Arbeitsrecht 01.03.2013, 01:00 Uhr

Arbeitnehmer muss Versetzung nicht zustimmen

In Zeiten, in denen Flexibilität im Arbeitsleben eine zunehmend größere Rolle spielt, taucht in der Praxis immer öfter die Frage auf, ob, und wenn ja, welche Versetzungsrechte dem Arbeitgeber zustehen. Kann der Arbeitgeber beispielsweise eine Fachkraft, die er künftig nicht mehr am Standort in Düsseldorf, sondern in Dresden benötigt, einfach anweisen, ab sofort in Dresden tätig zu werden? Hiermit eng verbunden ist die Frage, wie sich der Arbeitnehmer gegen eine seiner Ansicht nach unrechtmäßige Versetzung wehren kann. Kann er sich schlicht weigern, die ihm zugewiesene Arbeit zu übernehmen oder muss er sich hiergegen gerichtlich zur Wehr setzen?

Einer Versetzung muss der Arbeitnehmer nicht zustimmen!

Einer Versetzung muss der Arbeitnehmer nicht zustimmen!

Foto: panthermedia.net/AndreyPopov

Der Begriff „Versetzung“

Unter dem Begriff Versetzung ist das einseitige Änderungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Ort, Zeit, Umfang und Inhalt der Arbeitsleistung zu verstehen. Ist eine Versetzung zulässig, reicht daher die Erklärung des Arbeitgebers aus, um die Versetzung wirksam werden zu lassen. Von der Versetzung zu unterscheiden sind einvernehmliche Lösungen oder auch das Instrument der Änderungskündigung. Eine Änderungskündigung wird immer dann erforderlich, wenn die Zuweisung des geänderten Arbeitsplatzes gerade nicht mehr vom einseitigen Änderungsrecht des Arbeitgebers, dem sogenannten Direktionsrecht, gedeckt ist.

Das Direktionsrecht: Was darf der Arbeitgeber?

Zentrale Norm im Versetzungsrecht ist § 106 Gewerbeordnung („GewO“). Hiernach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Entgegen der landläufigen Meinung vieler Arbeitnehmer steht dem Arbeitgeber somit ein verhältnismäßig weitreichendes Veränderungsrecht zu. Ist im Arbeitsvertrag beispielsweise kein Arbeitsort geregelt, ist grundsätzlich von einem bundesweiten Versetzungsrecht auszugehen. Nicht mehr vom Direktionsrecht gedeckt sein dürfte die Versetzung ins Ausland, weil sich in diesem Fall der Charakter des Arbeitsverhältnisses erheblich verändert. Die Versetzung muss sich jedoch stets im Rahmen des billigen Ermessens bewegen, die Umstände des Einzelfalles und die Interessen des Arbeitnehmers müssen also berücksichtigt werden. Der Arbeitgeber muss zum Beispiel familiäre Belange des Mitarbeiters berücksichtigen. Ausfluss des billigen Ermessens kann auch sein, dass der Arbeitgeber ausnahmsweise eine bestimmte Ankündigungsfrist einhalten muss. Soll der Arbeitnehmer beispielsweise an einen Ort versetzt werden, der einen Wohnsitzwechsel erforderlich macht, sind je nach den Umständen des Einzelfalls Ankündigungsfristen zu berücksichtigen. Wichtig in diesem Zusammenhang zu wissen ist auch, dass auch die langjährige Beschäftigung eines Arbeitnehmers auf einem bestimmten Arbeitsplatz nicht dazu führt, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf hat, auch weiter auf dieser Position beschäftigt zu werden.

Etwas anders gilt, wenn der Arbeitsvertrag explizit bestimmte Eckpunkte festlegt, die das Direktionsrecht des Arbeitgebers einschränken. Zum Beispiel enthalten Arbeitsverträge in der Regel Bestimmungen zur Position des Arbeitnehmers. Nicht unüblich sind auch die konkrete Bestimmung des Arbeitsortes oder der Arbeitszeiten. Diese vertraglich festgelegten Arbeitsbedingungen können nicht einseitig vom Arbeitgeber geändert werden. Es bedarf in diesen Fällen vielmehr einer sogenannten Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag, um ein Recht des Arbeitgebers zu begründen, den Arbeitnehmer abweichend von den festgelegten Arbeitsvertragsbedingungen zu beschäftigen.

Arbeitsvertragliche Versetzungsklauseln

In der Praxis wird das Versetzungsrecht nicht selten durch spezielle Versetzungsklauseln im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag erweitert bzw. modifiziert. Praxisrelevant sind vor allem örtliche und inhaltliche Versetzungsklauseln. Inhaltliche Versetzungsklauseln berechtigen den Arbeitgeber typischerweise, dem Arbeitnehmer auch andere als die arbeitsvertraglich geschuldete Aufgabe zuzuweisen. In größeren Konzernen trifft man zudem gelegentlich sogenannte Konzernversetzungsklauseln an. Diese erlauben es dem Arbeitgeber, den Arbeitnehmer sogar über die Grenzen des Unternehmens hinaus zu einem anderen Arbeitgeber zu versetzen. Handelt es sich um eine arbeitsvertragliche Regelung, ist stets zu prüfen, ob die jeweilige Klausel der AGB-Kontrolle standhält. Behält sich beispielsweise der Arbeitgeber die inhaltliche Änderung der Arbeitspflicht vor, muss die Klausel sicherstellen, dass die potentielle neue Tätigkeit gleichwertig ist.

Besonderheiten gelten für werdende Mütter. Können diese wegen eines Beschäftigungsverbots nicht und nur noch teilweise auf ihrem ursprünglichen Arbeitsplatz eingesetzt werden, hat der Arbeitgeber auch ohne spezielle Versetzungsklausel das Recht, die Arbeitsaufgaben und die Arbeitszeiten der Mitarbeiterin im Rahmen des billigen Ermessens zu ändern. Das Änderungsrecht dient also dem Schutz der werdenden Mutter.

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Grundsätzlich ist für den Arbeitgeber von Vorteil, wenn er flexibel ist und den Arbeitnehmer auf andere von der eigentlich vereinbarten Tätigkeit abweichende Positionen versetzen kann. Daher sind Versetzungsklauseln sinnvoll. Sollten jedoch Restrukturierungsmaßnahmen anstehen, können sich derartige Klauseln auch einmal nachteilig auswirken. Normalerweise erstreckt sich die Sozialauswahl, also die Prüfung, welcher Arbeitnehmer bei einer Reduzierung der Arbeitsplätze zu kündigen ist, ausschließlich auf vergleichbare Arbeitnehmer. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts („BAG“) bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. An einer Vergleichbarkeit fehle es, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann. Enthält der Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel, kann der zu kündigende Arbeitnehmer fordern, dass ihm ein anderer Arbeitsplatz zuzuordnen ist und der dort tätige – z. B. jüngere – Arbeitnehmer zu kündigen ist. Die Versetzungsklausel erhöht somit die Risiken des Arbeitgebers bei betriebsbedingten Kündigungen.

Zweifel an der Wirksamkeit der Versetzung – was kann der Arbeitnehmer tun?

Nicht selten spricht der Arbeitgeber eine Versetzung aus, deren rechtliche Wirksamkeit fraglich ist. Bleibt der Arbeitnehmer in diesem Fall einfach der Arbeit fern, kann dies schwere arbeitsvertragliche Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung nach sich ziehen. Es ist daher nur in den eher rar gesäten Fällen der glasklaren Unwirksamkeit der Versetzung empfehlenswert, der Versetzung nicht nachzukommen. Der Arbeitnehmer kann die Wirksamkeit im Wege der einstweiligen Verfügung und parallel im Klagewege gerichtlich überprüfen lassen. Allerdings sind die Hürden für ein aus Sicht des Arbeitnehmers erfolgreiches einstweiliges Verfügungsverfahren relativ hoch. Der Arbeitnehmer muss entweder darlegen, dass die Versetzung offensichtlich rechtswidrig ist oder aber dass ihm irreparable Schäden wie zum Beispiel der unwiederbringliche Verlust von Spezialkenntnissen oder ein Reputationsschaden drohen. Das gelingt erfahrungsgemäß nur in Ausnahmefällen. Dem Arbeitnehmer bleibt daher in der Regel nur das normale Klageverfahren, das sich jedoch über einen langen Zeitraum hinziehen kann.

Wie sollte der Arbeitgeber vorgehen?

Bestehen Zweifel an der Wirksamkeit der Versetzung ist es aus Arbeitgebersicht oftmals empfehlenswert zusätzlich zur Versetzung hilfsweise eine ordentliche Änderungskündigung auszusprechen. Eine solche Kündigung bedarf allerdings zu ihrer Wirksamkeit in der Regel eines Kündigungsgrundes.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Existiert im Betrieb ein Betriebsrat, ist stets zu bedenken, dass dem Betriebsrat bei Versetzungen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes („BetrVG“) ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG zusteht. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat entsprechend über die Versetzung informieren und dessen Zustimmung zur geplanten Maßnahme einholen. Liegt einer der gesetzlich vorgegebenen Verweigerungsgründe vor, etwa wenn die Versetzung eine Benachteiligung des Arbeitnehmers zur Folge hat, kann der Betriebsrat seine Zustimmung verweigern. Möchte der Arbeitgeber die Versetzung gegen den Willen des Betriebsrates durchführen, muss er die Zustimmung gerichtlich ersetzen lassen. Bis in derartigen Fällen eine rechtskräftige Entscheidung ergeht, kann einige Zeit ins Land gehen. Der Arbeitgeber kann die Versetzung im Falle einer besonderen Eilbedürftigkeit auch gegen den Willen des Betriebsrates gemäß § 100 BetrVG vorläufig durchsetzen.

Ein Beitrag von:

  • Dr. Arno Frings

    Dr. Arno Frings ist Jurist und Gründer von fringspartners. Er gilt als einer der führenden Arbeitsrechtler in Deutschland.

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