Interview 23.10.2023, 08:24 Uhr

Problem innere Kündigung: Ich bin dann mal weg…

Wie kann man als Führungskraft die innere Kündigung von Mitarbeitenden erkennen? Neigen besonders Ingenieurinnen und Ingenieure dazu? Wie lassen sich Abgänge vermeiden? Sozial- und Organisationspsychologe Prof. Dr. Dieter Frey, Leiter des Center for Leadership and People Management, gibt Tipps.

Innere Kündigung

Innere Kündigung: Wenn die Flamme des Engagements erlischt.

Foto: PantherMedia / wuttichaicci (YAYMicro)

Wie kann man als Führungskraft die innere Kündigung von Mitarbeitenden erkennen? Welche Anzeichen dafür gibt es?

Für die innere Kündigung gibt es viele Symptome. Man merkt es schon an Mimik und Gestik: Mitarbeitende sind entweder mental abwesend oder zeigen teilnahmslose und manchmal traurige Mimik und Gestik, wenn sie sich nicht beobachtet fühlen. Man merkt es aber auch an der Sprache, die resignativ ist, im Sinne von „Das ist ohnehin zu viel“. Aber man merkt es am Verhalten, ob jemand im Vergleich zu früher keine Initiativen mehr und kein proaktives Verhalten zeigt oder keine positiven Statements mehr gibt. Oft sieht man es bereits am Mundwinkel, auch bei digitalen Sitzungen, und ob sich die Menschen an Diskussionen beteiligen oder nicht. In gesteigerter Form der inneren Kündigung kommen dann Pessimismus, zynische, sarkastische Bemerkungen dazu. Aber Achtung: Oft ist es so, dass die Menschen bewusst gegensteuern, dass es nicht auffällt, dass sie innerlich gekündigt haben und sie geben dann den Schein von Anwesenheit und Präsenz ab.

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Mit dem Mitarbeiter unter vier Augen reden

Wie sollte man damit umgehen?

Man sollte mit dem Mitarbeiter unter vier Augen reden und ihm die Beobachtung schildern, vor allem mit Vergleichen zu früher und man sollte hier natürlich immer weniger als 50 Prozent selber sprechen und fragen, ob es der Person selbst aufgefallen ist, dass ihre Mimik und Gestik anders sind, dass weniger Initiative besteht… und ob sie eine Erklärung für ihr Verhalten hat. Man kann dann die Diskrepanz zwischen Soll-Zustand (der Wunsch, dass Initiative ergriffen wird) und dem Ist-Zustand (apathisches Verhalten) transportieren. Dabei hilft es auch, Menschen anzusprechen, die auf der Beziehungsebene zu dieser Person gutstehen und sie fragen, ob ihnen etwas aufgefallen ist. Das heißt, man kann und muss es auf vertrauliche Weise im Team ansprechen. Es könnte ja auch sein, dass man sich täuscht.

Vor allem aber: Wie können Führungskräfte die (innere beziehungsweise tatsächliche) Kündigung abwenden? Welche Tipps haben Sie?

Wichtig ist, dass die Führungskraft sich Zeit nimmt, zuzuhören, Fragen zu stellen, zum Beispiel was passieren müsste, dass die Arbeit wieder mehr Freude und Spaß macht? Oder was genau die Person runterzieht und dergleichen.

Teamreflektionsfrage stellen

Stichwort Prävention: Wie lässt sich dem leisen Lossagen vom Job vorbeugen?

Mein Haupttipp geht in die Richtung, dass man regelmäßig im Team, aber auch einzeln (wöchentlich, 14-tägig oder monatlich) die sogenannte Teamreflektionsfrage stellt: Was läuft gut? Was läuft nicht gut? Was könnte man besser machen? Es ist wichtig, sowohl einzeln zu fragen, als auch im Team. Das ist eine Art Frühwarnsystem für Quellen von Unzufriedenheit. Die Führungskraft muss nicht immer selber der Problemlöser sein, sondern kann auch immer fragen, was man im Rahmen von veränderbaren Welten tun könnte, dass die Zustände besser werden. Wo könnte man Prozesse optimieren, wo könnte man Prioritäten verlagern…

Ihr Rat an Führungsverantwortliche?

Wichtig ist, dass die Führungskraft fragt, was man am eigenen Führungsverhalten ändern kann. Zum Beispiel so: „Wenn Sie in meiner Position wären, was würden Sie genauso machen und was würden Sie anders machen?“ Wichtig ist, dass diese Fragen der Teamreflektion keine Eintagsfliege sind, sondern laufend wiederholt werden. Und dass man transportiert, was an Verbesserungen realistisch ist.

Haben sich noch weitere Tipps für die Praxis?

Es gibt zwei konkrete Fragen, mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben:

  1. Was läuft insgesamt gut und was wollen wir bewahren?
  2. Was für konkrete, realistische Verbesserungsideen haben Sie?

Wenn sich tatsächliche Kündigungen häufen, ist es wichtig, Ursachenanalyse zu betreiben und mit den entsprechenden Personen zu reden, vielleicht sogar mit einem externen Coach, damit die Chancen steigen, die tatsächlichen Gründe zu erfahren. Wichtig ist in unsicheren Zeiten wie jetzt auch die Ganzheitlichkeit des Menschen zu sehen, also auch zu fragen „Wie geht es Ihnen?“, „Wie kommen Sie mit dem Homeoffice klar?“, „Wie kommen Sie mit den konjunkturellen Schwierigkeiten, die auf uns zukommen, zurecht?“ Das heißt, damit der Mitarbeitende sieht, dass er nicht nur eine Nummer ist, sondern er in seiner ganzen Person gesehen wird, ist es wichtig, auch solche Fragen zu stellen. Unsere eigenen Forschungen zeigen, dass diese ganzheitliche Betrachtung ungeheuer wichtig ist.

Bindung zum Mitarbeitenden ist wichtig

Wie gelingt Prävention? Was ist dafür nötig?

Eine gute Bindung zum Mitarbeitenden ist entscheidend. Wesentlich ist, alle Strategien und Techniken, die mit intrinsischer Motivation zu tun haben, genutzt werden. Wird Sinn vermittelt? Besteht genügend Transparenz? Nehmen die Menschen Freiräume und Vertrauen wahr? Sehen sie genügend Wertschätzung? Sind die Ziele und Erwartungen klar? Besteht ein gutes Betriebsklima? Wichtig ist, dass man die Menschen danach fragt. Man kann natürlich auch noch einen Schritt weitergehen und fragen, was im Rahmen des Möglichen passieren muss, damit die Arbeit noch mehr Freude und Spaß macht? Es hilft auch an den Stolz anzuknüpfen: Worauf können wir im Team stolz sein? Was haben wir in der Vergangenheit trotz der schwierigen Zeiten erreicht? Wo können wir als Team noch mehr zulegen? Wichtig ist, dass sich die Mitarbeitenden als Teil eines Ganzen sehen und nicht vergessen, für welche Vision das Unternehmen steht. Der Schlüssel ist eine Kultur und Struktur mit Freiräumen und Vertrauen, verbunden mit relativ flachen Hierarchien.

Neigen Ingenieurinnen und Ingenieure zu einem „leisen Abgang“?

Ich glaube nicht, dass Ingenieurinnen und Ingenieure mehr zu einem leisen Abgang neigen als andere Berufsgruppen. Wichtig ist immer die Unternehmenskultur, dass man sagt „Wir wollen erreichen, dass die Menschen sich bei uns wohlfühlen. Wir wollen und müssen gute Qualität abliefern, aber gleichzeitig einen wertschätzenden und fairen Umgang pflegen. Wir wollen mündige Mitarbeiter, die auch laufend ihre Ideen transportieren, wie man eine gute Wertschätzungs- und Fairnesskultur erreichen kann.“

Begünstigt die sehr gute Arbeitsmarktlage für Ingenieurinnen und Ingenieure einen Abgang?

Klar begünstigt dies einen Abgang. Je besser die Alternativen sind, umso mehr stellen sich die Menschen die Frage, ob sie bleiben müssen. Vor allem dann, wenn sie mit für sie wichtigen Dingen unzufrieden sind. Umso wichtiger ist es, genau dieses anzusprechen. Insofern muss man nicht nur von der Qualität, sondern auch von der Führungs- und Unternehmenskultur immer besser sein als die Konkurrenzunternehmen, denn sonst gehen die guten Leute genau dahin.

Ein Beitrag von:

  • Chris Löwer

    Chris Löwer

    Chris Löwer arbeitet seit mehr als 20 Jahren als freier Journalist für überregionale Medien. Seine Themenschwerpunkte sind Wissenschaft, Technik und Karriere.

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