Mit Diplomatie die eigene Karriere als Ingenieur vorantreiben
Die Fähigkeit zur Diplomatie ist ein wichtiges Merkmal, das Ingenieure schon im Vorstellungsgespräch demonstrieren sollten. Denn Personalmanager legen heutzutage zunehmend Wert auf weiche Faktoren wie die soziale Kompetenz. Dabei ist der Spagat zwischen Geradlinigkeit und Diplomatie nicht immer leicht zu bewältigen.
„Sag mal, warum musst du dich eigentlich so verschandeln?“, fragt mich Michael bei einem gemeinsamem Schwimmbadbesuch. Bekannt für seine Diplomatie ist der Ingenieur nicht. Ich schaue ihn überrascht, aber auch ein bisschen schockiert an, im gleichen Moment darüber nachdenkend, inwiefern ich mich „verschandelt“ habe. Er fängt meinen Blick auf und schiebt ungerührt nach: „Ungeschminkt siehst du viel besser aus. Dann hast du ganz viel Ähnlichkeit mit Romy Schneider.“
Die Frage, ob das nun ein Kompliment sein soll, hängt sicher davon ab, welche Phase im Leben der Schneider er meint, aber darüber denke ich nicht weiter nach, sondern viel wichtiger erscheint mir die Überlegung, wie man es fertigbringt, ein sicher nett gemeintes Kompliment so zu verpacken, dass es bei mir nicht ankommt, sondern, im Gegenteil, ich fast ein bisschen angesäuert bin. „Wo warst du denn, als der liebe Gott den Charme und die Diplomatie verteilt hat?“, frage ich nach und jetzt schaut Michael überrascht. „Charme ist was für Weicheier, für Typen, die sich einschleimen wollen, und das ist nicht meine Sache!“, entgegnet er im Brustton der Überzeugung.
Wenn der Personalchef nicht erkennt, welches Potenzial ich habe, hat er Pech gehabt. Erst neulich hat mich einer dieser Typen angerufen und hatte noch eine Frage zu meinem Lebenslauf. Dem habe ich erst einmal gesagt, dass er mir schon einiges bieten müsse, wenn er mich haben wolle, denn eigentlich wolle ich für so eine kleine Klitsche nicht arbeiten.“ Auf meine Nachfrage, ob er denn eine Einladung zum Gespräch erhalten habe, sagt er „Nein“, aber das sei auch gut so, denn wenn man von ihm als Ingenieur Diplomatie erwarte und nicht mit seiner Gradlinigkeit umgehen könne, dann wolle er für das Unternehmen ohnehin nicht arbeiten.
Diplomatie ist für Ingenieure eine wichtige Fähigkeit
Charme wird nach Wikipedia im deutschen Sprachgebrauch hauptsächlich als Kennzeichnung einer Eigenschaft eines Individuums im Sinne eines bezaubernden, gewinnenden Wesens gebraucht. Charme im Sinne des Persönlichkeitsmerkmals ist ein weicher und deshalb schwer zu definierender Begriff, anders als Diplomatie, und bezeichnet eine bestimmte Art der Ausstrahlung eines Menschen. Die meisten deutschen Übersetzungen, wie zum Beispiel Liebreiz, Anmut oder auch Zauber, richten sich ebenfalls auf diese persönliche Eigenschaft, wobei häufig die direkte Verwendung von Charme präziser ist als eine der möglichen Übersetzungen.
Wenn auch viele Michaels Meinung, Charme sei etwas für „Weicheier“, nicht teilen, so unterliegen doch auch sie dem Irrtum, Charme sei ausschließlich im Umgang mit dem jeweils anderen Geschlecht nützlich, habe aber unter gleichgeschlechtlichen Gesprächspartnern keine Bedeutung. In einem Bewerbungsgespräch sei Charme womöglich völlig deplatziert. Nehmen wir aber einmal die Bedeutung des Wortes im Sinne eines gewinnenden Wesens, dann spätestens sollte uns bewusst werden, dass ein potenzieller Mitarbeiter nicht nur die nötige Fachkompetenz mitbringen sollte. Diplomatie ist bei Ingenieuren gefragt.
Diplomatie zeigt die Sozialkompetenz eines Ingenieurs
Es geht bei Diplomatie für Ingenieure um eine hohe Sozialkompetenz, zu der es auch gehört, verbindlich, freundlich und respektvoll mit Menschen umzugehen. Welcher Personalchef kauft sich schon gerne einen, wenn auch hoch qualifizierten, Mitarbeiter ein, von dem er ahnt, dass die Konflikte mit den Kollegen vorprogrammiert sind?! Ehrlichkeit und Offenheit sind für viele erstrebenswert, aber wenn sie so weit gehen, dass man Menschen permanent auf die Füße tritt, dann ist Schweigen immer noch die bessere Alternative.
Peer Steinbrück äußerte sich erstaunt darüber, dass in Italien die Wahl zwischen zwei „Clowns“ entschieden worden sei. Am Bildschirm sitzend, haben wir darüber geschmunzelt und insgeheim gedacht, dass er nicht ganz unrecht hat. Aber hat ihm seine Art, geradeheraus zu sagen, was er denkt, etwas anderes eingebracht als die Kritik der Parteikollegen und Zweifel bei uns Wählern, ob er tatsächlich mit seiner selbst gepriesenen Ehrlichkeit der Mann unseres Vertrauens sein kann? Wäre Diplomatie nicht besser gewesen?
Diplomatie kann Ingenieuren im Vorstellungsgespräch helfen
Beim Vorstellungsgespräch wollen wir, wenn wir ernsthaft an der Position interessiert sind, unser Gegenüber für uns gewinnen, um darüber den Job zu „gewinnen“ – durch Diplomatie. Viele meinen in dieser Situation, sie müssten möglichst viel von sich, Ihrer Erfahrung und Ihrem Können erzählen, um darüber als Sieger aus der Situation herauszugehen und wundern sich dann, wenn sie eine Absage bekommen. Der Personalchef hat einen ganz anderen Blick auf die Situation und sieht – neben der fachlichen Eignung – den Menschen, den er sich einkauft, und möchte sicher keinen egozentrischen Selbstdarsteller beschäftigen. Wie aber zeigen wir Charme und Diplomatie im Bewerbungsgespräch?
Zunächst einmal gilt es, den Gesprächspartner durch ruhige, offene Gesten, einen freundlichen, möglichst entspannten Gesichtsausdruck, einem festen Händedruck und häufigen Blickkontakt davon zu überzeugen, dass er Ihnen vertrauen kann, zumindest für die nächste Stunde. Sie können gleich zu Beginn die Weichen für ein angenehmes Gespräch stellen, wenn es Ihnen gelingt, mit Diplomatie oder einem charmanten Kompliment einzusteigen. Wahrscheinlich wäre der Interviewpartner eher befremdet, wenn Sie sagten: „Sie tragen aber eine außergewöhnliche Krawatte“, oder „Sie haben so eine gesunde Farbe – waren Sie in Urlaub?!“
So können Ingenieure die Fähigkeit zur Diplomatie demonstrieren
Machen Sie ihm dagegen ein Kompliment für seinen guten Geschmack: „Sie haben einen sehr schönen und repräsentativen Empfangsbereich“, seinen Stil: „Ihre Einladung zum Gespräch hat sich sehr positiv gegen andere abgehoben“, oder seine Personalauswahl: „Ihre Assistentin ist schon am Telefon sehr souverän gewesen“, dann machen Sie ihm eine Freude und sammeln damit gleich Sympathiepunkte. Allerdings sollten Sie nicht lügen und nicht zu dick auftragen, Beiläufigkeit gehört für Ingenieure zur Diplomatie. Die gleiche Möglichkeit haben Sie am Ende des Gespräches noch einmal, wenn Sie sich für das „ausgesprochen informative“ Gespräch oder die „angenehme Gesprächsatmosphäre“ bedanken.
Im Gespräch sollte es Ihnen gelingen, Ihr Gegenüber öfter einmal mit Namen anzureden (selbstverständlich nicht Herr Meyerhoff sagen, wenn er einen Doktortitel hat) und ihm das Gefühl vermitteln, dass Sie ihm durch und durch interessiert zuhören und während er spricht ,nicht gleich an Ihrer eigenen nächsten Äußerung basteln. Natürlich stellt der Personalchef Ihnen Fragen, aber er möchte keine Monologe von Ihnen hören, sondern auch Ihr Interesse an ihm und dem Unternehmen sehen, und deshalb ist es uncharmant, wenn Sie sagen: „Nein, ich habe keine Fragen mehr, mir ist soweit alles klar“. Diplomatie erfordert von Ingenieuren Feingefühl.
Diplomatie bedeutet, den Gesprächspartner einzubeziehen
Fragen Sie ihn als Akt der Diplomatie nach seiner persönlichen Einschätzung: „Was vermuten Sie denn, wird es für Herrn GF akzeptabel sein, wenn ich tatsächlich erst am 1. Oktober starten kann?“, oder „Sie haben mich nun ein wenig kennengelernt. Ich wäre Ihnen dankbar für Ihre Ersteinschätzung: Glauben Sie, dass das Unternehmen und ich zusammenpassen?“ Wenn Sie dann noch gutes Benehmen an den Tag legen, sich nicht lange vor ihm auf den Stuhl plumpsen lassen und sich auf dem Besprechungstisch breit machen und das Signal, wenn das Gespräch für ihn beendet ist, sofort erkennen, dann ist dies ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Vertragsunterzeichnung durch Diplomatie.
Natürlich sollen und dürfen Sie selbstbewusst auftreten, aber wenn Michael am Ende sagt: „Ich habe noch andere Bewerbungen am Laufen, bis wann werden Sie sich also bei mir melden?“, dann ist das ausgesprochen uncharmant und kein Zeichen von Diplomatie. Erfolgversprechender ist es, wenn Sie Ihrem Selbstbewusstsein eine gute Portion Bescheidenheit beimischen und stattdessen sagen: „Sie haben mir die Aufgaben so beschrieben, dass mein anfängliches Interesse jetzt noch größer ist. Ich kann mir gut vorstellen, für Sie/Ihr Unternehmen tätig zu werden. Bis wann darf ich wohl mit Ihrer Antwort rechnen?“
Diplomatie öffnet Ingenieuren viele Türen
So betrachtet, sind Charme und Diplomatie also nichts für Weicheier, sondern für Menschen, die wissen, wer sie sind und denen es gelingt, aus eigener innerer Größe heraus auch andere Menschen „groß zu machen“. Wenn Michael ein Kompliment für Schleimerei hält und Höflichkeit für Zeitverschwendung, dann sagt er damit in erster Linie etwas über sich selbst, und zwar, dass er sich selbst nicht wertschätzt und damit wird das vermeintliche Selbstbewusstsein dann schnell als scheinbares Selbstbewusstsein entlarvt. Charmanten Menschen öffnen sich Türen von ganz allein, die uncharmante eintreten müssen!
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