40-Stunden-Woche wird in Zukunft für viele Ingenieure zur Regelarbeitszeit
VDI nachrichten, Dortmund, 20.2.04-Nach nur kurzen Warnstreiks einigten sich in der vergangenen Woche die IG Metall und der Arbeitgeberverband Gesamtmetall auf einen neuen Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie (M+E). Die 35-Stunden-Woche wurde zwar bestätigt, für Ingenieure ist allerdings bezahlte Mehrarbeit möglich.
Neben Lohn- und Gehaltserhöhungen reklamiert die IG Metall als wesentlichen Erfolg für sich, dass sie die 35-Stunden-Woche abgesichert hat. Für viele Ingenieure aber wird über eine Klausel im Tarifabschluss die 40-Stunden-Woche zur Regelarbeitszeit.
So werden die Entwicklungs-Ingenieure von DaimlerChrysler schon bald wieder 40 Stunden pro Woche arbeiten. Dies ist ein Ergebnis des Tarifabschlusses in der M+E-Industrie, den die IG Metall und der Arbeitgeberverband für den Pilotbezirk Baden-Württemberg aushandelten. Bei den Gesprächen saßen DaimlerChrysler-Personalvorstand Günter Fleig und Betriebsratschef Erich Klemm mit am Tisch. Kaum war der Abschluss unter Dach und Fach, als DaimlerChrysler auch schon erklärte, die tariflich vereinbarten Möglichkeiten für eine längere Wochenarbeitszeit umgehend nutzen zu wollen. „Wir werden in der Entwicklung binnen kurzem wieder 40 Stunden arbeiten“, kündigt Mercedes-Vorstand Jürgen Hubbert an. „Aber natürlich mit Bezahlung“, fügte er hinzu. Unbezahlte Mehrarbeit zwischen 35 und 40 Stunden war eine Kernforderung des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall in der Tarifrunde. Durchsetzen konnte er dies also nicht.
Die baden-württembergische Einigung wurde inzwischen von anderen Bezirken übernommen. An diesem Montag einigten sich beispielsweise IG Metall und Metallarbeitgeber von Bayern und auch von NRW, dem größten Bezirk in Deutschland, im Wesentlichen auf den Abschluss der süddeutschen „Piloten“. „Das passt bei Löhnen und Arbeitszeit“, kommentiert NRW-Bezirksleiter der IG Metall, Peter Gasse, den Tarifabschluss in Baden-Württemberg.
Wie im ursprünglichen Arbeitgeber-Angebot gefordert, haben IG Metall und Gesamtmetall einen mehrjährigen Lohntarifvertrag abgeschlossen. Nach zwei Nullmonaten steigen die Löhne ab März um 2,2 %, ein Jahr später im März 2005 um weitere 2,7 %. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 26 Monaten – die Arbeitgeber hatten ursprünglich 27 Monate gefordert. Deren Angebot hatte zudem nur Lohnerhöhungen von zwei Mal 1,2 % vorgesehen.
Bei genereller 35-Stunden-Woche konnten nach den Tarifverträgen der Metallindustrie bereits jetzt schon 18 % der Belegschaft bis zu 40 Wochenstunden arbeiten – mit entsprechend höheren Einkommen. Mit einem Zusatztarifvertrag nutzt beispielsweise der Automobilzulieferer Bosch diese Regelung und lässt bereits seine Entwicklungsingenieure 40 Stunden pro Woche arbeiten. Diese 18-%-Quote kann mit dem neuen Tarifabschluss in bestimmten Betrieben bis auf 50 % der Belegschaft ausgeweitet werden – sogar ohne Zustimmung der IG Metall. Voraussetzung ist, dass mehr als 50 % der Beschäftigten „besonders qualifiziert“ sind. Beim Entgelt entspricht dies einem Monatsdurchschnitts-Gehalt von rund 4500 €. Gleichzeitig muss es sich um Mangelberufe handeln. Ein Beispiel wäre eine Ingenieurfirma wie der Dortmunder Anlagenbauer Uhde. Allerdings darf es im Zusammenhang mit der längeren Arbeitszeit keinen Arbeitsplatzabbau geben.
Ein weiterer Punkt im Einigungspaket: Die Anwendung von Arbeitszeitkonten wird erleichtert. Falls Neueinstellungen nicht möglich sind, kann Mehrarbeit bis zur 40-Stunden-Woche auf Zeitkonten gutgeschrieben und die Frist für einen Ausgleich durch Freizeit verlängert werden. Dies bedeutet in der betrieblichen Praxis vor allem eines: Überstundenzuschläge wird es praktisch nicht mehr geben.
MARTIN ROTHENBERG
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