Corona und Kurzarbeit: Rechtsexperte beantwortet die wichtigsten Fragen
In der aktuellen Coronakrise stellen sich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber viele Fragen rund um Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld: Ingenieur.de hat Antworten von Peter Schüren, Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht der Universität Münster, bekommen.
ingenieur.de: In der aktuellen Coronakrise sind schon viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Kurzarbeit betroffen. Können Sie kurz erklären, was Kurzarbeit genau heißt?
Schüren: Kurzarbeit bedeutet, dass weniger gearbeitet und vom Arbeitgeber bezahlt wird als im Arbeitsvertrag vereinbart war. Das können z. B. statt 38 Stunden gem. Vertrag nur 20 Stunden oder auch vorübergehend 0 Stunden pro Woche sein. Wenn Kurzarbeit tariflich geregelt ist und/oder in einer Betriebsvereinbarung, dann wird der einzelne Arbeitnehmer nicht beteiligt. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber diese so ausfallenden Stunden nicht mehr bezahlen muss. Stattdessen kann es Kurzarbeitergeld von der Bundesagentur für Arbeit geben, wenn der Arbeitszeitabbau erheblich ist. Hier werden in nächster Zeit einige Erleichterungen und Verbesserungen kommen.
Wie viel Geld bekomme ich konkret?
Der Nettolohnausfall wird bei Menschen mit Kindern zu 67 % ausgeglichen und sonst gibt es 60 % Kurzarbeitergeld.
Wie lange kann oder muss ich in die Kurzarbeit gehen und was passiert mit meinen Sozialversicherungsbeiträgen?
Kurzarbeitergeld wird für maximal ein Jahr bezahlt. Die Sozialversicherungsbeiträge zahlt der Arbeitgeber ganz – die Beiträge sind etwas reduziert. Vermutlich wird eine Beitragserstattung für 2020 eingeführt.
Verändert sich eigentlich mein Urlaubsanspruch durch Kurzarbeit?
Kurzarbeit ändert am Urlaubsanspruch nichts. In der Urlaubszeit wird die normale Vergütung weitergezahlt.
Was passiert, wenn ich die Kurzarbeitsregelung meines Arbeitgebers nicht akzeptiere?
Im Normalfall wird der einzelne Arbeitnehmer an der Festlegung von Kurzarbeit nicht beteiligt. Man regelt das im Tarifvertrag oder durch Betriebsvereinbarung. So eine Regelung, also die Verkürzung von Arbeitszeit und Lohnspruch gilt dann auch, wenn der einzelne Arbeitnehmer dagegen ist. Wo der Arbeitgeber die Kurzarbeit nicht über eine Kollektivregelung einführen kann, braucht er die Zustimmung des einzelnen Arbeitnehmers. Dann geht ohne die Zustimmung nichts. Weigert sich der einzelne Arbeitnehmer mitzumachen, besteht aber das Risiko, dass der Arbeitgeber den Personalüberhang über Kündigungen abbaut.
Welche Möglichkeiten habe ich als Inhaber eines kleinen mittelständischen Betriebs, wenn ich Angestellte habe? Zum Beispiel ein Ingenieurbüro. Gelten die Maßnahmen nur für Großunternehmen?
Auch ein kleiner Mittelständler kann Kurzarbeit einführen und für seine Mitarbeiter Kurzarbeitergeld beantragen. Er muss sich bei der örtlichen Arbeitsagentur für Arbeit über das Antragsverfahren informieren – viele Informationen der Arbeitsagentur sind im Internet sofort verfügbar.
Gibt es derzeit auch Subventionsmöglichkeiten für Selbstständige?
In den nächsten Tagen sollen Regelungen kommen. Am 23.03.2020 hat das Bundeswirtschaftsministerium seine Eckpunkte „Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbständige“ veröffentlicht.
Welchen Anspruch habe ich auf Abgeltung von Überstunden?
Das hängt vom Tarifvertrag und vom Arbeitsvertrag ab. Manche Arbeitnehmer mit hohem Einkommen, erhalten keine zusätzliche Vergütung für Überstunden. Normalerweise muss vom Arbeitgeber eingeforderte Arbeitszeit bezahlt werden. Bei einem Arbeitszeitkonto ist auch ein späterer Freizeitausgleich statt Bezahlung möglich.
Was gilt für Selbstständige?
Selbständige bekommen derzeit weder Kurzarbeitergeld noch einen anderen Ausgleich für Einkommenseinbußen. Der Gesetzgeber arbeitet an einer Krisenregelung, die dann die schlimmsten Belastungen abfedern soll. Das Bundeswirtschaftsministerium hat am 23.03.2020 ein Papier veröffentlicht: Eckpunkte „Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbständige“. Voraussichtlich wird das umgesetzt.
Danke für das Interview.
Dieses Interview wurde schriftlich geführt.
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