Zeit der Kürbisköpfe
Ende Oktober ist es wieder soweit, wir feiern Halloween, das vor einigen Jahren über den großen Teich zu uns herüber geschwappt ist. Große Kürbisse werden ausgehöhlt und zu Grimassen geschnitzt mit Kerzen versehen ins Fenster gestellt – ein bisschen was zum Gruseln, wenn es heißt: „Süßes oder Saures?“ Geben wir das Süße nicht, dann erwartet uns Saures. So einfach ist das.
Ich feiere nicht Halloween, sondern halte mich an das gute alte Ernte-Dank-Fest, aber zu Kürbisköpfen fällt mir so einiges ein, vor allem die Menschen, die die Geschicke unseres Landes lenken, die Manager in Politik und Wirtschaft, die Köpfe haben müssen wie Kürbisse und, so scheint es mir oft, genauso ausgehöhlt wie die zu Halloween! Sie versprechen uns Süßes, das uns in den meisten Fällen sauer aufstößt.
Die Wahnsinnsmanager
„Mein Chef kann mir nicht in die Augen gucken“, „er ist völlig unberechenbar“ oder „er interessiert sich nur für einen Menschen und das ist er selbst“, sind nur einige Zitate aus dem großen Erfahrungsschatz, den Mitarbeiter mit ihren Vorgesetzten gesammelt haben. Eine Studie der Universität von British Columbia bestätigt, dass die Wahrscheinlichkeit, es mit einem Psychopathen zu tun zu haben, in Chefetagen gut 6-mal höher ist als in anderen Etagen unseres Firmengebäudes. Wenn wir also wieder einmal beinah sprachlos über das Verhalten eines Vorgesetzten sind und lapidar sagen: „Der ist ja irre, der Alte!“, dann ahnen wir gar nicht, wie recht wir damit haben. In den Chefetagen wimmelt es offensichtlich von Wahnsinnigen.
Kranke Männer braucht das Land
Sie sind alle vertreten: Die Egomanen, Narzissten, Autisten, Choleriker, die Manischen, Depressionen und die mit dem Asperger-Syndrom. Die Außenseiter, die mit uns die Schulbank gedrückt haben, mit denen aber keiner was zu tun haben wollte, machen nicht selten die größten Karrieresprünge. Vielleicht ist doch etwas dran, dass Genie und Wahnsinn eng beieinander liegen?! Sicher ist, dass Psychopathen Machtstrukturen lieben, dass sie Dinge beeinflussen und kontrollieren möchten und in Managerpositionen genau ihre Spielwiese finden. Natürlich landen nicht alle Psychopathen in der Führungsetage, manche treffen wir auch im Knast oder in einer psychiatrischen Anstalt.
Nehmen wir das Beispiel eines Autisten, der kaum in der Lage ist, seinen Alltag zu organisieren, den ein verrücktes Möbelstück in seiner Wohnung an den Rand seiner Belastbarkeit bringen kann. Er ist nicht in der Lage, Gestik und Mimik eines Menschen zu deuten, menschliche Begegnungen, allem voran der Small-Talk, bedeuten ein Höchstmaß an Stress für den Autisten. Aber er ist so geschickt im Umgang mit Zahlen, Daten und Formeln wie kaum ein anderer. Wundert es uns da, dass sich das Softwareunternehmen SAP auf die Fahne geschrieben hat, die Quote der Autisten im Unternehmen zu erhöhen, weil man sich von ihnen erhofft, dass sie in der Welt der Computerprogramme Spitzenleistungen erbringen können?!
Die Top Ten
Sie haben viele gute Eigenschaften, die Manger mit den psychopathischen Zügen, zumindest für den Erfolg eines Unternehmens: Sie halten sich für grandios und glauben bedingungslos an ihre Genialität und ihren Erfolg, sie können extrem charmant sein und verstehen sich aufs Beste darauf, ihre Mitarbeiter zu manipulieren, sie kennen keine Skrupel, keine Reue, keine Angst und sie scheuen damit kein Risiko. Ein Vertreter dieser Spezies, der immer extrem auf Risiko gesetzt hat, sagte mir einmal: „Angst ist immer der schlechteste Ratgeber.“
Wenn aber die anderen, die ganz „normalen“ Vorgesetzten Angst vor Entscheidungen haben, dann liegt diese Angst auch darin begründet, dass sie sich verantwortlich für das Wohl ihrer Mitarbeiter fühlen, dass sie empathisch sind. Andersherum: Empathie ist offensichtlich dem Erfolg im Weg. Nehmen wir das Beispiel eines Anwaltes: Empfände er Empathie für das Opfer oder seine Angehörigen, fiele es ihm deutlich schwerer, einen Schwerverbrecher zu vertreten. Zufall oder nicht, unter den Top Ten der Berufe mit dem höchsten Anteil an Menschen mit psychopathischen Anteilen finden wir Anwälte, Vorstandsvorsitzende, Rundfunkjournalisten, Verkäufer, Chirurgen, aber auch Geistliche und Beamte.
Hard skills über soft skills
In den letzten Jahren sind so viele Einstellungsverfahren entwickelt worden, dass die menschlichen Wracks oder wie Günther Ogger sie so schön genannt hat, die „Nieten in Nadelstreifen“ eigentlich nicht an die Spitze hätten kommen dürfen, aber bei den Personalentscheidungen überwiegen immer noch akademische Titel, Erfahrung, Umsatz- und Projekterfolge. Auf die Persönlichkeit der zukünftigen Führungskraft, auf ihre soziale Kompetenz wird immer noch zu wenig Wert gelegt. Logos siegt über Ethos, die hard skills über die soft skills. Die Manager, die wir für ganz und gar unfähig halten, werden nicht aussortiert, sondern im Gegenteil durch Karrieresprünge und riesige Gehälter belohnt.
Sind wir nicht alle ein bisschen …
… „bluna“, hieß es schon vor Jahren in einem Werbespott und gemeint war damit, das Entrücktsein von der Realität. Inzwischen gehen namhafte Sozialwissenschaftler und Persönlichkeitsforscher davon aus, dass unsere Gesellschaft zunehmend psychopathischer wird, dass die Anzahl der Egomanen zu- und die der empathiefähigen Menschen abnimmt. Also ganz ehrlich, haben Sie in Ihrem Ingenieurbüro nicht heute schon einmal gedacht, dass irgendwie alle nicht richtig ticken?
Ja, und noch mal ganz ehrlich, wir beide, Sie und ich, wir haben es doch drauf, nicht? Was haben wir heute schon wieder Großartiges bewegt, geradezu genial, Ihr Testergebnis und mein Artikel … , also wirklich, keiner schreibt so schön wie ich. In diesem Sinne: Was für uns normal ist, ist es für andere noch lange nicht, so lange wir aber geneigt sind, darüber nachzudenken, ob unser Verhalten für andere noch halbwegs nachvollziehbar ist, so lange wir noch bereit sind, uns selbst in Frage zu stellen, landen wir sicher nicht in einer Irrenanstalt, aber genauso sicher auch nicht in der Chefetage!
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