Beratung 23.08.2016, 00:00 Uhr

Optimismus erweitert bei Ingenieuren den Blick für neue Lösungen

Optimismus ist unter Ingenieuren nicht sehr weit verbreitet. Sorgen stehen eher im Vordergrund. Doch häufig verhindern sie die nötige Kreativität, weil die Gedanken nur um das Problem kreisen und nicht um eine mögliche Lösung. Zeit für einen Sinneswandel!

Nur Optimismus hält uns über Wasser.

Nur Optimismus hält uns über Wasser.

Foto: panthermedia.net/stockasso

Halten Sie den Begriff Optimismus der Deutschen für einen Widerspruch in sich? Glauben Sie, dass die sogenannten deutschen Tugenden wie Fleiß, Gewissenhaftigkeit oder Verlässlichkeit mit Optimismus nicht vereinbar sind? Vom Ausland werden wir als Bedenkenträger wahrgenommen, in den USA spricht man sogar von der „German Angst“. Wird man uns Deutschen damit gerecht? Wird man Ihnen als Ingenieur damit gerecht?

Maschinenbauingenieur Thomas beispielsweise sorgte sich eine Weile, nach der betriebsbedingten Kündigung mit fast 50 keine angemessene Arbeit finden zu können. Doch er hatte Glück, bereits nach drei Bewerbungen und zwei Interviews fand er eine neue Stelle, die im Gegensatz zur vorherigen sogar Führungsverantwortung beinhaltet. Diese positive Erfahrung sollte ihn eigentlich optimistisch stimmen, aber seine Bedenken hören nicht auf. Jetzt sorgt er sich darum, ob er den in ihn gesetzten Erwartungen gerecht werden und die Probezeit sicher überstehen kann. Ist Optimismus bei Ingenieuren also nicht weit verbreitet?

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Optimismus ist für Ingenieure nicht immer die ideale Wahl

So wie Thomas geht es vielen, statt am Optimismus orientieren sich viele Ingenieure lieber an dem bekannten Ohrwurm von Jürgen von der Lippe: „Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da? Habt ihr auch so gut geschlafen? Na, dann ist ja alles klar.“ Bedenken, Sorgen, Probleme scheinen ein Bestandteil unseres Lebens zu sein. Wenn sie nicht übermächtig werden und blockieren, ist gegen sie nichts einzuwenden, denn sie haben auch ihre Vorteile:

  • wir setzen uns mit einem Thema intensiv auseinander
  • wir haben immer Gesprächsstoff und finden sicher Gleichgesinnte, die ähnliche oder gar noch größere Probleme haben als wir und nicht nur auf Optimismus setzen
  • wir können damit unser Glücksempfinden steigern (Thema „Habituation“: Wir wissen den ersten Sonnentag nach einer langen Regenperiode viel mehr zu schätzen als den 300. Sonnentag am Stück in Spanien).

Optimismus ist für Kinder selbstverständlich

Es scheint beinahe so, als könnten wir ohne unsere Sorgen, Probleme und Ängste nicht leben oder jedenfalls nicht mehr. Als Kinder, ja, da hatten wir ein sorgenfreies Leben und lebten Optimismus. Wir forschten und entwickelten und konstruierten genau wie heute. Wir machten uns keine Sorgen darüber, ob beim Klettern die Hose zerreißt. Aber dann machten wir die Erfahrung, dass es uns Ärger bescherte, wenn die neue Hose einen Riss hatte.

Die Mutter schimpfte und beklagte sich darüber, dass sie nun zusätzliche Arbeit mit dem Flicken hätte oder gar wieder Geld in eine neue Hose investieren müsse. Wir Hosenzerreißer bekamen ungute Gefühle: Wir hatten ein schlechtes Gewissen und waren traurig wegen der lauten Worte der ansonsten lieben Mama. Beim nächsten Spielen waren wir nun schon besorgter um die Hose und wollten sie auf jeden Fall heil nach Hause bringen, um die negativen Gefühle zu vermeiden. So wurden wir konditioniert, auch darauf, uns sorgen zu müssen. Heute fehlt uns häufig Optimismus, wenn wir als Ingenieure arbeiten.

Optimismus ist sinnvoll, wenn Ingenieure eine Situation nicht beeinflussen können

Wir wollen es richtig machen, wir wollen es recht machen, wir wollen am liebsten keine großen Risiken eingehen und deshalb wägen wir ab, stellen gegenüber, fragen uns, was schlimmstenfalls passieren könnte und dazu fällt uns dann gleich eine ganze Menge ein. So geht es tagein und tagaus. Viele kleine Sorgen und Bedenken, im schlimmsten Fall Ängste, sind unsere stetigen Begleiter. Optimismus herrscht im Berufsalltag von Ingenieuren selten vor. Schauen wir uns die Qualität dieser Bedenken einmal an und machen uns klar, worüber wir uns sorgen, dann sehen wir, wie viele völlig überflüssige Themen dabei sind, zum Beispiel:

  • Dinge, die jetzt noch gar nicht akut sind
  • Dinge, die nicht mehr zu ändern sind
  • Dinge, bei denen es um nichts oder wenig geht
  • Dinge, die gar nicht uns selbst betreffen und die wir auch nicht beeinflussen können
  • Dinge, von denen andere (oder die Medien) uns einreden, dass wir uns darüber sorgen müssten.

Optimismus fehlt also vielen Ingenieuren in Momenten, in denen sie eine Situation ohnehin nicht zum Positiven verändern könnten.

Positives Denken und Optimismus führen bei Ingenieure zu Verbesserungen

Natürlich haben wir alle schon vom positiven Denken und Optimismus gehört, aber das ist doch nichts für Ingenieure, sondern eher für die esoterischen Spinner oder vielleicht noch diese Kreativen, bei denen das Denken sich im Kreis und nicht in eine Richtung bewegt. Man muss doch realistisch an die Dinge herangehen und kann nicht einfach behaupten, das Glas sei halbvoll, wenn da kaum noch was drin ist! Ich kann mir doch nicht einreden, ich sei völlig entspannt, wenn in der Firma die Hölle los ist und der Vertrieb mal wieder mit Wünschen kommt, die technisch gesehen nicht zu realisieren sind.

Ich kann mir nicht schönreden, dass der Chef ein netter Kerl ist, wenn er jeden Tag aus dem Hemd geht und permanent einen Schuldigen braucht oder das ansonsten friedliche Miteinander durch seine sarkastischen Sprüche durcheinanderbringt! Nein, das ist doch Selbstbetrug! Vielleicht haben Sie mit dieser Einschätzung recht, und mit ihrem Optimismus schießen manche Ingenieure ein wenig übers Ziel hinaus. Sicher tun sie sich keinen Gefallen damit, das Negative, nicht Funktionierende, einfach auszublenden, aber es gibt doch etwas, womit sich die scheinbar aussichtslosen oder schier unlösbaren Situationen doch zum Positiven wenden können: die Kraft der sich selbst erfüllenden Prophezeiung!

Optimismus erleichtert für Ingenieure den Blick auf Lösungen

Wenn wir unsere Gedanken der Lösung zuwenden, wenn wir etwas für möglich halten, dann beeinflussen wir unsere Wahrnehmung in diese Richtung und sehen plötzlich offene Türen, wo vorher nur undurchlässige Wände zu sein schienen. Wir alle möchten möglichst recht behalten und suchen in der Realität nach Beweisen für unsere innere Haltung. Wenn wir Bedenken haben und nichts als Probleme vermuten, dann werden wir Probleme finden. Andersherum: Wenn wir Lösungen immerhin für möglich halten, ohne dass wir bisher noch wissen, woher sie kommen sollen, dann ist die Chance größer, dass wir sie überhaupt erkennen! Deswegen ist Optimismus für Ingenieure besonders wichtig.

Wir wissen um dieses Phänomen, aber es fällt uns schwer, es in die Praxis umzusetzen. Wahrscheinlich führt der Weg über einen kleinen Zwischenschritt, das konstruktive Denken. Sie sagen nicht: „Alles wird gut“, sondern „Es ist möglich, dass vieles besser wird“. Sie behaupten nicht: „Der Chef ist ein netter Typ“, sondern „Der Chef erkennt sicher irgendwann, dass er mit sachlicher Kommunikation viel mehr erreicht“. Selbstverständlich brauchen Sie sich auch nicht einzureden, Sie seien völlig entspannt, wenn Ihre Nerven vibrieren, sondern Sie machen es sich nur etwas leichter: „Ich bleibe so ruhig, wie es in dieser Situation eben möglich ist.“ Mit dem konstruktiven Denken brauchen Sie keine 180-Grad-Drehung zu machen, sondern lediglich eine kleine Korrektur in Richtung Optimismus vorzunehmen.

Optimismus heißt für Ingenieure auch: Sorgen gehen vorüber

Und sind wir einmal ehrlich, nutzen uns die vielen Sorgen und Bedenken denn mehr als Optimismus? Die Kölner sagen so schön: “Et küt wie et küt.“ Auf vieles haben wir trotz aller Sorgen, Bedenken, Vorsichtsmaßnahmen und Risikobegrenzung gar keinen Einfluss. Reinhard ist Ingenieur und Geschäftsführer eines Bauunternehmens. Er sorgt sich seit Monaten, das Unternehmen könnte Pleite machen. Und dann tritt der Fall wirklich ein und er unterschreibt beim Insolvenzanwalt den Antrag.

Er verlässt das Büro des Anwalts, Menschen gehen an ihm vorbei, irgendwo quietscht ein Auto, es riecht nach Schnee, und sicher ist er jetzt deprimiert. Morgen auch noch und in der nächsten Woche auch, aber dann stellt er fest, dass das Leben weitergeht, dass er immer noch Träume hat und er steht auf und begibt sich an deren Verwirklichung, die vielleicht jetzt ein bisschen länger dauert, aber gut, dann ist das eben so. Auf Optimismus sollten Ingenieure nicht verzichten.

Tipp:

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Ein Beitrag von:

  • Renate Eickenberg

    Renate Eickenberg ist Coach, Beraterin sowie Autorin. Sie prüft für Ingenieure und Ingenieurinnen Bewerbungsunterlagen und gibt in Ihren Artikeln Karrieretipps.

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