Kompetente Gesprächsführung 05.01.2018, 11:21 Uhr

Wie Ingenieure im Personalgespräch souverän mit Kritik umgehen

Wenn Vorgesetzte im Personalgespräch einen unangemessenen Tonfall anschlagen, sollten Ingenieure möglichst ruhig und souverän reagieren, jedoch keinesfalls ungerechtfertige Kritik akzeptieren. Das können sie mit einfachen Strategien im Vorfeld üben.

Personalgespräch: Vorher Strategien üben.

Personalgespräch: Vorher Strategien üben.

Foto: panthermedia.net/baranq

„Empört euch!“, nannte der ehemalige französische UN-Diplomat Stephane Hessel sein Essay, mit dem der bei Veröffentlichung 93-Jährige zum politischen Widerstand aufrief. Inhalt der Streitschrift war unter anderem, dass wir uns eben über nichts mehr empören und Ungeheuerlichkeiten als Selbstverständlichkeiten hinnehmen würden. Was Hessel auf höchster Wirtschaftsebene beschreibt, lässt sich auch in vielen kleinen Alltagssituationen in Unternehmen beobachten, bei Ingenieuren zum Beispiel im Personalgespräch. Situationen, von denen viele betroffen sind, in denen sich aber kaum jemand wehrt, aus Angst den Arbeitsplatz zu verlieren.

Kathrin arbeitet seit einem Monat als Außendienstlerin im Vertrieb, sie ist branchenfremd, aber begeistert von den Produkten und hochmotiviert. Das war bevor die Ingenieurin ihr erstes Personalgespräch hatte. Denn nach zwei Wochen Einarbeitungszeit besucht sie zum ersten Mal allein die Kunden und macht gleich in ihrer ersten Woche einen Umsatz von 25.000 Euro. Er katapultiert sie auf Platz 1 der Umsatzliste. Sie hat damit mehr verkauft als alle langjährigen Kollegen, mehr als ihr Chef. Postwendend erhält sie eine SMS ihres Vorgesetzten, die er an das gesamte Team verschickt hat: „Unsere Kathrin hat das Unmögliche möglich gemacht und gleich 25.000 Euro umgesetzt. Chapeau!“

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Ungerechtfertigte Kritik im Personalgespräch

Kathrin freut sich unbändig und legt sich nach dieser Nachricht noch mehr ins Zeug. Sie besucht vier Kunden täglich, kümmert sich zwischendurch um die eine oder andere Reklamation und scheut sich auch nicht davor, schnell mal einen Kaltakquise-Termin einzuschieben. Wenn sie um 17 Uhr ihren knapp dreijährigen Sohn von der Tagesmutter abholt (sie ist alleinerziehend), hat sie in den zwei Stunden, bis der Kleine ins Bett geht, noch ein strammes Programm. Spätestens um 20 Uhr sitzt sie wieder an ihrem Laptop, gibt die Aufträge ein, verschickt und beantwortet E-Mails und arbeitet weiter an ihren Produktkenntnissen.

Ihre Freizeit beschränkt sich auf die Zeit von 0 bis 6 Uhr morgens. Ihr macht das nichts aus, denn sie will verkaufen. Sie will den Erfolg für sich und natürlich für das Unternehmen. In ihrer zweiten Woche macht sie einen ganz normalen Umsatz, liegt im Mittelfeld des Ratings. Am Freitagabend ruft ihr Chef an und verpasst der Ingenieurin in diesem Personalgespräch einen „Einlauf“. Vier feste Termine am Tag seien nicht genug, ein mittelmäßiger Umsatz sei nicht ausreichend, und wenn sie nicht fleißiger sei, dann sei sie im falschen Unternehmen.

Defensive Ingenieure im Personalgespräch

Sie wendet im Personalgespräch ein, dass sie ein Kind habe und fünf Termine am Tag angesichts der vielen Reklamationen zwischendurch nicht zu schaffen seien. Ihr Chef ist ungerührt, das sei ihr Problem, dann müsse sie halt samstags arbeiten. Mit dieser Haltung käme sie nicht weit. Kathrin sagt im Verlauf des Gespräches nichts mehr. Sie kann nichts mehr sagen, weil sie so sehr damit beschäftigt ist, ihre Tränen zurückzuhalten. Ihr Wochenende ist vermasselt, ihre Stimmung ist genauso auf dem Tiefpunkt wie ihre Motivation, montags wieder Gas zu geben.

Was immer man über das Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip des Vorgesetzten denken mag, höchst verwunderlich ist Kathrins Reaktion in diesem Personalgespräch. Durch den rüden Ton des Chefs und die harten Worte ist sie völlig verunsichert und nicht mehr in der Lage, angemessen zu reagieren und die Sichtweise des Chefs zu korrigieren. „Was hätte sie den machen sollen? Wenn sie sich gewehrt hätte, wäre sie ihren neuen Job doch gleich los“, werden einige von Ihnen jetzt vielleicht denken. Ich glaube, Sie irren.

Couragiertes Auftreten von Ingenieuren im Personalgespräch

Einen neuen Mitarbeiter einzustellen, einzuarbeiten, den Kunden vorzustellen, bedeutet für das Unternehmen zunächst einmal viel Geld investieren zu müssen. Und der Vorgesetzte, der Kathrin selbst eingestellt hat, wird sich vor seinem Big Boss nicht die Blöße geben wollen, eine falsche Wahl getroffen zu haben. Was ich glaube, wird durch das untermauert, was im Anschluss an das unerfreuliche Telefonat zwischen Kathrin und ihrem Chef passierte: Die Teamkollegen telefonierten miteinander und es stellte sich heraus, dass alle in einem Personalgespräch solch einen „Einlauf“ bekommen hatten.

Alle, bis auf einen. Jens, ein ebenfalls noch relativ neuer Mitarbeiter, dessen Umsätze auch nicht höher lagen als die der anderen in dieser Woche, ist nicht für ein Personalgespräch angerufen worden. Jens ist ein Mensch, der nach dem Motto handelt: „Tritt fest auf, tu’s Maul auf, hör bald auf!“ Auf meine Frage, wie ich das in Bezug auf seine Arbeit im Unternehmen zu verstehen habe, erklärt er mir: „Ich bin in allem, was ich tue, entschieden und konsequent. Ich gebe immer mein Bestes für das Unternehmen. Aber „das Beste“ kann in einer Woche zu einem höheren Umsatz führen als in einer anderen. Das ist so und ich akzeptiere es, weil ich das Kaufverhalten der Kunden nur in Maßen beeinflussen kann.“

Im Personalgespräch klare Grenzen setzen

Gleich zu Anfang hat Jens auch einmal einen solchen Anruf bekommen und die unsachliche Kritik im Personalgespräch nicht einfach runtergeschluckt. Vielmehr hat er dem Chef gesagt, was er von dieser Art von Demotivation halte und der Vorgesetzte sich bitteschön einen anderen suchen solle, wenn er der Meinung sei, der könne es besser. „Und was bedeutet der dritte Teil deines Mottos, das „Hör bald auf“?“, will ich wissen.

„Ich lamentiere nicht stundenlang, ich rechtfertige mich nicht, sondern ich mache nur in wenigen klaren Sätzen meinen Standpunkt deutlich. Nach einem solchen Personalgespräch gräme ich mich nicht, sondern mache weiter wie bisher. Ich lasse mir doch meine Würde nicht nehmen. Auch nicht von einer Person, die in der Hierarchie über mir steht. Tatsächlich habe ich nie wieder einen solchen Anruf bekommen und der Chef geht insgesamt eher vorsichtig mit mir um.“

Ein Personalgespräch auf Augenhöhe für Ingenieure

Jens hat also im Gegensatz zu Kathrin den Anfängen gewehrt und gleich deutlich gemacht, dass diese Art von Umgang mit ihm nicht zu machen ist. Durch seine Reaktion im Personalgespräch hat der Ingenieur dem Vorgesetzten gezeigt, dass er ein Gesprächspartner auf Augenhöhe ist, in friedlicher Mission unterwegs. Aber in dem Moment, in dem der Chef den Säbel wetzt, durchaus bereit, auch seinen zu zücken. Wenn Kathrin ihren Vorgesetzten gewähren lässt und in dem von ihm initiierten Machtspiel nach seinen Regeln „mitspielt“, wird sie noch oft verbale Prügel beziehen.

Nun ist nicht allen von uns Jens‘ Unerschrockenheit gegeben und dummerweise kommen solche Attacken ja meist unverhofft und man hatte keine Gelegenheit, sich vor dem Personalgespräch gute Gegenargumente zurechtzulegen. Dennoch muss man nicht wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen, sondern kann immer noch mit erhobenem Kopf aus einem Gespräch herausgehen. Die einfachste Variante ist die: Sie hören dem Vorgesetzten ruhig zu und kommentieren zwischendurch einmal mit einem knappen „Hm“ oder „Ja“. Das ist kein Zeichen dafür, dass Sie im Recht geben, sondern nur ein Beweis, dass Sie ihm gut zuhören.

Wie Ingenieure im Personalgespräch mit Kritik umgehen sollten

Wenn er fertig ist, danken Sie ihm dafür, dass er Ihnen seine Sichtweise offenbart hat und beenden das Gespräch relativ zügig mit Worten wie diesen: „Bitte geben Sie mir Gelegenheit, das gerade Gehörte erst einmal wirken zu lassen. Ich möchte mir gerne ein paar Gedanken dazu machen und Sie dann noch einmal darauf ansprechen, denn in der Tat sind das ja wichtige Themen, über die Sie gerade gesprochen haben.“ Wenn es Ihnen dabei gelingt, im Personalgespräch freundlich zu lächeln, sind Sie schon auf dem allerbesten Weg zu einem souveränen Auftritt.

Am besten setzen Sie sich dann gleich nach dem Personalgespräch hin und notieren sich die vom Chef genannten Punkte, ohne jede Wertung, zum Beispiel: Vorwurf des Chefs: „Vier Termine am Tag sind nicht genug.“ Ihre Reaktion: „Ich akzeptiere die Forderung und nehme auch die Kaltakquise-Termine und die Besuche zum Aufnehmen von Reklamationen in meinen Kalender auf.“ Vorwurf: „Sie sind nicht fleißig genug.“ Ihre Reaktion: „Ich arbeite an fünf Tagen in der Woche 12 Stunden. Mehr ist mir nicht möglich und ich halte es auch nicht für sinnvoll. Denn dann würde ich die Kunden nicht mehr so gut und konzentriert betreuen können.“

Das Personalgespräch per Telefon oder Mail fortsetzen

Diese Notizen legen Sie sich entweder auf den Schreibtisch, wenn Sie ihn zu diesem Thema zurückrufen. Oder Sie schreiben ihm eine Mail, dann hat er Ihre Darstellung gleich schwarz auf weiß und es gibt keine weitere Diskussion. „Wehren“ muss für Ingenieure im Personalgespräch nicht „kämpfen“ heißen, sondern einfach eine Korrektur der Sichtweise, eine Neufestlegung der Spielregeln, manchmal auch ein Erhalt der persönlichen Würde.

Ein Beitrag von:

  • Renate Eickenberg

    Renate Eickenberg ist Coach, Beraterin sowie Autorin. Sie prüft für Ingenieure und Ingenieurinnen Bewerbungsunterlagen und gibt in Ihren Artikeln Karrieretipps.

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