Beratung 31.08.2016, 00:00 Uhr

Ingenieurberuf : Familie oder Karriere – geht auch beides?

Die Ergebnisse aus aktuellen Studien machen es deutlich: Aus dem Alleinverdiener-Leitbild wird das Doppelverdiener-Ideal. Das am häufigsten gewählte Modell heute ist die Vollzeittätigkeit des Vaters in Kombination mit der teilzeittätigen Mutter. Soweit die Statistik.

Baby Laptop Familienszene

Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen ist oft nicht leicht. Vor allem in der Pandemie und Belastungen im Homeoffice. Finanzielle Abhilfe schafft der Kinderbonus.

Foto: panthermedia.net/IgorTishenko

Die Ergebnisse aus aktuellen Studien machen es deutlich: Aus dem Alleinverdiener-Leitbild wird das Doppelverdiener-Ideal. Im gleichen Maße wie immer mehr Menschen eine Doppelerwerbstätigkeit von Mann und Frau befürworten, sinkt die Bereitschaft der Frauen wegen der Kinder auf eine eigene Berufstätigkeit zu verzichten.  Im Jahr 2008 waren 70 % der Bundesbürger der Auffassung, dass es besser sei wenn nur einer arbeitet und der andere die Erziehung übernimmt. Heute vertreten nur noch 52 % der Bevölkerung diese Meinung. Das am häufigsten gewählte Modell heute ist die Vollzeittätigkeit des Vaters in Kombination mit der teilzeittätigen Mutter. Soweit die Statistik.

Die Betreuung der Kinder ist nach wie vor schwierig

In der Praxis ist das, was von den meisten Eltern gewünscht wird, oft gar nicht so einfach. Noch immer ist die Ganztages- oder gar Ganzjahresbetreuung der Kinder nicht umfassend geregelt. Wenn beide Eltern arbeiten, müssen die Erzieher(Innen) stärker in die Erziehung des Kindes einbezogen werden, das ist sicher auch einer der Gründe dafür, warum der Qualifikations- und Qualifizierungsanspruch an Erzieherinnen erheblich gestiegen ist. Da der Beruf der Erzieherin/des Erziehers keinen großen finanziellen Anreiz bei hoher Verantwortung bietet, wird es in Zukunft sicher zu erheblichen Personalengpässen kommen. Schon im ersten Halbjahr dieses Jahres waren etliche Ingenieurinnen und Ingenieure – und nicht nur sie – durch die Streiks in den Kindergärten und in offenen Ganztagsbetreuungen vor eine organisatorische Herausforderung gestellt. Allerdings – und das ist erst einmal erfreulich – haben Eltern seit 1. August diesen Jahres einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für ein- bis dreijährige Kinder. Die Kitaplätze für Fachkräfte scheinen die neue Währung bei der Suche nach einem geeigneten Stellenangebot zu sein.

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Die Halbtagsbeschäftigte muss mit hohen finanziellen Einbußen rechnen

Ich kann mich gut an die Zeit erinnern, als ich nach der Geburt meines Sohnes wieder zu arbeiten begonnen habe. Meinen Job, in dem ich zuvor Handlungsvollmacht gehabt hatte, war nicht in vier Stunden zu machen und so musste ich mir in einem neuen Unternehmen eine Halbtagsstelle suchen. Ich begann als „Marketing-Assistentin“ und das hörte sich zunächst einmal gut an. Die Realität war aber ernüchternd, denn ich tat nichts anderes als Mini-Inserate für Zeitungen schreiben, Standardbriefe nach Beanstandungen und Produktproben versenden. Keine große Herausforderung, keine Verantwortung und was als Verheiratete bei Steuerklasse 5 und nach Abzug der Kosten für den Beitrag des privaten Kindergartens am Monatsende übrig blieb, reichte gerade für eine neue Handtasche. Familie und Job, ja, das war machbar. Familie und Karriere, das lag in weiter Ferne. Immerhin, so redete ich mir die Situation schön, sorgte ich dafür, im Arbeitsprozess zu bleiben. Es sollte also nicht so schwierig sein, wieder eine anspruchsvollere Aufgabe zu bekommen, wenn das Kind erst älter wäre.  Aber so lange hielt ich gar nicht durch.

Die Möglichkeit der freien Zeiteinteilung hilft

„Frau Eickenberg, wir haben heute noch eine ganz wichtige Werbeaktion, die fertig werden muss, können Sie mal länger bleiben?“ Solche und ähnliche Fragen trieben mir regelmäßig den Schweiß auf die Stirn, denn eigentlich konnte ich nicht wesentlich länger bleiben, wenn ich es rechtzeitig zur Abholung meines Sohnes schaffen wollte und nicht riskieren, mit der Erzieherin Ärger zu bekommen. Andererseits konnte ich aber auch nicht so oft das Argument „Kind“ bringen, denn es hatte mich schon einiges an Überzeugungskraft gekostet, als Mutter eines kleinen Kindes diese Stelle überhaupt zu bekommen. Ich hatte wiederholt versichert, dass mein Kind ja bestens betreut werde und ich überhaupt keine Engpässe hätte. Dies und die Tatsache, dass mich der Job immer weniger ausfüllte, sorgten dafür, dass ich einen anderen Weg ging, den in die Selbstständigkeit. Ein etwas freieres Arbeiten hatte ich damit immerhin erreicht und meine Arbeit machte mir jetzt auch wieder Spaß, aber was blieb, war die finanzielle Unsicherheit und die Frage, ob denn die Handtasche am Ende des Monats noch drin wäre?! Trotzdem glaube ich heute, dass es für viele Menschen, die Job und Familie unter einen Hut bringen wollen, ein guter Weg sein kann, als Freiberufler oder als fester Freier für ein Unternehmen zu arbeiten, zumindest dann, wenn die Existenzsicherung durch den Partner gewährleistet ist. Viele Unternehmen bieten auch die Möglichkeit, zumindest teilweise vom Home-Arbeitsplatz aus zu arbeiten.  Ob das für Sie als Ingenieur funktioniert, hängt sicher stark von Ihrer Tätigkeit ab. Wenn Sie in der Entwicklung, der Qualitätskontrolle, der Konstruktion oder vergleichbaren Bereichen tätig sind, ist Ihre Präsenz am Firmenarbeitsplatz genauso selbstverständlich wie wenn Sie hauptsächlich Projektarbeit machen.

Mehr Stress in den Familien

Familie und Job unter einen Hut zu bekommen, mag noch gelingen, aber beidem zu 100 % gerecht zu werden und sich dabei auch noch eigene Bedürfnisse zu erfüllen, ist und bleibt ein Balanceakt. Eine großangelegte Studie der AOK im Jahr 2014 hat ergeben, dass die meisten Deutschen mit ihrem Familienleben zufrieden sind, aber fast die Hälfte der Eltern fühlt sich gestresst. Als wichtigsten Grund für den permanent ansteigenden Stresspegel ermittelten die Experten, dass in diesen Familien beide Partner erwerbstätig waren. Der Stress der Eltern überträgt sich auf die Kinder und so haben Eltern, die unter permanentem Zeitdruck stehen, häufig Kinder mit Gesundheitsproblemen. Hinzu kommen die Herausforderungen für die Partnerschaften. Die Rollen müssen vollkommen neu definiert werden und meistens fühlt sich der teilzeiterwerbstätige Partner in seiner Doppelaufgabe aus Job und Kindererziehung nach kurzer Zeit völlig überfordert, was er wiederum dem Partner, der ganztägig arbeitet, unbewusst oder auch bewusst, vorwirft.

Es wird für die meisten Familien in Zukunft kaum noch möglich sein, mit nur einem Gehalt zu leben, aber es wird noch lange dauern bis beide Partner gleichermaßen Karriere machen können. Solange wird es allenfalls einem gelingen und der andere wird ihm wie bisher weitgehend den Rücken freihalten müssen. In den Köpfen vieler Chefs, die die zum Teil ja selbst Väter sind, scheint noch nicht angekommen zu sein, dass die Flexibilität einer allein erziehenden Ingenieurin eingeschränkt ist – jedenfalls so lange bis die von der Politik geforderte Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und für Männer gleichermaßen gilt.

Tipp:

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Sabbatical: Die Auszeit vom Beruf

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Ein Beitrag von:

  • Renate Eickenberg

    Renate Eickenberg ist Coach, Beraterin sowie Autorin. Sie prüft für Ingenieure und Ingenieurinnen Bewerbungsunterlagen und gibt in Ihren Artikeln Karrieretipps.

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