Berufliche Neuorientierung 01.03.2013, 01:00 Uhr

Karriere als Ingenieur: Eine Kündigung für einen Neustart nutzen

Eine Kündigung ist für jeden Ingenieur ein Schock. Im Anschluss folgen aber die Phasen der Wut und der Akzeptanz, die verbunden sind mit dem Wunsch nach Aktivität. Gleichzeitig bietet diese Situation die Chance, Beruf und Privatleben auf den Prüfstand zu stellen. Aus eine Kündigung kann daher viel Gutes entstehen, wenn Sie es richtig anpacken.

Eine Kündigung kann den Anstoß zum lange nötigen Neustart geben!

Eine Kündigung kann den Anstoß zum lange nötigen Neustart geben!

Foto: panthermedia.net/Digitalpress

Michael kehrt in sein Büro zurück und lässt sich auf seinen Stuhl fallen. Reglos, fast paralysiert, starrt er vor sich hin. In seinem Kopf kreisen die Gedanken – Kündigung! Wie kann es sein, dass ihm sein Chef, mit dem er sich – von einigen kleinen Meinungsverschiedenheiten abgesehen – gut verstanden hat, gekündigt hat. Gerade ihm, der seit Jahren dem Unternehmen die Treue hält, damals, mit dem Einstieg ins Unternehmen, sogar einen Umzug nach Süddeutschland in Kauf genommen hat. Sicher, die Zahlen waren in letzter Zeit nicht überragend gewesen, aber seine Leute hatten ihr Bestes gegeben.

Michael hasste diese Sklaventreiber, die ihre Mannschaft permanent unter Druck setzten, und war auch selbst nie einer geworden. Er war der Meinung, dass gute Leistungen durch Lob und nicht durch Kritik und Dauerdruck zu erreichen waren, und so hatte er die augenblickliche Situation zwar als kritisch, aber nicht wirklich als beängstigend betrachtet. Höhen und Tiefen hatte es in dieser Branche schon immer gegeben. Und jetzt also die Kündigung? Das konnte doch alles nur ein Irrtum sein, ob sein Chef sich das überhaupt richtig überlegt hatte?

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Ein Ingenieur erlebt bei einer Kündigung ähnliche Phasen wie bei einer Trennung

Während er zu packen begann, war er sich sicher, dass er schon morgen einen Anruf bekommen und sein Chef seinen Irrtum zugeben würde. Natürlich wird dieser Anruf nicht kommen, weder am nächsten noch an einem anderen Tag, aber diese Hoffnung ist Teil des Nicht-Wahrhaben-Wollens. Tatsächlich durchläuft man bei einer Kündigung ähnliche Phasen wie bei einer Trennung von seinem Ehepartner nach vielen gemeinsamen Jahren.

Kein Wunder, denn wie Michael verbringen viele Menschen mehr Zeit am Tag im Büro, mit Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kollegen, als mit ihrer Frau und ihren Kindern. Da entsteht einfach eine intensive Beziehung, auch dann, wenn die Arbeit selbst nicht an jedem Tag Spaß macht. Jede Art von Trennung ist ein einschneidendes Erlebnis und so ist es beinah „natürlich“, dass die erste Phase der Kündigung für den Ingenieur begleitet wird von einem Schock.

Schock ist die erste Reaktion des Ingenieurs auf die Kündigung

Gerade Ingenieure in gehobenen Positionen, die hohe Verantwortung hatten, fühlen sich bei einer Kündigung gedemütigt, „vom Thron“ gestoßen. Sie empfinden die Kündigung als ungerecht, fühlen sich aber machtlos, gegen diese Entscheidung etwas tun zu können. Sie sind in ihrem Stolz verletzt, fühlen sich mitunter sogar ausgenutzt, falsch beurteilt und empfinden das Verhalten des Chefs als Undankbarkeit.

Diese Gefühle führen unweigerlich zur nächsten Phase, der Trauer. Diese Phase dauert häufig am längsten und ihre Intensität ist davon abhängig, was man nun als Nächstes tut. Beschließt man, noch einmal ins Unternehmen zurückzukehren und sich von allen, die einem wichtig sind, zu verabschieden? Eine nachvollziehbare Entscheidung, aber einen Gefallen tut man sich damit bei einer Freistellung nicht. Die Situation ist für alle schwierig, die „ehemaligen“ Kollegen oder Mitarbeiter, die wegen der Kündigung betroffen oder verlegen sind, wissen nicht so recht, wie sie sich verhalten sollen, außerdem kommt man sozusagen als Besucher ins Unternehmen. Kein gutes Gefühl!

Die Kündigung ist für den Ingenieur auch mit Wut verbunden

Je nach Temperament bahnt sich nach einer Kündigung für den Ingenieur die nächste Phase an: Wut. Das lasse ich mir nicht gefallen! Wie oft habe ich auch am Wochenende gearbeitet! Nein, das kann man mit mir nicht machen! Diese Wut kann dazu führen, dass eine Trotzhaltung entsteht, die wiederum zu kämpferischen Aktionen wie einem Arbeitsprozess führen kann. Dabei stellt man sich oft gar nicht die Frage: Will ich zu diesem Unternehmen, das mich nicht mehr will, tatsächlich zurück oder will ich nur Rache oder eine Form von Genugtuung? Welches auch immer die Motive sind – der Weg ist immer ein schwerer, denn man wird sich über Wochen mit Negativem auseinandersetzen müssen.

Das Gute an dieser Phase der Kündigung: Der Ingenieur ist wieder handlungsfähig, denn Wut setzt Tatenergie frei, wenn sie nicht von zu viel Bitterkeit begleitet wird. Diese Wut lässt sich wunderbar nutzen, um sich nun körperlich zu bewegen. Ob das Sport ist, bei dem man sich verausgabt, oder eine große Aufräumaktion im häuslichen Bereich. Sport ist für das gesamte Herz-Kreislauf-System gut und setzt die sogenannten Glückshormone frei, während das Aufräumen dem alten Prinzip Rechnung trägt: wie außen, so innen. Über das Herstellen von äußerer Ordnung (sortieren, wegräumen, wegschmeißen) sortieren sich auch die Gedanken, und man sieht wieder klarer.

Am Ende akzeptiert der Ingenieur die Kündigung

Bevor der Ingenieur mit der Akzeptanz die letzte Phase der Kündigung erreicht, kann es allerdings durchaus passieren, dass er durch irgendeinen Auslöser die eine oder andere Phase oder gar alle drei noch einmal durchläuft oder dass es Tage gibt, an denen er praktisch alle vier Phasen hintereinander erlebt oder zwischen ihnen hin- und herschwankt. Ist die Akzeptanz aber tatsächlich erreicht, stellt sich nach den starken Gefühlen wie Enttäuschung, verletzte Eitelkeit oder Wut nun die Fähigkeit des rationalen Denkens wieder ein.

Der Ingenieur erkennt diese Phase der Kündigung daran, dass man über das Unternehmen oder seine Tätigkeit reden kann, ohne zu verkrampfen oder dieses Reden darüber als schmerzhaft zu empfinden. Er wünscht dem Chef, der die Kündigung ausgesprochen hat, nicht mehr „die Pest an den Hals“, sondern ist in der Lage, ihn auch nur als Teil eines Systems zu sehen, das einem in verschiedenen Situationen keine Wahl lässt. Aus der Annahme der Situation wächst nun langsam, aber stetig die Neuausrichtung. Der Ingenieur überdenkt seine Lage, ist bereit das Alte und Gewohnte loszulassen und sich auf etwas Neues einzulassen.

Die Kündigung sollte ein Ingenieur zur Analyse seiner Wünsche nutzen

Für manch einen Ingenieur ist diese Phase der Kündigung eine Zeit höchster Kreativität, denn nun hat er ja endlich einmal Zeit, in Ruhe zu überlegen, was er mit seinem beruflichen, manchmal auch einhergehend mit dem privaten, Leben anfangen will. Ist die Zeit nicht reif, sich einmal einen alten Traum zu erfüllen? Vielleicht war er zum Schluss auch nicht mehr gar so glücklich mit den immer gleichen Prozessen im Unternehmen? Sollte er sich nicht trauen, einmal ganz andere Wege zu gehen? Wie auch immer, man ist auf dem Weg: Auf zu neuen Horizonten!

Wir wissen nicht, welche Phase der Kündigung der Ingenieur Michael gerade erlebt, aber eines wissen wir: Er wird jede einzelne dieser Phasen durchleben, und es wird – so sehr er sich das auch wünschen mag – keine Abkürzung geben. Jeder Abschied verläuft nach diesem Schema und den einzigen Fehler, den der Betroffene machen kann, ist, die Gefühle wie Traurigkeit, Ohnmacht oder Wut zu verleugnen. Gerade das Durchleben aller vier Phasen führt letztendlich zur Klarheit, zur Erneuerung und zur Stärke.

Eine Kündigung kann für einen Ingenieur eine positive Entwicklung mit sich bringen

Gesteht man sich selbst nicht zu, als Ingenieur nach einer Kündigung durch diese Talsohle zu gehen, versteinern all diese unterdrückten Gefühle und führen zu Betonklötzen, die in dauerhafte Bitterkeit führen. Eine Kündigung ist und bleibt ein einschneidendes Erlebnis, aber sie kann eine Weichenstellung sein, die zu einer Rundumerneuerung führt und neue Chancen bietet, die sich ansonsten niemals aufgetan hätten. Insofern kann der vermeintliche „Karriereknick“ durchaus ein „Karrierekick“ sein, der einem persönlich mehr bringen kann als ein Eintauschen des einen Jobs gegen einen anderen.

Vielleicht ist die Personalberaterin, mit der Michael ein Gespräch führt, die Frau seines Lebens? Vielleicht hat er nun die Gelegenheit, in eine Region umzuziehen, die ihm besser gefällt als die, in der er zuletzt gelebt hat? Wenn er in der Akzeptanzphase mit offenen Augen und Ohren durch die Welt läuft, kann es sein, dass er schon bald sagen wird: Was Besseres als die Kündigung hätte mir nicht passieren können! Wahrscheinlich wird es genauso so sein – bei Michael und bei allen, die sich entschließen aus Scherben ein Kunstwerk zu bauen.

Die Kündigung ist für jeden Ingenieur auch ein Neuanfang

Am Ende bewahrheitet sich auch nach einer Kündigung für einen kompetenten Ingenieur der alte Spruch: Hinfallen ist gar nicht schlimm, nur das Liegenbleiben! „Und plötzlich ist es vorbei“, ja, das kann heute jedem von uns passieren, die Sicherheit, die wir uns alle so sehr wünschen, gibt es schon lange nicht mehr – in keinem unserer Lebensbereiche. Aber jeder Abschied ist ein Neuanfang, der umso besser gelingt, je eher wir bereit sind, ihn selbst zu gestalten.

Ein Beitrag von:

  • Renate Eickenberg

    Renate Eickenberg ist Coach, Beraterin sowie Autorin. Sie prüft für Ingenieure und Ingenieurinnen Bewerbungsunterlagen und gibt in Ihren Artikeln Karrieretipps.

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