Lange Betriebszugehörigkeit: Vorteile und Nachteile
Eine lange Betriebszughörigkeit war einst die Regel. Heute wechseln die meisten häufiger den Arbeitgeber. Doch eine längere Betriebszugehörigkeit kann sich auszahlen. Wie sie berechnet wird und wie sie sich auswirkt.
Motivation für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, lange zu bleiben, war einst die Berechenbarkeit des Arbeitgebers. Vor wenigen Jahrzehnten galt: Wenn das Unternehmen nicht in tiefrote Zahlen rutschte oder der Betreffende es unterließ, die berühmten „goldenen Löffel“ zu stehlen, war der Arbeitsplatz fast genauso sicher wie der bei einer Behörde. Angst um die berufliche Zukunft musste sich so gut wie niemand machen und so war eine lange Betriebszughörigkeit fast ein Selbstläufer.
Insbesondere Großunternehmen boten alle Voraussetzungen für eine lange Betriebszughörigkeit. Heute sieht die Arbeitswelt anders aus. Große Dankbarkeit können Mitarbeiter für eine lange Betriebszugehörigkeit nur in den seltensten Fällen erwarten. Was zählt, sind oft nackte Zahlen. Wenn die nicht ins Businesskonzept passen, werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bisweilen unvorbereitet überrascht. Manche unterschreiben dann zu schnell und blauäugig einen vermeintlich attraktiven Aufhebungsvertrag – das böse Erwachen folgt später.
Lange Betriebszugehörigkeit: Was sind die Nachteile?
Nach langer Betriebszugehörigkeit bei einem Unternehmen sind viele Mitarbeiter in die nur bedingt attraktive Altersklasse 40Plus und die unattraktive Altersklasse 50Plus geraten. Von Ingenieurknappheit ist für diese Altersklassen nur in wenigen Ausnahmen die Rede. Lange Verweilzeiten führen zudem häufig zu einer unterdurchschnittlichen Gehaltsentwicklung, was der Arbeitsmarkt gleichfalls nicht als Attraktivitätssignal interpretiert. Zweifel an den Qualifikationen solcher Kandidaten kommen auf.
Arbeiteten die Kandidaten andererseits in Unternehmen oder Branchen, die ihr Personal mit weit überdurchschnittlichen Gehältern und sonstigen Kleinigkeiten verwöhnen, entstehen gleichfalls Zweifel, ob man diese ans Plüschsofa gewöhnten und saturierten Kandidaten nochmals zu Höchstleistungen trotz Gehaltseinbußen motivieren kann?
Die Tuchfühlung zum Arbeitsmarkt geht verloren
Zudem geht bei sehr langer Betriebszugehörigkeit die Tuchfühlung zum Arbeitsmarkt verloren.
Da nie die Notwendigkeit bestand, sich mit dem Arbeitsmarkt auseinanderzusetzen, haben die Betreffenden teilweise völlig unrealistische Vorstellungen über die eigene Attraktivität am Arbeitsmarkt. Gern erinnert man sich an den schnellen Bewerbungserfolg, als man vor langer Zeit den jetzigen Arbeitgeber fand und überträgt diese Erfahrungen in die Gegenwart. Die Folge ist ein sehr selektives Vorgehen am Arbeitsmarkt.
Da glaubt ein Mitarbeiter aus dem technischen Marketing eines Großkonzerns und Weltmarktführers aufgrund seiner Qualifikationen auch besonders interessant zu sein für andere Arbeitgeber. Entsprechend wählerisch und mit einem Hauch von Arroganz tritt er auf. Schnell kommt es zur Ernüchterung, was nicht verwundert bei seiner langen Betriebszugehörigkeit.
Mehr als 10 Jahre Betriebszugehörigkeit wirken statisch
Eine lange Betriebszugehörigkeit von über zehn Jahren in der letzten Position am gleichen Standort des Unternehmens wirkt erschreckend statisch. Daraus resultiert ein hoher Spezialisierungsgrad und in gewisser Weise eine negative Form von Routine. Kurzum, es gibt viele Fragezeichen was Flexibilität, Lernfähigkeit und Mobilität dieses Kandidaten betrifft.
Auch die Tatsache, dass sich solche Ingenieure in Folge ihrer langen Betriebszugehörigkeit schon lange nicht mehr in neue Aufgabenumfelder und Unternehmen einarbeiten mussten, führt zu einem hohen Einstellungsrisiko. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in der Probezeit scheitern, gilt als nicht unerheblich. Was schafft Abhilfe? Lange Verweilzeiten, die oben ausgeführte Klischees provozieren, sollten vermieden werden. Wer länger als fünf Jahre bei einem Arbeitgeber bleibt, sollte sich hin und wieder fragen, warum er das tut.
Ist die lange Betriebszugehörigkeit ein Folge von Bequemlichkeit, kann es später gefährlich werden. Werden dagegen bei dem gleichen Arbeitgeber immer wieder neue berufliche Herausforderungen angenommen, sieht das Ganze im Lebenslauf anders aus. Wer nach langer Frist wieder auf Jobsuche ist, sollte sich umfangreich und aus verschiedenen Quellen über den aktuellen Arbeitsmarkt, seinen Marktwert, die üblichen Bewerbungswege etc. informieren und danach eine systematisch geplante Bewerbungsaktion am Arbeitsmarkt vortragen.
Vorteile einer langen Betriebszugehörigkeit
Eine lange Betriebszugehörigkeit kann ein gutes Argument bei Gehaltsverhandlungen oder dem Wunsch nach einer Beförderung sein. Denn Sie beweisen Loyalität und stehen offenbar hinter dem Unternehmen, für das Sie arbeiten.
Auch potentiellen neuen Arbeitgebern signalisieren Sie: Ich bin nicht sprunghaft, sondern verlässlich.
Kündigungsfristen verlängern sich
Grundsätzlich gilt für Kündigungsfristen:
- Die Kündigungsfrist ergibt sich entweder aus dem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder aus dem Gesetz (§ 622 BGB).
- Dabei gilt grundsätzlich: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können mit einer Frist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats kündigen. Die Frist kann nicht vertraglich verkürzt, aber verlängert werden.
- Die Kündigungsfrist, die für den Arbeitgeber gilt, ist von der Dauer der Beschäftigung des Arbeitnehmers abhängig. Also: Je länger die Betriebszugehörigkeit, desto länger die Kündigungsfrist, die der Arbeitgeber einhalten muss.
Folgende Fristen gelten:
Zugehörigkeit | Frist |
Bis 6 Monate | 2 Wochen |
Bis 2 Jahre | 4 Wochen zum 15. oder zum Ende des Kalendermonats |
Ab 2 Jahre | 1 Monat zum Ende des Kalendermonats |
5 Jahre | 2 Monate zum Ende des Kalendermonats |
8 Jahre | 3 Monate zum Ende des Kalendermonats |
10 Jahre | 4 Monate zum Ende des Kalendermonats |
12 Jahre | 5 Monate zum Ende des Kalendermonats |
15 Jahre | 6 Monate zum Ende des Kalendermonats |
20 Jahre | 7 Monate zum Ende des Kalendermonats |
Mehr Abfindung
Die Höhe einer möglichen Abfindung hängt ebenfalls von der Betriebszugehörigkeit ab. Dabei gilt: Je länger Sie im Unternehmen waren, desto mehr Geld gibt es. Letztlich sind Abfindungen verhandelbar, grundsätzlich bewegt sich die Summe zwischen 0,25 und 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr.
Wie berechnet man die Betriebszugehörigkeit?
Die Dauer der Betriebszugehörigkeit kann eine gewichtige Rolle in Rechtsfragen oder bei der Eingruppierung in Tarifstufen spiele. Zum Beispiel wirkt sich die Betriebszugehörigkeit auf die Dauer der Kündigungsfrist und gegebenenfalls auch Abfindungsansprüche aus.
Was es bei der Berechnung zu beachten gilt:
Zählt die Ausbildung zur Betriebszugehörigkeit?
Grundsätzlich gilt die Ausbildungszeit als Betriebszugehörigkeit, wenn der oder die Auszubildende nach dem Abschluss übernommen wurde.
Wird ein Praktikum angerechnet?
Praktika werden nicht grundsätzlich als Betriebszugehörigkeit gewertet. Bei einem bezahlten Praktikum kann die Zeit unter Umständen aber angerechnet werden.
Betriebszugehörigkeit und Elternzeit
Die Betriebszugehörigkeit läuft während der gesamten Elternzeit automatisch weiter.
Teilzeit
Auch wenn man nur wenige Stunden pro Woche arbeitet: Eine Teilzeitbeschäftigung wird komplett zur Betriebszugehörigkeit gezählt.
Zeitarbeit
Wer über eine Zeitarbeitsfirma beschäftigt ist, kann die Zeit im jeweiligen Unternehmen nicht grundsätzlich als Betriebszugehörigkeit anrechnen lassen.
Betriebszugehörigkeit und freie Mitarbeit
Auch die Tätigkeit als freier Mitarbeiter gilt nicht als Betriebszugehörigkeit.
Tipp:
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