Persönliche Kommunikation ist wichtig
In den vergangenen Jahren hat sich die Kommunikation verändert – es wird immer weniger miteinander geredet. Wir stehen schweigend in Aufzügen nebeneinander, wir suchen im Restaurant den Tisch für uns ganz allein, wir spielen am Flughafen lieber mit dem Smartphone.
Eine Reise nach Montpellier, zu der mich eine langjährige Geschäftspartnerin eingeladen hatte, macht mir einmal mehr deutlich, wie sehr sich unsere Kommunikation in den letzten Jahren verändert hat. Der Anlass ist die Jahrestagung eines deutsch-französischen Wirtschaftsclubs. Neben Vorträgen und einem wirklich schönen Abendprogramm wird es in diesem Jahr auch ein B-to-B-Treffen geben, von dem ich mir im Vorfeld nicht genau vorstellen kann, wie das laufen soll und warum man es macht.
Ich habe als Gast erst einmal gar nichts zu tun und meine Bekannte, Präsidentin eines solchen Clubs, auch nichts anderes als aus einer ihr vorliegenden Liste Unternehmensvertreter aus Deutschland und Frankreich anzuschreiben und sie zu einer bestimmten Uhrzeit um ein Gespräch zu bitten. Ohne genau zu verstehen, welche Form der Kommunikation da stattfinden soll, bestätige ich meiner Geschäftspartnerin nur, dass ich gerne bei jedem der Treffen dabei bin.
Wenn die Kommunikation nur nach Struktur erfolgt
Am ersten Tag in Montpellier, an dem wir in einem Plenarsaal Vorträgen von Politikern und Wirtschaftsgrößen lauschen und in den Pausen smalltalken, habe ich den Eindruck, dass alle sich kennen und mir als Neuling auch so freundlich begegnen, als würden wir uns auch schon lange kennen. Man redet über die Eisenbahnstreiks, das gute Essen, das herrliche Wetter – und das lange, intensiv und oft laut.
Am zweiten Tag, dem Business-to-Business-Tag, treffen wir uns im Rathaus. Dort stehen sehr viele Tische mit Nummern darauf in einem großen Saal. Es gibt Kaffee und Häppchen. An einem Orga-Tisch holen wir uns unseren Laufzettel für diesen Tag ab. Auf einer gut strukturierten Liste steht, um wie viel Uhr wir mit wem einen Termin haben und an welchem Tisch. Jeweils nach einer halben Stunde kommt ein Herr vom Organisationsteam zu uns, um daran zu erinnern, dass die Zeit für die Kommunikation nun abgelaufen ist.
Wenn Kommunikation zu gedankenlos ist
Ein munteres Bäumchen-Wechsel-dich-Spiel geht los und etwa 100 Menschen wechseln die Tische. Die Idee dieses Kommunikation-Treffens habe ich nun auch verstanden: Wir sollen die Zeit nutzen, um uns gegenseitig zu erzählen, was wir beruflich machen und ob und an welcher Stelle wir uns gegenseitig nützlich sein können. „Networking“ nennt man das, eines der beliebtesten neudeutschen Wörter, wie mir scheint. Bis dahin hört sich noch alles gut und logisch an. Ich bin allerdings sprach-, wenn auch nicht gedankenlos.
Im Gegenteil, eine Menge wahrscheinlich höchst destruktiver Gedanken flattert in zügiger Folge in mein Bewusstsein. Was mich erstaunt, ist, dass in fast allen Gesprächen die halbe Stunde nicht so genutzt wird, dass zwei Gesprächspartner ihr Unternehmen präsentieren können. Ist erst einmal jemand mit der Vorstellung gestartet, hört er so bald nicht wieder auf zu reden und vergisst offensichtlich vollkommen, dass der Gesprächspartner auch die Chance zur Kommunikation haben soll, um sich und/oder sein Unternehmen darzustellen. Es fliegen dennoch Visitenkarten hin und her, man entschuldigt sich für das Überziehen auf der einen und verzeiht lächelnd auf der anderen Seite. In keinem der Gespräche, an denen ich an der Seite der Bekannten teilnehme, wird ernsthaft darüber nachgedacht, wie und wo man kooperieren oder sich auch nur weiterempfehlen könnte.
Wenn Kommunikation nicht zum Ziel führt
Später gehen wir zusammen mit einer sehr interessant wirkenden Dame, mit der wir an diesem Morgen nicht gesprochen haben, zu einer Abendveranstaltung. Sie scheint mit meiner Geschäftspartnerin sehr gut bekannt zu sein, denn man redet unaufhörlich. Auf meine Frage hin, wer das sei und wie lange sie beide sich kennen würden, erfahre ich den Namen der Dame und dass die beiden sich seit 15 Jahren kennen. „Was macht sie beruflich?“, will ich wissen und meine Bekannte sagt, dass sie das nicht wisse. Ich bin erneut sprachlos.
15 Jahre Kommunikation, miteinander reden und lachen und – in einem Wirtschaftsclub! – nicht zu wissen, womit der andere sich beruflich beschäftigt, wie ist das möglich? Ich schließe beim Gehen zu der Dame auf und sage: „Ich rätsele schon eine Weile darüber, was Sie wohl beruflich machen. Sie wirken auf mich als seien Sie Anwältin. Liege ich richtig?“ Um das Erlebte abzukürzen: Bis wir 15 Minuten später unser Ziel erreicht hatten, wusste ich nicht nur, dass die Dame Gewerbeimmobilien vertreibt, sondern ich hatte viele andere persönliche Details über sie erfahren. So einfach war das.
Wenn Kommunikation durch Technik gebremst wird
So einfach die Kommunikation mit Menschen auch theoretisch ist, so schwierig ist sieoffensichtlich in der Praxis. Woran liegt es, dass Gespräche heute künstlich hergestellt und auch noch gelenkt werden müssen? Sind wir nicht mehr in der Lage, einfach auf andere zuzugehen? Und wenn nein, was hält uns davon ab? Sind wir so egozentriert, dass wir uns für andere nicht mehr interessieren? Haben wir Angst, uns zu weit aus dem Fenster zu lehnen oder sogar eine Abfuhr erteilt zu bekommen? Haben wir durch den Umgang mit E-Mails, SMS und Apps. das Sprechen von Angesicht zu Angesicht verlernt? Meinen wir, keine Zeit zu haben? Sind wir zu perfektionistisch und wollen nur noch die 1a-vorbereiteten Gespräche führen? Ist es ein Mix aus vielem?
In meinen Trainings für Kommunikation erhoffen sich die Teilnehmer eine riesige Auswahl neuer Kommunikationsmethoden und -strategien, vom 4-Ohren-Modell über die Transaktionsanalyse bis hin zur GFK, von einschlägigen Möglichkeiten, das Gespräch in Verkaufssituationen in ihrem Sinne zu beeinflussen, ganz zu schweigen. Wie haben Menschen denn früher kommuniziert, ohne all diese technischen und psychologischen Mittel zur Gesprächsführung?
Wenn wir selbst die Kommunikation verweigern
In einer Zeit, in der wir unglaublich viele Möglichkeiten zur Kommunikation haben, werden wir immer schweigsamer. Wir stehen schweigend in Aufzügen nebeneinander, wir suchen im Restaurant den Tisch für uns ganz allein, wir spielen am Flughafen, auf das Boarding wartend, lieber Quizduell gegen einen unbekannten Gegner als uns mit unserem direkten Nachbarn zu unterhalten. Fast wirkt es so, als sei es uns peinlich, mit einem Menschen reden zu wollen. Wer was auf sich hält, liest „Die Welt“, arbeitet an seinem Blackberry oder telefoniert mit dem Papst oder einem vergleichbar wichtigen Menschen in Übersee.
Wenn wir all die vielen täglichen Chance zur Kommunikation nutzen würden, die wir haben, bräuchten wir so manche Anstrengung, künstliche Anlässe herzustellen, nicht zu unternehmen. Warum sehen mich Männer auf einer After-Work-Party mit unverhohlenem Interesse an, ohne den Mut zu haben, mich anzusprechen? Warum sehen viele heute in Single-Börsen im Internet die einzige Möglichkeit, einen Partner kennen zu lernen?
Besser irgendeine Kommunikation als gar keine
Früher ging man aus und man hatte Gespräche. Sicher lief die Kommunikation nicht immer auf höchstem Niveau, aber man hat wenigstens miteinander geredet. Warum kommt man so selten über den langweiligen Small-Talk hinaus? Warum redet man nicht mit dem Chef, sondern allerhöchstens über ihn? Warum fragt man als Bewerber nach einem Bewerbungsgespräch nicht: „Wie hat Ihnen unser Gespräch denn gefallen?“ Tut man das nicht? Wer sagt das?
Ich möchte in den nächsten Newslettern gerne einen Versuch mit Ihnen gemeinsam machen. Sie erhalten von mir Gesprächsideen jenseits aller Methoden zur Kommunikation, dafür aber für unterschiedliche Gesprächsanlässe, und Sie probieren – wenn Sie mögen – einmal das aus, was schnell und einfach zu einem Gespräch mit Inhalt führt. Ich würde mich natürlich sehr darüber freuen, von dem einen oder anderen von Ihnen eine kleine Rückmeldung zu bekommen, wie es Ihnen ergangen ist. Nehmen wir der Sprachlosigkeit die Geschwätzigkeit!
Ein Beitrag von: