Welche Führungsqualitäten braucht ein Chef?
Wer seine Kommilitonen oder Kollegen im Zaum halten kann, gilt gemeinhin als führungsstark. Für den Chefsessel taugen solche Charakterzüge aber nicht.
In der Definition von Führungsstärke scheint der gesunde Menschenverstand fehlgeleitet. Als Führungspersönlichkeiten gelten häufig meinungsstarke, autoritäre Typen. Doch in der Wirtschaft sind diese Charakterzüge nicht förderlich. Die Auswahl von Führungskräften wird nach ganz anderen Gesichtspunkten getroffen. Wir stellen ihnen einige vor, die als Steigbügel zu höheren Hierarchiestufen gelten.
Kommunikationswille
Vorgesetzte halten idealerweise die Strippen der eignen Abteilung in der Hand. Sie sollten sich also Zugang zu allen wichtigen Informationen sichern können und diese auch zeitnah zu den richtigen Ansprechpartnern weiterleiten. Beispielsweise sollte der Entwicklungsingenieur als einer der Ersten darüber informiert werden, dass sich die Gesetzeslage in seinem Tätigkeitsbereich geändert hat und er sollte den Standpunkt des Unternehmens dazu kennen. Ein Vorgesetzter, der Informationen für sich behält, um seine Position zu festigen, wird kaum zu halten sein auf Dauer.
Drei gravierende Fehler können Chefs im Bereich der Kommunikation unterlaufen: nicht kommunizieren, schlecht kommunizieren, ausschließlich kommunizieren. Ersteres hemmt wie aus dem oben aufgeführten Beispiel ersichtlich die Arbeit des ganzen Teams. Wenn Informationen nicht mehr frei fließen, sondern an einigen Stellen eingehalten werden, schnüren sie andere Mitarbeiter von aktuellen Entwicklungen ab. Ein Chef, der nicht kommuniziert, wird zudem nicht als Verbündeter wahrgenommen, er schneidet sich also auch selbst von der Kommunikation innerhalb seiner Organisation ab. Gute Vorgesetzte sollten willens und in der Lage sein, zu kommunizieren. Und das kann man lernen. Kein Führungsseminar und kein Studium kommt heute noch ohne Soft-Skill-Angebot aus – von Rhetorikgrundlagen bis hin zu Präsentationstechniken. Der dritte Fauxpas, der Führungskräften nicht unterlaufen darf, ist ausschließlich zu kommunizieren und darüber zu vergessen, dass andere auch gute Ideen und Vorschläge haben. Zuhören ist also eine Eigenschaft, die jedem Chef gut zu Gesicht steht.
Führungsanspruch
Als Vorgesetzter ist man naturgemäß in einer mächtigeren Position als die unterstellten Mitarbeiter. Idealerweise kann der Einzelne damit aber umgehen, dass er zwar seine Autorität sicherstellt, sich aber dennoch als Teil des Teams verstehen kann. Voraussetzung für diese Verhaltensweise ist, dass man Mitarbeiter nicht als Konkurrenten begreift, sondern ihre individuellen Stärken und Fähigkeiten im Sinne des Unternehmens fördert.
Wer eine Führungsposition aus Machtgründen anstrebt oder besetzt, wird sie nur unter Verlusten halten können. Vor allem altgediente Mitarbeiter werden langfristig keinen Vorgesetzten akzeptieren, der ihnen ausschließlich Vorschriften macht, ohne ihre Fähigkeiten und Kenntnisse in seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Ebenso verhält es sich mit den jungen Mitarbeitern. Über die Generation Y wurde viel geschrieben und ein Wesenszug scheint ihnen sicher: Sie suchen nach Anerkennung. Ein Vorgesetzter, der ihnen das Gefühl gibt, noch nicht reif zu sein, wird sie verprellen.
Einfühlungsvermögen
Als Chef sind Sie immer nur so glaubwürdig, wie Sie sich selbst machen. Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion inne. Mütter in Führungspositionen dürften diesen Spagat nur allzu gut kennen: Während sie selbst um 16 Uhr den Stift fallen lassen müssen, um das Kind rechtzeitig aus der Kita zu holen, sollen die Mitarbeiter erst die Computer herunterfahren, wenn das vordefinierte Tagesziel erreicht ist. Diese Diskrepanz belastet das Arbeitsklima zwischen den Mitarbeitern und der Vorgesetzten. Hier gilt: Auch Führungskräfte haben das Recht auf ein Privatleben und müssen nicht mindestens zwei Stunden mehr am Tag arbeiten als alle anderen. Wenn es eine offensichtliche Diskrepanz gibt, sollte sie aber im Team angesprochen werden. Denn solange sich eine Seite ungerecht behandelt fühlt, wird sie kein Verständnis für ihren Gegenüber aufbringen können.
Die Rolle der Führungskraft verlangt also soziale Fähigkeiten. Ein Chef sollte auf die Mitarbeiter eingehen, Sorgen und Ängste ernst und Kritik annehmen können. Nur wer nah genug an seinem Team dran ist, um die internen Verflechtungen zu erkennen, kann die Abteilung auch in seinem Sinne lenken. Wenn ein Projektleiter beispielsweise seit zwei Jahren um die Aufrechterhaltung seiner Gelder kämpft, wird ihn kein Vorgesetzter zur fristgerechten Einreichung seiner Etappenziele motivieren können. Wer die Zwänge der eigenen Mitarbeiter dagegen versteht, kann sie bei der Lösungsfindung unterstützen. Daher empfiehlt es sich als Vorgesetzter, mit einer Politik der offenen Tür leben zu können. Nur wenn Mitarbeiter wissen, dass sie mit ihren Problemen gehört werden, teilen sie sie auch mit.
Selbstvertrauen
Bei allem Miteinander wäre es aber falsch zu sagen, dass man sich als Vorgesetzter einfach wie ein Teil des Teams verhalten kann. Das ist in den wenigsten Fällen realistisch. Führungskräfte haben in der Regel mehr Macht als ihre Mitarbeiter und sind im Zweifelsfall auch dazu angehalten, sie zu nutzen. Insbesondere wer in der eigenen Abteilung aufsteigt, wird diese Erfahrung bereits gemacht haben. Galt man den Kollegen früher noch als Kumpel, wird man nun verdächtigt, „einer von denen da oben“ zu sein. Auf eine solche Situation sollten Aufsteiger zumindest vorbereitet sein, denn Hierarchieverschiebungen bringen neue Zwänge mit sich.
In einer Führungsposition nehmen die Erwartungen zu. Sie kommen nun sowohl vom eigenen Vorgesetzten als auch von den Mitarbeitern. Ein gesundes Selbstbewusstsein und das nötige fachlich Know-how sind hier unabdingbar. Denn die Erwartungen, die auf eine Führungskraft einsprudeln, sind nicht immer miteinander kompatibel. Nur wer sich selbst vertraut, kann in einer solchen Situation die Ruhe bewahren, notwendige Schritte gehen, und wenn nötig schmerzhafte Entscheidungen fällen.
Vorstellungskraft
Nicht zuletzt braucht eine Führungskraft natürlich ein unternehmerisches Ziel, das sie verfolgt. Nur wer mit großen Ideen und Visionen antritt, kann auch andere für seinen Weg begeistern. In diesem einen Fall hatte Altbundeskanzler Schmidt also ausnahmsweise Unrecht: Wer eine Vision hat, muss nicht gleich zum Arzt gehen, er kann auch den Chefsessel ansteuern. (Und weil Schmidt vielen Deutschen als große Führungspersönlichkeit gilt, sei zu seiner Verteidigung gesagt: Diese pampige Antwort auf eine unliebsame Frage war so ernst vielleicht gar nicht gemeint.)
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