Arbeitgeber darf Impfstatus abfragen: Droht Kündigung, wenn man sich weigert?
Nach einer Gesetzesänderung sollen Arbeitgeber bestimmter Branchen künftig den Corona-Impfstatus ihrer Mitarbeiter abfragen dürfen. Gewerkschaften laufen Sturm, Verbände wünschen sich indes sogar eine Ausweitung. Welche Rechte und Pflichten gelten? Wir klären auf.
Ein Corona-Impfpflicht soll es in Deutschland nicht geben. Aber Arbeitgeber sollen von Beschäftigten bestimmter Berufsgruppen künftig Auskunft über eine Corona-Impfung oder eine überstandene Covid-Erkrankung verlangen können. Die Auskunftspflicht zum Impfstatus gilt dann zum Beispiel unter anderem für Beschäftigte in Kitas, Schulen oder Pflegeheimen.
Die entsprechende Gesetzesänderung soll jetzt im Bundestag beschlossen werden. Der Entwurf hat Sprengkraft: Gewerkschaften lehnen das geplante Auskunftsrecht über den Impfstatus als zu weitgehend ab. Datenschützer warnen, dass die Änderung Tür und Tor öffnet für immer mehr Fragen zu Gesundheitszustand, die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern stellen könnten. Arbeitgeber indes fordern gar eine Ausweitung auf die gesamte Wirtschaft. Und die Opposition im Bundestag wirft der Koalition vor, die Regelung mit heißer Nadel gestrickt zu haben.
Was bedeutet die Gesetzesänderung konkret? Welche Rechte und Pflichten haben Betroffene? Wir geben die wichtigsten Antworten.
Arbeitgeber darf Impfstatus abfragen: Was steht im Gesetzesentwurf?
Im Entwurf, den der Gesundheitsausschuss des Bundestags mit den Stimmen von Union und SPD auf den Weg gebracht hat, heißt es:
Sofern der Deutsche Bundestag nach § 5 Abs. 1 S. 1 eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat und soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist, darf der Arbeitgeber in den in den Absätzen 1 und 2 genannten Einrichtungen und Unternehmen personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impf- und Serostatus in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) verarbeiten, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts.
Als Begründung findet sich dazu:
Der Arbeitgeber kann diese Daten nur verarbeiten, wenn und soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist.
Betroffen sind demnach „Einrichtungen und Unternehmen, in denen besonders vulnerable Personengruppen betreut werden oder untergebracht sind beziehungsweise aufgrund der räumlichen Nähe zahlreiche Menschen einem Infektionsrisiko ausgesetzt sind“. Mit der Abfrage des Impfstatus „können die Arbeitgeber die Arbeitsorganisation so ausgestalten, dass ein sachgerechter Einsatz des Personals möglich ist“. Die Daten bei der Abfrage des Impfstatus seien direkt beim Beschäftigten zu erheben, die Freiwilligkeit der Entscheidung über die Inanspruchnahme von Impfschutz bleibe unberührt.
Dürfen Arbeitgeber in anderen Branchen keinesfalls den Impfstatus erfragen?
Die Gesetzesänderung gilt nur für bestimmte Branchen. Heißt die Einführung eines Fragerechts nur für bestimmte Branchen, das Arbeitgeber in anderen Sektoren keinesfalls den Impfstatus erfragen dürfen?
„Wohl nein, hier werden die allgemeinen datenschutzlichen Vorgaben weiter gelten, so dass im Einzelfall bei Darlegung eines berechtigten Interesses nach dem Impfstatus gefragt werden darf“, sagt Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht, gegenüber ingenieur.de und verweist auf Art. 88 DS-GVO beziehungsweise § 26 Abs. 3 BDSG.
Einige Institutionen wünschen sich, dass die Auskunftspflicht bezüglich des Impfstatus ausgeweitet wird. So sagte Achim Berg, Präsident des IT-Branchenverbands Bitkom:
„Um in der vierten Welle und darüber hinaus einen höchstmöglichen Infektionsschutz für alle Beschäftigten sowie ihre Kunden und Partner zu gewährleisten, sollten die Unternehmen in die Lage versetzt werden, für die Gefährdungsbeurteilung und für ein betriebliches Hygienekonzept den Impf-, Genesenen- oder Teststatus ihrer Beschäftigten zu erfahren.“
Die Unternehmen der digitalen Wirtschaft seien „Vorreiter im Kampf gegen das Coronavirus und für den Schutz der Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“. Maßnahmen wie die umfassende Einführung von Homeoffice und mobilem Arbeiten seien für die allermeisten Digitalunternehmen von Pandemiebeginn an eine absolute Selbstverständlichkeit gewesen. Auch mit frühzeitigen Hygiene- und Testkonzepten hätten die Unternehmen auf eigene Kosten wichtige Beiträge zur Pandemiebewältigung geleistet. Diese Möglichkeiten seien nun weitgehend ausgeschöpft.
„Gleichzeitig arbeiten viele der mehr als 1,1 Millionen Beschäftigten der von Bitkom vertretenen Unternehmen vor Ort bei ihren Kunden – als Servicetechnikerinnen und -techniker in Rechenzentren und Telekommunikationseinrichtungen, in der Pflege informationstechnischer Anlagen oder als IT-Beraterinnen und -Berater“, so Berg. „Ihre Auftraggeber und Kunden fordern Nachweise über den Impfstatus, um ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen, die Bitkom-Unternehmen dürfen diesen Impfstatus ihrerseits bei ihren Beschäftigten aber nicht erfragen.“ Diese „für alle Seiten unbefriedigende Situation“ müsse dringend geklärt werden.
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Für die Dauer einer epidemischen Lage nationaler Tragweite müsse deshalb der betriebliche Datenschutz „dringend angepasst“ werden.
Was passiert, wenn man sich weigert?
Doch was ist, wenn sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weigern, Auskunft über den Impfstatus zu geben? Droht dann womöglich im Extremfall die Kündigung? „Ja. Es handelt sich um eine Auskunftspflicht des Arbeitnehmers“, so Fachanwalt Fuhlrott:
„Ein Verstoß nach einer arbeitgeberseitigen Aufforderung ist eine Pflichtverletzung und kann – gegebenenfalls nach erneuter ausdrücklicher Aufforderung zur Auskunftserteilung – mit Abmahnung bis hin zur Kündigung sanktioniert werden.“
Darf der Arbeitgeber bei Neueinstellungen oder Entfristung nach der Corona-Impfung fragen?
Eine Corona-Impfung als Voraussetzung für Beförderungen, Entfristungen oder Neueinstellungen: Darf der Arbeitgeber das verlangen? „Diese Frage ist ungeklärt“, sagt Michael Fuhlrott. „Wenn der Arbeitgeber dies mit Notwendigkeiten des Infektionsschutzschutzes begründet, könnte einiges dafür sprechen. Andererseits gilt die Regelung nur vorübergehend für das Bestehen einer epidemischen Lage, was dagegen sprechen könnte.“
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Erfordert die Abfrage des Impfstatus die Beteiligung des Betriebsrats?
„Davon ist auszugehen. Ohne eine Beteiligung des Betriebsrats werden flächendeckende Abfragen nicht erlaubt sein“, sagt Fachanwalt Michael Fuhlrott. „Daher muss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine Lösung suchen, gelingt keine Einigung, muss der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen und eine Einigung mit dem Betriebsrat dort erzielen.“
Bracht man als Arbeitnehmer ein ärztliches Attest als Beweis für den Impfstatus?
Das kommt wohl auf den Einzelfall an. In der Gesetzesbegründung ist die Rede von „Auskunft verlangen“ oder einen „Nachweis verlangen“. Anwalt Michael Fuhlrott sagt dazu: „Man könnte dies so auslegen, dass der Arbeitgeber zunächst Auskunft verlangen darf und nur bei konkreten Zweifeln einen Nachweis verlangen darf. Allerdings – mit Blick auf den Infektionsschutz – streiten gute Gründe dafür, dass der Arbeitgeber auch einen Nachweis verlangen darf.“
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