen Orten fachlich führt.
Meine Ernennung bedeutet jedoch lediglich die Vertretung in Abwesenheit meines Chefs, was sich auf einige Wochen jährlich beschränkt. Zunächst war ich sehr zufrieden mit meiner neuen Rolle, doch seit einigen Monaten verspüre ich zunehmend den Wunsch, eine Führungsposition wie die eines Teamleiters zu übernehmen. Ich merke, dass meine Meinung im Kollegenkreis zunehmend Gewicht hat, und es macht mir großen Spaß, nach meiner Einschätzung gefragt zu werden. Zusätzlich bereitet es mir (im Gegensatz zum Studium) mittlerweile Freude, bei Diskussionen, Workshops und Teammeetings eine Moderatorenrolle zu übernehmen.
Nun könnte ich natürlich einfach zufrieden sein und die Situation so belassen, doch leider bin ich etwas ungeduldig. Wie erreiche ich nun die Position, die ich anstrebe?
Die internen Möglichkeiten sind begrenzt, extern wird in den entsprechenden Stellenangeboten bereits disziplinarische Führungserfahrung gefordert. Ein passendes Weiterbildungsprogramm, das meine Qualifikation unterstreichen würde, lässt sich aktuell aufgrund der strikten Sparpolitik nicht realisieren.
Wie kann ich einen potenziellen Arbeitgeber von meiner Qualifikation überzeugen?
Arbeitgeber von der Qualifikation überzeugen
Antwort:
Schauen wir einmal, wie gut Sie für diese Konstellation, die irgendwann zu erwarten war („Der Appetit kommt beim Essen“), vorgesorgt haben:
Basis-Schulbildung unklar, dann Lehre + ein Facharbeiterjahr, anschließend Fachhochschulreife, Bachelor (FH) mit vorzeigbarem Ergebnis, nebenberufliches Masterstudium mit sehr positivem Resultat.
Erstes berufliches Engagement: 5 Jahre als Konstrukteur im Großunternehmen. Zweite Anstellung: 3 Jahre als Planer und Konstrukteur bei einem Weltkonzern. Dritte und heutige Anstellung als Teilprojektleiter bei einem Großunternehmen.
Merkwürdig: Ihr Lebenslauf mit aktuellen Daten sagt nichts über die Stellvertreter-Funktion, das sollten Sie ändern.
Die relevanten Zeugnisse: Das Dokument des ersten Arbeitgebers (gleichzeitig Lehrfirma) ist grundsätzlich gut, aber recht zurückhaltend, ohne Begeisterung geschrieben. Das Zeugnis des Weltkonzerns ist sehr gut, lässt Wärme und Zuneigung erkennen – es ist schade, dass Sie (warum auch immer) diesen positiven Schub dort nicht für einen Aufstieg nutzen konnten.
Mein spontaner Eindruck von Ihrer bisherigen Laufbahn unter Einschluss der frühen Jugendjahre: Das wirkt wie ein zwar leistungsfähiger, aber irgendwie schwer „auf Touren“ zu bringender Motor. Nachdem Sie in der Vergangenheit viel Zeit verbraucht haben, fordern Sie nun plötzlich und irgendwie unmotiviert den beruflichen Fortschritt – und zwar sofort.
Meine Einschätzung: Ihre berufliche frühe Vergangenheit hat Zeit und sicher auch Chancen in der Persönlichkeitsbildung gekostet – aber seit Eintritt in den Weltkonzern läuft es spürbar besser. Das entspricht der so gesuchten „positiven Tendenz“, ich sehe für Ihre weitere Entwicklung gute Chancen.
Aber: Sie waren bei Arbeitgeber Nr. 2 nur drei Jahre und das ohne internen Fortschritt. Sie sind jetzt seit gut zwei Jahren beim heutigen Arbeitgeber, dort läuft es gut, Sie haben vor einem Jahr Ihre erste kleine Beförderung erhalten. Riskieren Sie die sich langsam konsolidierende berufliche Basis nicht durch eine plötzlich ausbrechende Kombination von Ungeduld und Ehrgeiz (hätten Sie diese Symptome gezeigt, als Ehrgeiz in der Schule anstand, könnten Sie heute weiter sein – ich kritisiere nichts, ich bewerte nur Fakten).
Mein Rat: Planen Sie vier bis fünf Jahre beim heutigen Arbeitgeber ein, damit wächst auch Ihre Praxis im Führungsbereich – und wenn es nur in stellvertretender Funktion ist, es zählt! Mit dieser Ernennung hat Ihr Arbeitgeber Ihnen nicht nur sein besonderes Vertrauen in Anerkennung von Leistung, Persönlichkeit und Potenzial ausgesprochen, Sie sammeln auch als Stellvertreter bereits nach und nach Führungspraxis (Sie müssen ja in späteren Bewerbungen nicht unnötig nur von „wenigen Wochen Abwesenheitsvertretung“ sprechen), Sie könnten ja auch einen Chef haben, der öfter auf längeren Auslands-Dienstreisen ist etc.
Außerdem: In einer halbwegs geordneten Organisation ist der Chef gehalten, seinen ernannten Stellvertreter stets über alles zu informieren und ihn in seine Entscheidungen einzubeziehen. Er ist Ihre Bezugsperson, weniger Ihre Kollegen.

Karriereberater Heiko Mell.
Ernennung zum Stellvertreterist positiv
Bei der Gelegenheit zum Grundsätzlichen dieser speziellen Funktion: Die Ernennung zum Stellvertreter ist eine positive Aussage des Arbeitgebers über die Person des betroffenen Mitarbeiters. Aber sie ist keine Festlegung des Unternehmens im Hinblick auf die mögliche Nachfolge des Chefs.
Gleichzeitig wird in der Laufbahn des nun ernannten Stellvertreters eine Art Signallampe angezündet: Es geht los, dies ist der erste kleine Schritt auf dem Weg weiter nach oben. Und dann kommt es darauf an, was der betroffene Mitarbeiter daraus macht: Nach spätestens etwa fünf Jahren erwartet man, dass der Stellvertreter diese leicht geöffnete Tür energisch ganz aufgestoßen hat und sich in- und extern eine „richtige“ Führungsposition erkämpft hat. Falls nicht, ist der Effekt verpufft, dann hat in dem Mitarbeiter das „Feuer“ nicht hell genug gebrannt, das er für einen weiteren Aufstiegsweg gebraucht hätte. Auch das wäre dann ein Signal.
Es ist als hätte jemand laut und deutlich A gesagt (der Arbeitgeber mit der Ernennung) – und man erwartet, nun im Lebenslauf zu sehen, dass auch jemand B sagt (der identische oder ein anderer Arbeitgeber, der Sie „richtig“ beruft).
Ihnen, geehrter Einsender, muss man im Moment keinen zusätzlichen Schub geben, Ihnen wäre eher zu einem vorsichtigen Tritt auf die Bremse zu raten.
Ein Beitrag von: