Soziale Netzwerke: Vom sinnvollen Umgang mit dem Zeitfresser
Denken Sie einmal an Ihre eigenen Online-Aktivitäten, vor allem in Bezug auf die soziale Netzwerke,dann werden Sie sich vielleicht sagen, dass es doch täglich nur ein paar Minütchen zur Entspannung sind, die Sie im Netz verbringen. Das Gefährliche beim Netz-Werke(l)n ist nur, dass wir tatsächlich oft jegliches Zeitgefühl verlieren und und echte Kommunikation in den Hintergrund gerät.
„Wie kann es sein, dass Friedrich Schiller so umtriebig war und so unglaublich viele Schauspiele, Gedichte, Balladen, historische, prosaische und philosophische Schriften zu Papier gebracht hat, wo er doch gerade mal 45 geworden ist?“, fragte mich neulich einer meiner Studenten erstaunt. Obwohl es soziale Netzwerke damals noch gar nicht gab? „Ich bin mit Uni und Job so beschäftigt, dass ich nicht mal ein Gedicht zum Geburtstag meiner Freundin hinbekomme.“
Soziale Netzwerke vervielfachen die Möglichkeiten der Kommunikation
„Schiller hatte kein Telefon, weder einen Festnetzanschluss, noch einen mobilen, kein Internet zum Surfen, kein Smartphone und keine Plattformen zum sozialen Austausch“, entgegnete ich. „Wie schrecklich!“, gibt der Student zurück, „das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Wie viele Möglichkeiten des Lebensgenusses ihm und den Menschen seines Jahrhunderts entgangen sind!“ Wir leben im 21. Jahrhundert und wir haben auch durch soziale Netzwerke alle Möglichkeiten, sehr effizient Dinge zu erledigen, für die man zur Zeit des großen Schriftstellers, im 18. und 19. Jahrhundert, unendlich viel Zeit brauchte.
Das gilt für die meisten Lebensbereiche, gleich ob es die alltäglichen Arbeiten im Haushalt, die Produktion an Maschinen, das Reisen zu Kunden oder die Kommunikation betrifft. Eine E-Mail ist so schnell geschrieben, dagegen musste man früher für einen Brief auf einer Schreibmaschine deutlich mehr Zeit kalkulieren. Viele von uns haben sogar eine Freisprechanlage und können wichtige Telefonate während der Fahrt führen. Über soziale Netzwerke bleiben wir problemlos mit Kollegen und Freunden in Kontakt.
Soziale Netzwerke sind ein Segen, wenn sie richtig genutzt werden
Diese Zukunft vor Augen hätten Schiller und seine Zeitgenossen wahrscheinlich nicht nur von erheblicher Vereinfachung, sondern von einem paradiesischen Zustand gesprochen, die Möglichkeiten der multimedialen Kommunikation und Wissensbeschaffung als einen Segen bezeichnet. Und das sind sie ja auch: ein Segen! Wie viel entspannter ist man, wenn man seinen Gesprächspartner über die zu erwartende Verspätung durch einen Stau auf der A3 kurz telefonisch informieren kann. Wie viel schneller kommt die Einladung zur nächsten Tagung bei den Außendienstmitarbeitern an.
Per Whatsapp können wir die positiven Nachrichten eines Freundes kurz mit einem Smiley quittieren und ihm so sagen, dass wir uns mit ihm freuen. Wir können Musik- und Videodateien verschicken, unsere Freunde von Australien aus mit Bildern dieses traumhaften Urlaubs versorgen. Alles ist einfacher und schneller geworden, auch durch soziale Netzwerke. Wie kommt es dann, dass viele Menschen darüber klagen, immer weniger Zeit zu haben oder sogar das Gefühl „permanent der Zeit hinterherlaufen zu müssen“? Im gleichen Maße wie die vielfältigen Möglichkeiten zu permanenter und schneller Kommunikation ein Segen sind, so sind sie auch ein Fluch.
Soziale Netzwerke stehen bei den Zeitfressern an erster Stelle
Die BILD-Zeitung hat über die zehn größten „Zeitfresser“ des digitalen Zeitalters berichtet und ich gebe zu, dass diese Rangliste mich nicht überrascht hat.
- 1. Facebook & Co. (soziale Netzwerke)
- 2. TV-Serien schauen
- 3. Spiele-Apps.
- 4. Internet-Surfen
- 5. In Foren Kommentare lesen und schreiben
- 6. Online-Games (zocken)
- 7. Youtube/Let’s Play-Videos gucken
- 8. Treiber/Updates installieren
- 9. MP3- und Foto-Sammlung sortieren
- 10. E-Mails
Denken Sie einmal an Ihre eigenen Online-Aktivitäten, dann werden Sie sich vielleicht sagen, dass es doch täglich nur ein paar Minütchen zur Entspannung sind, die Sie im Web und für soziale Netzwerken verbringen. Das Gefährliche beim Netz-Werke(l)n ist nur, dass wir tatsächlich oft jegliches Zeitgefühl verlieren und/oder uns das, was wir gerade tun, geradezu schönreden. „Ich muss einfach bei XING präsent sein und mich dort jeden Tag einmal sehen lassen, das ist gesundes Networking! Präsenz ist heutzutage einfach alles!“
Soziale Netzwerke werden teilweise persönlichen Gesprächen vorgezogen
Ulli, der so auf XING schwört, ist im Außendienst tätig und ich frage ihn, wann er denn vorzugsweise auf der Plattform aktiv sei. „Meist abends nach dem Essen, dann sind die Kinder im Bett und meine Frau sitzt vor dem Fernseher.“ „Und wie sieht es mit der Präsenz bei deiner Frau aus?“, will ich wissen, aber Ulli sieht mich nur verärgert an. Vor XING und den anderen sozialen Netzwerken hat Ulli wenigstens zusammen mit seiner Frau auf der Couch gesessen und wenn auch nicht viel gesprochen wurde, so war es doch ein gemeinsames „Erlebnis“.
Vor dem Computer sitzt man allein. Beim Spielen auf dem Smartphone ist man auch allein oder hat allenfalls irgendwelche virtuellen Gegner. Beim Liken, Chatten und Flirten auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken ist man auch allein und wen wundert es, dass ein neues Krankheitsbild entstanden ist, das „Facebook-Abhängigkeits-Syndrom“ und in England bereits jede dritte Ehe aufgrund von Facebook-Aktivitäten geschieden wird?!
Soziale Netzwerke können das reale Erleben nicht ersetzen
Früher sah man in Restaurants Paare sitzen, die sich – mehr oder weniger gut – unterhielten, jetzt sieht man die gleichen Paare dort sitzen, die vor und nach dem Essen Whatsapp-Nachrichten verschicken. Es werden andere Menschen mit an den Tisch geholt – virtuell! Ganz gleich, welche Entscheidung wir treffen, wir zahlen dafür einen Preis. Und das, was heute durch soziale Netzwerke so anregend, so interessant, so prickelnd sein kann (wer mag es nicht, wenn Jaqueline, die gutaussehende Blondine, die man aus dem Event-Forum kennt, das neue Profilfoto liked!), führt womöglich irgendwann in die Einsamkeit, allerdings ist es dann keine selbstgewählte mehr.
Aber was soll’s, auch das ist ja einfach: Elite, Parship oder Friendscout sorgen dafür, dass schnell wieder ein neuer Partner am Start ist. Oberflächlicher geht es fast nicht mehr und vielleicht verlieren wir am Ende durch soziale Netzwerke alle eines: die Fähigkeit, echte Nähe zu ausgesuchten Menschen herzustellen. Aber es gibt ja immer eine soziale Gerechtigkeit, mal verlieren wir, mal gewinnen die anderen und das sind zweifellos Zuckerberg & Co.
Soziale Netzwerke können in eine Online-Sucht führen
Rührt sich vielleicht etwas in Ihnen? Haben Sie schon länger kein wirklich gutes Gespräch mehr mit Ihrem Partner gehabt? Haben Sie an die Umsetzung Ihres Traumes vom eigenen Buch schon lange nicht mehr gedacht? Besteht Ihre einzige körperliche Ertüchtigung im Bewegen der Finger auf der Tastatur beim Surfen in sozialen Netzwerken? Haben Sie das Bedürfnis, eine Whatsapp immer gleich zu beantworten, auch wenn Sie gerade an etwas Wichtigem sitzen? Drehen Sie beinah durch, weil Sie mal wieder keinen Empfang haben?
Dann … Ich will Sie nicht erschrecken, aber eine Sucht entsteht oft schneller und unbemerkter als einem lieb ist. Das, was uns trägt, wenn die Dinge mal nicht so gut laufen, sind nicht die 566 Facebook-Freunde, die uns in guten Zeiten in den sozialen Netzwerken bewundern, sondern es sind die „echten“ Menschen in unserem Leben, die echten Partner, Kinder, Eltern, Freunde. Schauen wir doch einfach mal, ob wir die richtigen Prioritäten gesetzt haben.
www.schmidt-partner-solingen.de
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