Studie 05.08.2024, 09:13 Uhr

Wie Perfektionismus und Zeitdruck am Arbeitsplatz Stress verursachen

Viele Menschen arbeiten bis zur völligen Erschöpfung oder sogar darüber hinaus. Stress wird jedoch nicht nur durch die Arbeitsmenge oder den Zeitdruck verursacht. Eine neue Studie zeigt, dass es vor allem an unseren eigenen Erwartungen und dem Umgang mit Stress liegt.

Stress

Frauen unter Druck: Doppelbelastung durch Familie und Karriere als Stressursache.

Foto: PantherMedia / Yuri Arcurs

Viele Menschen erreichen bei der Arbeit oft ihre Belastungsgrenzen oder überschreiten sie sogar. Eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännische Krankenkasse zeigt, dass fast 43 % der Berufstätigen regelmäßig hohem Druck und Belastungen am Arbeitsplatz ausgesetzt sind. Etwa jeder siebte Arbeitnehmer (15 %) erfährt sehr häufig Stress, wobei dieser Anteil bei berufstätigen Frauen auf 20 % steigt – also jede fünfte Frau.

Was verursacht Stress am Arbeitsplatz?

Die Hauptursachen für Stress am Arbeitsplatz sind:

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  • Perfektionismus: Rund 65 % der Berufstätigen fühlen sich durch ihre eigenen hohen Ansprüche unter Druck, ihre Aufgaben perfekt zu erledigen.
  • Zeitdruck: 62 % empfinden den Zeitdruck im Arbeitsalltag als großen Stressfaktor.
  • Erwartungen anderer: 40 % der Arbeitnehmer sind durch die Erwartungen anderer gestresst.

Zusätzlich zu Perfektionismus und Zeitdruck gibt es weitere Stressursachen am Arbeitsplatz. Rund 36 % der Berufstätigen empfinden zu viele Überstunden als belastend, während 32 % unter hohen Leistungsanforderungen leiden. Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben betreffen 27 % der Arbeitnehmer, und 23 % finden ihr Gehalt zu niedrig.

Weitere Stressfaktoren sind eine schlechte Stimmung im Team, die 21 % der Befragten als stressig empfinden, sowie Mobbing, das ebenfalls 21 % belastet. Schließlich fühlen sich 19 % der Berufstätigen durch die Kontrolle ihrer Vorgesetzten gestresst.

Fehlzeiten steigen

Laut der Umfrage von forsa haben etwa 28 % der Berufstätigen schon einmal wegen hohem Druck und Stress am Arbeitsplatz gefehlt. Daten der KKH zeigen, dass die Fehltage aufgrund stressbedingter psychischer Probleme, wie akuter Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen, im ersten Halbjahr 2024 auf 109 Tage pro 100 Versicherte gestiegen sind. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 105 Tage, und vor fünf Jahren, 2019, lagen sie noch bei 75 Tagen.

Bei depressiven Episoden stiegen die Fehltage im Vergleich der letzten fünf Jahre von 89 auf 102 Tage pro 100 Versicherte. Auch die Fehltage wegen Burnout, das oft als Vorstufe zu schwerwiegenderen seelischen Problemen gilt, sind seit 2022 hoch (elf Tage pro 100 Erwerbstätige). 2019 waren es noch acht Tage.

Insgesamt haben sich die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen seit letztem Jahr auf dem höchsten Stand seit Beginn der Erhebung im Jahr 2017 erhöht. Damals waren es 298 Tage pro 100 ganzjährig versicherte Berufstätige, heute sind es 388 Tage.

Perfektionismus als Zeichen von Leistungsfähigkeit

„Unsere Umfrage zeigt, dass Stress sehr individuell wahrgenommen und stark von der eigenen Einstellung beeinflusst wird“, erklärt KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick. Das wird zunächst als gute Nachricht angesehen, da daran gearbeitet werden kann, ohne direkte Veränderungen im Job oder an den Rahmenbedingungen vornehmen zu müssen. Dennoch wird der äußere Druck nicht vernachlässigt: In der heutigen Leistungsgesellschaft wird Stress häufig als Statussymbol betrachtet, und Perfektionismus wird als Zeichen von Leistungsfähigkeit angesehen.

Darüber hinaus haben sich die ständige Erreichbarkeit durch Smartphones und die immer mehr verschwimmenden Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben mittlerweile als selbstverständlich etabliert. Es wird als Inbegriff von Erfolg betrachtet, ständig erreichbar zu sein und in allen Bereichen – vom Job über die Familie bis hin zu Freizeit und Sport – Perfektes abzuliefern.

Frauen sind mehr gestresst

Laut einer Umfrage von forsa fühlen sich deutlich mehr berufstätige Frauen als Männer sehr häufig gestresst (20 % im Vergleich zu 11 %). Antje Judick erklärt, dass dies nicht überraschend ist, wenn man die Doppelbelastung von Familie und Beruf berücksichtigt. Frauen müssen heute nicht nur als Mütter glänzen und Freizeitaktivitäten organisieren, sondern auch eine perfekte Karriere aufbauen. Der Druck ist daher enorm. Frauen sind häufiger von stressbedingten psychischen Problemen wie Anpassungsstörungen und Depressionen betroffen, da sie oft weniger Zeit für Erholung haben. Bei Männern hingegen sind die Hauptursachen für Dauerstress meist beruflicher Natur. Sie haben häufig den Anspruch, sich über ihren Job zu profilieren, was neben Überlastung auch zu einem Burnout führen kann.

Warnzeichen des Körpers werden übersehen

Allerdings muss man sehr vorsichtig sein. Denn: Das Ausbrennen passiert langsam. Anfangs sind Betroffene sehr aktiv, treffen viele Entscheidungen und fühlen sich stark. Fehlen danach jedoch Erholungszeiten, können Symptome wie Kopfschmerzen, Verspannungen, Stimmungsschwankungen oder Schlafprobleme auftreten. Oft werden diese Warnzeichen des Körpers übersehen oder nicht ernst genommen. Wenn man nichts dagegen unternimmt und keine Lösungen findet, kann man sich irgendwann völlig ausgelaugt und antriebslos fühlen. Das kann zu psychischen Erkrankungen führen.

Ein zusätzlicher Stressfaktor für viele Menschen in Deutschland ist die Angst vor Krieg und Krisen. Laut einer YouGov-Umfrage, die im März von der Swiss-Life-Versicherung veröffentlicht wurde, überwiegen diese Ängste sogar persönliche Sorgen wie finanzielle Probleme oder Krankheiten. Auch die steigende Zahl von Naturkatastrophen in den letzten Jahren verursacht bei einem großen Teil der Bevölkerung Besorgnis, was wiederum zu zusätzlichem Stress führt.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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