Von Berufs Wegen ins Ausland
Arbeitgeber schätzen auslandserfahrene Bewerber. Sie verfügen über einen weltmännischen Anstrich und geben ihrer Karriere einen Schub. Nur: Wie findet man als Einsteiger einen Job im Ausland?
Ohne das sechsmonatige Praktikum beim Energiekonzern Eletrobrás in Rio de Janeiro hätte Max Müller (Name geändert) den Einstiegsjob bei Endesa Energia in Madrid vielleicht nicht bekommen. Denn neben vielen spanischen Jungingenieuren hatten sich zwei Dutzend Kandidaten aus anderen Ländern um einen Platz auf dem Sprungbrett im Key-Account-Vertrieb beworben. „Ich war aber der Einzige, der ein Semester in den Staaten studiert und danach ein längeres Praktikum in Brasilien absolviert hat“, sagt Müller. Das, so glaubt der 27-Jährige, habe schließlich den Ausschlag gegeben.
Sesshafte Bewerber sind im Nachteil
Für manche mag es verrückt klingen, andere nicken und sagen „Na klar“: Während noch vor ein paar Jahren das Auslandsstudium oder der Arbeitsaufenthalt nach dem Examen einen Bonus gegenüber den sesshaften Bewerbern einbrachte, zählt es heute als Malus, wenn ein Kandidat nicht für längere Zeit das Land verlassen hat. Selbst von der Konjunktur begünstigte Ingenieure können sich nicht mehr sicher fühlen. Wer dem heimischen Biotop außer zu Urlaubszwecken immer treu geblieben ist, fällt im Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt zurück.
Selbst fließende Fremdsprachenkenntnisse machen das Manko nicht wett. Im Gegenteil: Im Vorstellungsgespräch kommt todsicher die Frage auf, warum der perfekt spanisch oder russisch sprechende Ingenieur nicht zumindest kurz in einem Land gearbeitet hat, in dem diese Sprache gesprochen wird. Was sagt man da? Die ehrliche Antwort „Keine Lust“ dürfte das Gespräch bald versiegen lassen. Die Variante: „Habe nichts Passendes gefunden“ ist auch nicht besser. Gerade Recruiter in internationalen Unternehmen erwarten den Schritt über den deutschen Tellerrand, der von Mut und Eigeninitiative zeugt. Aber wie findet man den Job im Ausland, der zum angestrebten beruflichen Profil und zur Persönlichkeit passt?
Mit einem eigenen Karriereplan durchstarten
Spontan kommen jedem die Onlinestellenbörsen in den Sinn. Weil sie fast überall etabliert sind, kann man sie mit Kenntnis der Landessprache und Hilfe von Suchmaschinen rasch finden. Nur was nützt es zu wissen, dass das Unternehmen XY eine Stelle für einen Junior-Ingenieur ausschreibt, wenn man weder das Land noch die dort im Business herrschenden Gepflogenheiten kennt? Gut, auch da kommt man mithilfe des Internets ein Stück weiter. Aber bringt einen das bis ins Personalbüro? „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bewerber aus Deutschland zur Vorstellung nach, sagen wir: Shanghai oder Chicago, eingeladen wird, geht gegen Null“, sagt Renate Schuh-Eder. Wegen der hohen Reisekosten brächten auch Blindbewerbungen nichts, fügt die Personalberaterin aus Vaterstetten bei München hinzu.
Sie hat sich mit Ihrer Firma auf die Vermittlung von Ingenieuren spezialisiert und zweifelt an der Eintrittswahrscheinlichkeit glücklicher Zufälle. „Als Absolvent, den es ins Ausland zieht, würde ich mir einen entsprechenden Karriereplan bauen“, rät Schuh-Eder. „In welcher Branche will ich arbeiten? Mit welchen Technologien? Bei welchen Unternehmen?“
Anschließend solle man die Homepages und Berichte über die infrage kommenden Firmen studieren, um einen Eindruck davon zu bekommen, ob eine Tätigkeit bei diesem Unternehmen gut ist für das berufliche Weiterkommen. „Man darf nicht nur an den ersten beruflichen Schritt denken, sondern muss die folgenden zumindest grob vor Augen haben“, sagt sie. „Damit sich im Lebenslauf der berühmte rote Faden erkennen lässt.“
Jobs im Ausland finden
Wenn die Branche, das Anwendungsgebiet, die Wunschtechnologie und eine Reihe von möglichen Arbeitgebern im Land eingekreist sind, schlägt die Beraterin vor, in den sozialen Medien nach Mitarbeitern zu suchen, die dort etwas zu sagen haben, und diese anzuschreiben. Am besten in der Landessprache, notfalls auf Englisch. „In dieser Mail beschreibt man kurz, was man kann und was man will“, sagt Schuh-Eder. Ganz wichtig sei es, deutlich zu machen, dass es der Lebenstraum sei, für diese Firma in diesem Land tätig zu sein. Fast jedem schmeichele es, wenn andere dort arbeiten möchten, wo man selbst schon angekommen ist. Außerdem zeuge das direkte Anschreiben davon, dass man sich Mühe gegeben hat, wichtige Personen in diesem Unternehmen zu finden.
|
Das wäre ein Weg. Es gibt aber noch einen zweiten, mitunter leichteren. Sehr viele deutsche Unternehmen sind im Ausland über Tochtergesellschaften vertreten. Deren Adressen, oft sogar die Namen der Ansprechpartner in den Fachbereichen oder in der Personalabteilung, stehen im Netz. Mit einem Anruf bei den Recruitern in der deutschen Zentrale lässt sich in Erfahrung bringen, ob Direktbewerbungen ins Ausland sinnvoll und erwünscht sind.
Nicht immer wird es das sein. Insbesondere Konzerne steuern ihre Personalplanung gerne über ein zentrales Recruiting. Das ist dann die richtige Anlaufstelle für die Bewerbung. Aus dem Anschreiben wird natürlich hervorgehen, dass man gerne in diesem oder in jenem Land arbeiten wolle. Es sollte aber auch die Bereitschaft erkennbar sein, sich in Deutschland einarbeiten zu lassen. Denn in der Regel schicken Arbeitgeber keine neuen und ihnen völlig unbekannten Mitarbeiter zu ihren Auslandstöchtern.
Frauen und Angehörige von Minderheiten können von Quotenregeln profitieren
In vielen Ländern haben sich Unternehmen freiwillig oder dem Gesetz folgend Einstellungsquoten für bestimmte Mitarbeitergruppen verordnet. Ingenieurinnen und Angehörige diversitygeschützten Minderheiten können davon auch in Hinblick auf Auslandsambitionen profitieren. Der Grund: Von ihnen sind normalerweise zu wenige an Bord, sodass für sie gerne die eine oder andere Ausnahme gemacht wird.
Bedeutung für die spätere Karriere richtig einschätzen
Was man bei allem Fernweh aber stets im Hinterkopf behalten sollte: Welches Maß an Auslandsaufenthalt ist gut für die Karriere? Tobias Dauth, Professor für Internationales Management an der HHL Leipzig Graduate School for Management, hat auslandserfahrene Führungskräfte gefragt, ob sich für sie der Schritt über die Grenzen gelohnt habe. Das Ergebnis: Für die spätere Karriere nicht unbedingt. „Arbeitgeber finden es zwar gut, wenn Berufseinsteiger Auslandsmärkte kennengelernt haben“, sagt Dauth. „Ab einem gewissen Punkt jedoch wirft umfangreiche Tätigkeit im Ausland zurück, weil es im Ausland nur schwer möglich ist, den Kontakt zum beruflichen Netzwerk in der Heimat aufrecht zu halten.“ Natürlich verhagelt interkulturelle Kompetenz nicht die Karriere, versichert der Professor. „Aber schneller befördert wird man allein deshalb nicht.“
Ein Beitrag von: