Betriebsbedingte Kündigung: Fristen, Abfindung, Sozialauswahl
In der aktuellen Wirtschaftslage herrscht Unsicherheit: Viele Unternehmen sehen sich mit Krisen, Kostensteigerungen und Personalabbau konfrontiert. Autozulieferer kündigen drastische Maßnahmen an, um ihre Strukturen zu optimieren. Betriebsbedingte Kündigungen werden zur Realität, und die Stimmung ist entsprechend angespannt.
Inhaltsverzeichnis
- Betriebsbedingte Kündigung: Was ist das?
- Abfindungen bei betriebsbedingten Kündigungen
- Wann und warum wird eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen?
- Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen
- Punktevergabesystem zur Sozialauswahl
- Was tun bei einer betriebsbedingten Kündigung?
- Die Rolle des Betriebsrats bei betriebsbedingten Kündigungen
- Fristen bei betriebsbedingter Kündigung
- Für wen gilt ein besonderer Kündigungsschutz?
Betriebsbedingte Kündigung: Was ist das?
Eine betriebsbedingte Kündigung bedeutet, dass ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter kündigt, weil es dringende betriebliche Gründe gibt, die eine Weiterbeschäftigung unmöglich machen. Das hat nichts mit Fehlern oder Fehlverhalten des Mitarbeiters zu tun, sondern hängt mit der Situation im Unternehmen zusammen.
Mit anderen Worten: Bei einer betriebsbedingten Kündigung verliert jemand seinen Job, weil das Unternehmen ihn aus wirtschaftlichen oder organisatorischen Gründen nicht mehr beschäftigen kann, nicht weil die Person etwas falsch gemacht hat.
Schlechte wirtschaftliche Lage, Standortschließung, Auftragsmangel, Insolvenz oder veränderte Marktbedingungen – es gibt viele Gründe, warum Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht ziehen. Neben personen- und verhaltensbedingten Kündigungen ist sie eine der drei Hauptgründe, aus denen Arbeitsverhältnisse beendet werden können. Allerdings stellt das Kündigungsschutzgesetz hohe Anforderungen, damit eine betriebsbedingte Kündigung rechtmäßig ist.
Abfindungen bei betriebsbedingten Kündigungen
Der Arbeitgeber kann eine Kündigung aussprechen und dem Arbeitnehmer gleichzeitig eine Abfindung anbieten, wenn dieser auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Das Gesetz legt fest, wie hoch die Abfindung sein sollte: ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Beschäftigungszeiten von mehr als sechs Monaten werden dabei auf ein volles Jahr aufgerundet (§ 1a KSchG).
Der Monatsverdienst entspricht dem Bruttogehalt des Arbeitnehmers, das ihm im Monat vor der Kündigung zusteht. Dabei müssen Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld sowie Zeitzuschläge, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, anteilig vom Arbeitgeber einbezogen werden (BAG, Urteil vom 19. Juni 2007, Az. 1 AZR 340/06).
Vor einer Kündigung bietet der Arbeitgeber oft einen Aufhebungsvertrag an. Damit lässt sich manchmal eine höhere Abfindung erreichen. Wichtig ist, die Vor- und Nachteile gut abzuwägen.
Ein Aufhebungsvertrag kann eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld auslösen (§ 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Droht aber ohnehin eine betriebsbedingte Kündigung, entfällt die Sperrzeit.
Wann und warum wird eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen?
Eine betriebsbedingte Kündigung kann ausgesprochen werden, wenn der Arbeitsplatz eines Mitarbeiters dauerhaft entfällt. Dies kann durch innerbetriebliche Gründe wie die Schließung von Abteilungen oder Standorten, Rationalisierungsmaßnahmen oder Produktionseinschränkungen bedingt sein. Außerbetriebliche Gründe, wie ein Rückgang von Aufträgen oder Umsätzen, können ebenfalls dazu führen. Entscheidend ist nicht die finanzielle Lage des Unternehmens, sondern ob ein langfristiger Beschäftigungsbedarf besteht.
Der Arbeitgeber muss genau darlegen, warum der Arbeitsplatz nicht mehr benötigt wird. Allgemeine Aussagen, wie das Fehlen von Anschlussaufträgen, reichen nicht aus. Es muss nachvollziehbar sein, dass ein dauerhafter Rückgang von Aufträgen oder Umsätzen zu erwarten ist. Außerdem darf es keine Möglichkeit geben, den Mitarbeiter an anderer Stelle weiterzubeschäftigen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, alle Alternativen wie eine Versetzung oder eine Änderungskündigung zu prüfen, bevor eine betriebsbedingte Kündigung rechtens ist.
Ein Arbeitgeber, der Personal abbauen möchte, darf nicht frei entscheiden, wer bleiben und wer gehen muss. Stattdessen sind sozial schwächere Arbeitnehmer besonders geschützt. Das bedeutet, dass vor allem diejenigen entlassen werden, die sozial stärker sind, also weniger auf den Arbeitsplatz angewiesen sind, z. B. weil sie schneller eine neue Stelle finden können oder finanziell besser abgesichert sind.
Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen
In größeren Betrieben gibt es oft Regeln für die Auswahl, die mit dem Betriebsrat abgestimmt werden.
Die soziale Auswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung erfolgt in drei Schritten:
Vergleichbare Arbeitnehmer bestimmen:
- Tätigkeit: Nur Arbeitnehmer mit der gleichen Tätigkeit (z. B. Busfahrer) werden berücksichtigt.
- Hierarchie: Arbeitnehmer aus anderen Hierarchie-Ebenen (z. B. Vorgesetzte oder Helfer) werden nicht mit einbezogen.
- Fachliche Vergleichbarkeit: Die Mitarbeiter müssen in der Lage sein, die Aufgaben des sozial stärkeren Mitarbeiters ohne lange Einarbeitung zu übernehmen.
Ausnahme für wichtige Mitarbeiter:
Mitarbeiter, die aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten oder für die Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur unentbehrlich sind, werden aus der Auswahlgruppe herausgenommen.
Auswahl nach sozialen Kriterien:
Aus der verbleibenden Gruppe wird der oder die zu Kündigende unter Berücksichtigung von vier sozialen Kriterien ausgewählt:
- Betriebszugehörigkeit
- Alter
- Familienstand
- Schwerbehinderung
Für jedes Kriterium werden Punkte vergeben. Je mehr Punkte jemand hat, desto stärker ist der Schutz vor Kündigung.
Die Gewichtung dieser Kriterien kann der Arbeitgeber selbst festlegen, muss aber dem Betriebsrat mitteilen und idealerweise mit ihm absprechen.
Punktevergabesystem zur Sozialauswahl
Dauer der Betriebszugehörigkeit:
- Bis 10 Jahre: 1 Punkt pro Jahr
- Ab 11 Jahren: 2 Punkte pro Jahr
Maximal: 70 Punkte (nur bis zum 55. Lebensjahr)
Lebensalter:
- Für jedes volle Lebensjahr gibt es 1 Punkt
- Maximal: 55 Punkte
Familienstand:
- Kinder: 4 Punkte für jedes unterhaltsberechtigte Kind
- Ehepartner/Lebenspartner: 8 Punkte für den unterhaltsberechtigten Ehegatten/Lebenspartner
Schwerbehinderung:
- Bis 50 % Erwerbsminderung: 5 Punkte
- Über 50 %: 10 Punkte für je 10 % Erwerbsminderung
Der Stichtag für die Berechnung der Dienstjahre und des Lebensalters ist der Tag der Kündigung.
Wichtig: Das Bundesarbeitsgericht hat 2022 entschieden, dass bei der Bewertung des Lebensalters eine Rentennähe von zwei Jahren negativ für den Arbeitnehmer berücksichtigt werden kann.
Ein Arbeitgeber muss bei einer betriebsbedingten Kündigung sorgfältig vorgehen und die Sozialauswahl nach klaren Regeln durchführen.
Mit zunehmender Betriebszugehörigkeit wächst die persönliche Bindung der Mitarbeiter an den Arbeitsplatz, z. B. durch die Wahl des Wohnorts, Freundschaften oder feste Lebensgewohnheiten. Deshalb genießen langjährige Arbeitnehmer einen besonderen Schutz.
Zusätzlich zu den gesetzlichen Sozialkriterien können im Unternehmen individuelle Regelungen getroffen werden, etwa in einer Betriebsvereinbarung. Gibt es keine solche Richtlinie oder keinen Tarifvertrag, kann der Arbeitgeber ein Punkteschema nutzen. Dabei werden die Sozialkriterien bewertet, und anhand der Gesamtpunktzahl wird entschieden, wer innerhalb der Vergleichsgruppe gekündigt wird.
Was tun bei einer betriebsbedingten Kündigung?
Wenn Sie eine betriebsbedingte Kündigung erhalten, sollten Sie überlegen, ob Sie dagegen vorgehen möchten, z. B. durch eine Kündigungsschutzklage.
Wichtig: Sie haben nur drei Wochen ab Erhalt der Kündigung Zeit, um die Klage einzureichen. Nach Ablauf dieser Frist gilt die Kündigung automatisch als wirksam, selbst wenn sie eigentlich unwirksam hätte sein können.
Die Rolle des Betriebsrats bei betriebsbedingten Kündigungen
Der Betriebsrat spielt eine wichtige Rolle bei betriebsbedingten Kündigungen. Wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter ein Punktesystem zur Sozialauswahl verwenden möchte, muss der Betriebsrat mitbestimmen. Falls keine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erreicht wird, entscheidet eine Einigungsstelle, die dann das Ergebnis der Verhandlungen ersetzt. In größeren Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern hat der Betriebsrat außerdem das Recht, Richtlinien festzulegen, die die fachlichen, persönlichen und sozialen Kriterien für die Auswahl der Mitarbeiter bei personellen Entscheidungen definieren.
Fristen bei betriebsbedingter Kündigung
Die Kündigungsfrist bei einer betriebsbedingten Kündigung hängt von der Dauer der Betriebszugehörigkeit ab. Sie richtet sich entweder nach dem Arbeitsvertrag oder nach den gesetzlichen Regelungen. Hier sind die wichtigsten Fristen:
- 2 Jahre Betriebszugehörigkeit: 1 Monat zum Monatsende
- 5 Jahre Betriebszugehörigkeit: 2 Monate zum Monatsende
- 8 Jahre Betriebszugehörigkeit: 3 Monate zum Monatsende
- 10 Jahre Betriebszugehörigkeit: 4 Monate zum Monatsende
- 12 Jahre Betriebszugehörigkeit: 5 Monate zum Monatsende
- 15 Jahre Betriebszugehörigkeit: 6 Monate zum Monatsende
- 20 Jahre Betriebszugehörigkeit: 7 Monate zum Monatsende
Die Frist gilt immer bis zum Ende eines Kalendermonats. Je länger jemand im Unternehmen arbeitet, desto länger ist auch die Kündigungsfrist.
Eine Ausnahme gibt es im Falle einer Insolvenz. Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten die normalen Kündigungsfristen, die im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Gesetz festgelegt sind. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt jedoch eine spezielle Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende, es sei denn, der Arbeits- oder Tarifvertrag sieht eine kürzere Frist vor. In diesem Fall ist die Kündigung bei einer Insolvenz also einfacher und erfolgt mit einer verkürzten Frist.
Für wen gilt ein besonderer Kündigungsschutz?
Ein besonderer Kündigungsschutz gilt für bestimmte Personengruppen. Dazu gehören schwangere Frauen, Mütter nach der Entbindung, Auszubildende, schwerbehinderte Menschen, Betriebsratsmitglieder und Wehrdienstleistende.
Für Mitarbeiter in Elternzeit gilt, dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass die betroffene Person während der Kündigung und auch nach dem Ende der Elternzeit nicht weiterbeschäftigt werden kann.
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