Recruiting in Social Media folgt eigenen Regeln
Der Kampf um die klügsten Köpfe findet zunehmend auf den sozialen Netzwerken statt. Laut ADP Social Media Index (ASMI) nutzen 96 % der Unternehmen Xing & Co. bei ihrer Personalarbeit. Wer beim Recruiting überzeugen will, braucht aber einen guten Plan.
„Massenmails kommen nicht gut an“, erklärt Heike Steffen, Personalreferentin bei Drees & Sommer. „Die Menschen wollen individuell angesprochen werden.“ Das sei sehr zeitintensiv. Der Aufwand werde oft unterschätzt. Das Bau- und Immobilienberatungs-unternehmen konzentriert sich bewusst auf Netzwerke mit beruflichem Fokus wie Xing, kununu, LinkedIn, Experteer oder Placement24. Auf den ersten beiden sind sie außerdem mit einem Unternehmensprofil vertreten. Und das Ergebnis? Das ist durchwachsen. „Die besonders gefragten Fachkräfte, wie z.B. Versorgungstechniker mit Berufserfahrung, sind hier schwer zu fassen“, erklärt Steffen. „Viele reagieren nicht auf Anfragen oder schreiben gleich in ihr Profil, dass sie keine Angebote möchten. Das gilt es selbstverständlich zu respektieren“. Trotzdem will das Unternehmen die Vorteile nicht missen. „Man kann schneller auf die Menschen zugehen und unverbindlich in Kontakt treten“. Entscheidend ist das Timing. „Wenn Sie Menschen ansprechen, die gerade einen Job suchen, haben Sie natürlich die besten Karten“, so die HR-Expertin.
Elisa Wicke, Recruitment-Managerin der Ferchau Engineering, kann das nur bestätigen. „Es gehört immer ein Quäntchen Glück dazu. Nicht jeder, der Mitglied bei Xing ist, sucht einen Job“. Ferchau ist auch auf der Social-Media-Plattform Facebook aktiv. Aber nicht, um neue Mitarbeiter zu rekrutieren. „Facebook ist und bleibt ein privates Netzwerk. Die Nutzer scheuen sich häufig vor einem direkten Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern, beobachten deren Aktivitäten und Posts hingegen aufmerksam“, erklärt die Recruiting-Expertin. Hier ist die Social-Media-Strategie eine andere: „Wir möchten Bewerbern und Kunden einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen und unseren Mitarbeitern die Möglichkeit geben, Aktivitäten der 70 Niederlassungen auf einfachem Weg verfolgen zu können“. Das Unternehmen berichtet u.a. über Messebesuche, Sightseeing-Programme, Firmen- und Mitarbeiterevents sowie Förderungen. Das Engagement bringt Anerkennung. Und viel Arbeit. Diese Arbeit könne man nicht einfach einem Praktikanten überlassen oder etwa nebenbei erledigen. Die Nutzer erwarten regelmäßig neue Inhalte und eine unmittelbare Reaktion auf Ihre Fragen – „an dieser Stelle gibt es keine Out-of-Office-Mitteilung“, sagt Wicke. Deshalb gibt es bei Ferchau ein Social-Media-Team, das ständig auf der Suche nach spannenden und zielgruppenspezifischen Themen ist und Nutzerfragen beantwortet.
Eine Firma, viele Schreibweisen
Das Firmen-Profil im Business-Netzwerk Xing ist da pflegeleichter. Nach der Erfahrung Wickes erwarten die Nutzer hier kein Social-Media-Bataillon, das ständig neue Infos postet. Aber auch hier lauern Imagefallen. Was viele Recruiter nicht wissen: Sobald fünf Mitglieder eine Firma in ihrem persönlichen Profil als aktuellen Arbeitgeber angeben, wird ein Unternehmensprofil generiert. Nun passiert es immer, dass Mitarbeiter den Namen ihres Arbeitgebers unterschiedlich schreiben, was dann zur Folge hat, dass es mehrere Profile in verschiedenen Schreibweisen gibt. Social Media erfahrene Recruiting-Profis klären die Mitarbeiter deshalb über die Aktivitäten auf und pflegen das Profil zentral. In der Grundfunktion ist dieses bei Xing kostenlos. Enthalten sind u. a. eine „Über uns“-Seite sowie die Möglichkeit, Nachrichten zu schreiben und das Firmenlogo einzubauen.
Zeigen, was Ingenieure interessiert
Social-Media-Kanäle können für Unternehmen außerdem ein Multiplikator für Recruiting-Videos sein. „Die Studie Kandidatensuche Bewerbungspraxis 2015 zeigt, dass gerade für junge Menschen die weichen Faktoren wie das Betriebsklima wichtig sind. Diese weichen Faktoren lassen sich in einem Videotestimonial glaubhafter vermitteln als in einem Text“, erklärt Sascha Baron, Videojournalist und Inhaber des Mediendienstleisters Dreilandmedien. Sein Tipp: Mitarbeiter von ihrer Arbeit erzählen lassen. Am besten einen Azubi und zwei Angestellte aus unterschiedlichen Bereichen, z. B. einen Ingenieur aus der Entwicklung und einen Vertriebler. Das Video kann dann gemeinsam mit einem Anzeigentext auf Stellenbörsen, sozialen Medien oder einem Ingenieurforum gepostet werden. Doch Baron warnt: „Das Video sollte nicht inszeniert wirken und keine falschen Erwartungen wecken.“ Viele Firmen machen den Fehler, dass sie Imagefilme einstellen. „Die richten sich aber an eine ganz andere Zielgruppe, nämlich an Kunden und Investoren, und nicht an potenzielle Mitarbeiter“.
Drohen wird zum Bumerang
Die Bewerber möchten wissen, worauf sie sich einlassen. Aus diesem Grund ist wohl auch das Arbeitgeberbewertungsportal kununu.com so beliebt. Das Netzwerk berichtet aktuell von über 900.000 Erfahrungsberichten zu über 200.000 Unternehmen. Einer repräsentativen Bitkom-Umfrage zufolge informieren sich 29 % der Internetnutzer auf solchen Social-Media-Plattformen, 76 % der wechselwilligen Kandidaten lassen sich in ihrer Wahl beeinflussen.
Auch Recruiting-Profis sind regelmäßig Gast auf der Bewertungsseite. Heike Steffen von Drees und Sommer liest regelmäßig die Bewertungen und nutzt das Feedback. Elisa Wicke hat sich während ihrer Bewerbungsphase selbst an den Meinungen orientiert. Ihr Fazit: „Natürlich schreiben sich hier viele Nutzer den Frust von der Seele.“ Wenn man die Aussagen um die mitschwingende Emotionalität bereinigt, stecke dennoch in jeder Aussage ein Teil Wahrheit. Dann muss man für sich selbst entscheiden, ob die zu erahnende Unternehmenskultur sich mit den eigenen Werten deckt.
Andere Unternehmen sehen kritische Bewertungen weniger sportlich und drohen mit Klage. Das kann schnell zum Bumerang werden. Das Portal sperrt zwar das Unternehmen für weitere Kritiken, nennt aber den Grund, ebenso wie die Zahl der blockierten Bewertungen und Verbesserungsvorschläge. Am Ende steht dann der vielsagende Satz: Du wirst leider nicht darum herumkommen, Dir selbst ein Bild von … als Arbeitgeber zu machen. Beim Kampf um Ingenieure gibt es sicher bessere Strategien.
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