Bewerbungsunterlagen im Check 07.12.2012, 01:00 Uhr

Jeder Ingenieur hat einen Anspruch auf ein faires Arbeitszeugnis

In der Theorie ist es leicht: Jeder Ingenieur kann auf ein faires Arbeitszeugnis bestehen. In der Praxis muss er schwierige Formulierungen jedoch zunächst finden und im zweiten Schritt eine Änderung durchsetzen. Zudem kann es sinnvoll sein, in den Bewerbungsunterlagen offen auf Schwächen im Arbeitszeugnis hinzuweisen.

Beim Arbeitszeugnis sollten Sie genau auf die Formulierungen achten. Foto: panthermedia.net/AndreyBezuglov

Beim Arbeitszeugnis sollten Sie genau auf die Formulierungen achten.

Foto: panthermedia.net/AndreyBezuglov

Schon ein einzelnes Arbeitszeugnis kann für Bewerbungen problematisch sein. Das zeigt das Beispiel des Ingenieurs Klaus. Er ist ratlos, er hat schon so viele Bewerbungen abgeschickt und bisher nur Absagen bekommen, deshalb bittet er mich um einen Bewerbungscheck, bei dem ich gleich sehe, wo der Hase im Pfeffer liegt. Sein Anschreiben ist ein bisschen konventionell, damit hebt er sich nicht von anderen ab. Dafür ist aber der Lebenslauf schön gestaltet, das Foto professionell und er kommt sympathisch rüber. Ich schaue die Zeugnisse durch und auch sie sind in Ordnung, alle – bis auf eins.

Der letzte Arbeitgeber ist offensichtlich mit Klaus und seinen Leistungen nicht zufrieden gewesen oder es hat Probleme im persönlichen Bereich gegeben und der letzte Arbeitgeber hat seinen Unmut in das vermeintlich gute Arbeitszeugnis des Ingenieurs einfließen lassen. Ich sprach Klaus darauf an, und er war sich tatsächlich nicht bewusst, dass sein Arbeitgeber ihm ein eher schlechtes Zeugnis ausgestellt hatte. Hier ist nun guter Rat teuer, denn ein Zeugnis kann zwar nachverhandelt werden, aber ist es – wie in Klaus´ Fall – erst einmal akzeptiert worden, dann ist die Kontaktaufnahme mit dem letzten Arbeitgeber, rechtlich gesehen, eher ein Bittgesuch.

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Offenheit kann ein Arbeitszeugnis entkräften

In einem Coaching haben wir uns einmal entschieden, den Stier bei den Hörnern zu packen. In diesem Fall hatte der Ingenieur kein schlechtes Arbeitszeugnis bekommen, sondern die fristlose Kündigung nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit. Wir schrieben: „In meinen zwanzig Jahren Betriebszugehörigkeit habe ich einmal einen Fehler gemacht und meinen Chef menschlich enttäuscht. Wenn Sie glauben, dass jeder eine zweite Chance verdient hat, dann freue ich mich auf Ihre Einladung zu einem Gespräch, in dem ich Ihnen gerne offenlege, was zu meiner Kündigung geführt hat.“

Der von mir gecoachte Ingenieur war erst skeptisch und hätte den Umstand der fristlosen Kündigung weiterhin lieber irgendwie verschleiert. Da er damit aber nicht weitergekommen war, folgte er meinem Vorschlag, mit dem Resultat, dass er von nun an als hochqualifizierter Mann eingeladen wurde und eines der Unternehmen ihm auch eine Stelle anbot, die höher dotiert war als seine bisherige. Seine Offenheit und Ehrlichkeit wurden ihm dort als Stärke angerechnet. So könnte auch der Ingenieur Klaus mit seinem Arbeitszeugnis umgehen und offensiv schreiben, dass die Chemie zwischen ihm und seinem Vorgesetzten nicht gestimmt hat.

Jeder Ingenieur hat Anspruch auf ein faires Arbeitszeugnis

Mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch erhielt jeder Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf ein wahres und vollständiges Arbeitszeugnis. Welche Wertung nun im Detail in einem Arbeitszeugnis steht, vermag kaum ein Ingenieur auf Anhieb zu erkennen. Denn nahezu jede wertende Aussage klingt dort positiv, manche sogar übertrieben positiv. Woher soll der gutgläubige Arbeitnehmer wissen, dass sein Chef den nachfolgenden Arbeitgeber darüber informiert hat, dass er an Streiks teilgenommen hat, wenn im Zeugnis nur steht: „Er zeigte stets Engagement für Arbeitnehmerinteressen außerhalb der Firma.“

Oder dass ihm sexuelle Kontakte im Kollegenkreis attestiert werden allein durch die Formulierung: „Für die Belange der Belegschaft bewies er immer Einfühlungsvermögen.“ Solche Formulierungen im Arbeitszeugnis eines Ingenieurs entstammen keiner „Geheimsprache“ der Arbeitgeber, sondern sind die Folge einer Rechtsprechung, die dem Schutz des Arbeitnehmers dient. Der Bundesgerichtshof stellte in einem Urteil vom 26. November 1963 klar, dass der Arbeitgeber aufgrund seiner „auch über das Ende des Dienstverhältnisses hinausweisenden sozialen Mitverantwortung“ verpflichtet sei, das Zeugnis nicht nur der Wahrheit entsprechend, sondern auch mit verständigem Wohlwollen abzufassen.

Für Ingenieure auf Managementebene hat das Arbeitszeugnis die größte Bedeutung

Der Arbeitgeber soll dem Arbeitnehmer das berufliche Weiterkommen nicht ungerechtfertigt erschweren, ihm nicht schaden wollen. Allerdings gibt das BGH-Urteil auch vor, dass eine unzweifelhaft und vollständig schlechte Leistung auch mit der Note mangelhaft bewertet werden soll, denn der Wahrheitsaspekt wiegt schwerer als das Wohlwollen. Wenn im Gesamteindruck Leistungsschwächen einen eher geringen Umfang ausmachen, sollte der Arbeitgeber im Arbeitszeugnis „ein Auge zudrücken“.

Bitten Sie also – auch wenn sie nicht ganz in Harmonie von ihrem Arbeitgeber scheiden – immer um ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, das Ihre Leistung als Ingenieur und Ihr Verhalten bewertet. Die Bedeutung von Arbeitszeugnissen steigt mit den Anforderungen an den Stelleninhaber und der Qualifikation. Im mittleren Management haben Zeugnisse die größte Bedeutung, oberhalb dieser Hierarchieebene sinkt die Bedeutung des Zeugnisses wieder – bei einem Jahreseinkommen ab 200.000 Euro ist es praktisch bedeutungslos.

Durch sorgfältiges Lesen Doppeldeutigkeiten im Arbeitszeugnis erkennen

In den inzwischen kursierenden „Geheimcode-Listen“ tauchen immer wieder Formulierungen auf, deren Doppeldeutigkeit sich letztlich selbst erklärt. Steht im Arbeitszeugnis zum Beispiel, ein Ingenieur habe seine Aufgaben „immer ordnungsgemäß“ erledigt, dann klingt das zugegebenermaßen wenig euphorisch und erweckt den Eindruck bloßer Pflichterfüllung.

Dies nun aber zu übersetzen mit „Bürokrat ohne Eigeninitiative“ ginge als Interpretation zu weit und ist auch nur dadurch zu erklären, dass wir eine preußisch-störrische Bedeutung des Wortes „ordnungsgemäß“ zugrunde legen, die in unserem Empfinden einen etwas negativen Beigeschmack hinterlässt. Allerdings kann auch eine solche Formulierung im Arbeitszeugnis eine hohe Aussagekraft haben, wenn sie durch andere Formulierungen gestützt wird.

www.schmidt-partner-solingen.de

 

Ein Beitrag von:

  • Renate Eickenberg

    Renate Eickenberg ist Coach, Beraterin sowie Autorin. Sie prüft für Ingenieure und Ingenieurinnen Bewerbungsunterlagen und gibt in Ihren Artikeln Karrieretipps.

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