Der Trend zum ‚Zurück-ins-Büro‘: Wie Büropflicht Jobwechselrisiken erhöht
Die Debatte über Büropflicht spiegelt breite Diskussionen wider, wie Arbeit und Flexibilität im modernen Arbeitsleben vereinbart werden können. Während einige die Rückkehr ins Büro als förderlich für Teamarbeit und Kreativität betrachten, sehen andere darin eine Belastung für Work-Life-Balance.
Nach dem Ende der Corona-Pandemie sind neue Stressfaktoren und Herausforderungen im Arbeitsleben von Frauen in Deutschland aufgetreten. Besonders bemerkbar macht sich dies bei der angeordneten Rückkehr ins Büro, die für Arbeitnehmerinnen negative Konsequenzen mit sich bringt. Dies belegt die aktuelle Deloitte-Studie „Women @ Work“, in deren Rahmen im vierten Jahr in Folge 5.000 Arbeitnehmerinnen aus zehn Ländern befragt wurden.
Büropflicht als Stressfaktor
Von den 500 Studienteilnehmerinnen in Deutschland gibt fast jede sechste an, dass ihr Arbeitgeber sie verpflichtet hat, an allen Arbeitstagen ins Büro zu kommen. Jede fünfte erhielt eine solche Verpflichtung zumindest für einen Teil der Arbeitstage. Unter den Frauen mit vollständiger Büropflicht berichten 37 Prozent, dass diese Verpflichtung ihr Stressniveau oder ihr seelisches Wohlbefinden negativ beeinflusst hat. In der Gruppe mit teilweiser Büropflicht geben dies 22 Prozent an. Weltweit liegen die entsprechenden Anteile etwas niedriger, bei 26 Prozent bzw. 18 Prozent.
„Je mehr Flexibilität Arbeitgeber bieten, desto mehr Chancen eröffnen sich vor allem für Frauen“, kommentiert Sandra Mühlhause, Chief People Officer bei Deloitte Deutschland. „In hybriden Arbeitsmodellen sollten zusätzliche Freiräume ermöglicht werden, um je nach Bedarf Arbeitszeit und -ort an die individuelle Situation anzupassen.“
Die Studie liefert auch eine mögliche Erklärung dafür, warum Anordnungen zur Büropflicht solche Probleme für Frauen verursachen können. Neben ihren beruflichen Verpflichtungen übernehmen viele Frauen auch zunehmend familiäre Aufgaben wie Kinderbetreuung und häusliche Pflege. Diese Aufgaben lassen sich im Alltag oft schwer mit einer Präsenzpflicht im Büro und der damit verbundenen fehlenden Flexibilität vereinbaren. So stieg der Anteil der Studienteilnehmerinnen, die in ihrem Haushalt die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung tragen, von 41 Prozent im Vorjahr auf nun 45 Prozent.
Büropflicht als Jobwechselgefahr
Viele junge Arbeitnehmer möchten den Job wechseln, weil sie nicht genug Homeoffice oder festen Bürozeiten haben. Dies geht aus dem neuesten Jobwechselkompass hervor, den die KÖNIGSTEINER GRUPPE in Zusammenarbeit mit Stellenanzeigen.de vierteljährlich veröffentlicht. Mit anderen Worten: Der Trend zum „Zurück-ins-Büro“ kann für Mitarbeiter ein Anlass zum Jobwechsel sein.
Für diejenigen, die über einen Jobwechsel nachdenken, ist die Möglichkeit, kontinuierlich im Homeoffice zu arbeiten, ein wichtiger Faktor bei ihren Entscheidungen. Im aktuellen Jahr haben 41 % der wechselinteressierten Mitarbeiter die Anweisung ihres Arbeitgebers erhalten, seltener von zu Hause aus zu arbeiten als im Jahr zuvor. Zudem berichten 40 % der potenziellen Wechselkandidaten, dass sie 2023 weniger Zeit im Homeoffice verbracht haben als im Jahr 2022.
„Viele Unternehmen planen für das kommende Jahr, ihre Mitarbeitenden wieder verstärkt an den Unternehmensstandort zu binden. In den USA beispielsweise wurde das sogar bei den großen Tech-Giganten schon 2023 umgesetzt. Aus Arbeitgebersicht ist es allerdings wichtig, dass behutsam zu tun und vor allem mit klaren Regelungen für Heim- und Präsenzarbeit zu versehen. Ansonsten könnte das für einige Beschäftigte zum Wechselgrund werden“, so Nils Wagener, Geschäftsführer der KÖNIGSTEINER GRUPPE, zu den Ergebnissen der Umfrage. Seine Beobachtung wird durch die Tatsache unterstützt, dass 56 % der Befragten, die einen Jobwechsel in Erwägung ziehen, Arbeitgeber mit festgelegten Homeoffice-Richtlinien bevorzugen. Mit anderen Worten: Reduktion von Homeoffice-Arbeit kann Wechselwunsch bei den Arbeitnehmenden auslösen.
Hauptgründe für „Zurück-ins-Büro“-Pflicht
Einen ganz anderen Standpunkt hat der Industrieverband Büro und Arbeitswelt e.V. (IBA) und führt aus seiner Perspektive – die Hauptgründe an, im kommenden Jahr verstärkt im Büro präsent zu sein.
- Direkte Begegnung statt technischer Ausfall – Wer glaubt, dass der persönliche Austausch im Büro ähnlich wie ein Videoanruf ist, hat vielleicht noch nicht die Überraschung erlebt, echte 3D-Interaktionen mit vertrauten Gesichtern zu erleben. Nur durch regelmäßige persönliche Treffen entsteht ein echtes Teamgefühl.
- Zwischenmenschliche Verbindungen über E-Mails – Trotz charmant formulierter E-Mails kann nichts den spontanen Austausch in der Büroküche ersetzen. Laut einer forsa-Umfrage aus 2023 schätzen 82% der Teilnehmer den direkten Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten. Ein einfacher Kaffeeplausch könnte sogar Ihre nächste große Inspiration sein.
- Gemeinsame Kreativität – Kreative Energien und die besten Ideen fließen oft in Gruppen. Persönliche Anerkennung und Feedback haben eine viel tiefere Wirkung als virtuelle Gesten oder E-Mails.
- Persönliche Interaktion statt Pixel – Eine physische Arbeitsumgebung beeinflusst nicht nur unser Wohlbefinden, sondern auch unsere Teamdynamik. Ein starker Netzwerkaufbau und zwischenmenschliche Beziehungen sind im Büroalltag leichter zu pflegen.
- Bewegung im Büro – Während bequeme Bürostühle auch zu Hause vorhanden sein mögen, bietet das Büro mehr Möglichkeiten für Bewegung und Abwechslung, von Treppensteigen bis zum Austausch zwischen verschiedenen Arbeitsbereichen.
- Räume für mentales Wohlbefinden – Trotz technologischer Fortschritte ist das Bedürfnis nach echten zwischenmenschlichen Beziehungen und Begegnungen unverändert. Büros bieten solche wertvollen Räume.
- Pausen und Perspektivwechsel – Das Homeoffice kann verführerisch sein, aber regelmäßige Pausen und ein klarer Arbeitsrhythmus sind entscheidend für unser Wohlbefinden. Ein Büroalltag bietet oft mehr Struktur und Abwechslung.
- Gemeinsames Lernen – Webinare können informativ sein, aber direkter Austausch und Diskussionen mit Kollegen fördern das Lernen und die Produktivität.
- Persönlichkeit vor Technologie – Trotz fortschreitender Technologie bleibt der Mensch im Büroalltag im Mittelpunkt. Hier zählt die menschliche Interaktion und die Wertschätzung der Arbeit.
- Eintauchen in das Team – Neue Mitarbeiter benötigen mehr als nur digitale Anweisungen. Durch persönliche Interaktionen und Beobachtungen vor Ort werden sie zu wertvollen Teammitgliedern und potenziellen Freunden.
In die Büroeinrichtung investieren
Aber man darf nicht vergessen, dass der Arbeitsplatz selbst eine entscheidende Rolle spielt. Wie eine aktuelle forsa-Umfrage im Namen des IBA zeigt, hat sich in den letzten Jahren viel in diesem Bereich getan. Fast die Hälfte (47 %) der Umfrageteilnehmer gab an, dass sie entweder bereits in die Büroeinrichtung investiert haben oder in naher Zukunft planen, dies zu tun. Dies unterstreicht, wie das Büro seinen Vorteil gegenüber dem Homeoffice, insbesondere im Hinblick auf Ergonomie, weiter ausbaut, heißt es in der Pressemitteilung des IBA. Denn: Ergonomische Lösungen bei Bürostühlen, Schreibtischen, Technologie sowie in den Bereichen Akustik und Beleuchtung haben nachgewiesenermaßen positive Auswirkungen auf die Gesundheit.
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