Dauerbrenner Arbeitnehmerüberlassung & Scheinselbständigkeit
Angesichts des vor kurzem durch das Bundesministerium für Arbeit vorgestellten Referentenentwurfs zur Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), soll aus aktuellem Anlass noch einmal das Themenfeld Werkverträge, illegale Leiharbeit und Scheinselbständigkeit in den Fokus gerückt werden.
Kaum ein Themenbereich hat die Arbeitsgerichte, die Politik sowie den Gesetzgeber in den letzten Jahren derart in Atem gehalten. Gerade erst wurden in Köln und Essen medienwirksam Verlagshäuser durchsucht. Der Vorwurf lautet: Scheinselbständigkeit. Doch wird in diesem so praxisrelevanten Gebiet durch die Reform Abhilfe geschaffen? Leider ist diese Frage wahrscheinlich zu verneinen.
Sofern der Gesetzentwurf verabschiedet wird, wovon derzeit auszugehen ist, werden mit Wirkung zum 1. Juli 2017 erstmals gesetzliche Grundsätze zur Abgrenzung zwischen Werkvertrag, Arbeitsvertrag und freiem Dienstverhältnis vorliegen. Ziel des Gesetzgebers ist es, missbräuchlichen Gestaltungen in der Praxis entgegen zu wirken.
Die AÜG-Reform sieht umfangreiche Neuerungen vor:
Vergütung in der Leiharbeit
Künftig ist Leiharbeitnehmern ab einer neunmonatigen Einsatzdauer „Equal pay“, d.h. die vergleichbaren Festangestellten beim Entleiher zukommende Vergütung zu zahlen. Falls ein Tarifvertrag vorhanden ist, der eine stufenweise Heranführung an das Equal Pay vorsieht, so besteht der Anspruch des einzelnen Leiharbeitnehmers erst ab einer Einsatzdauer von 12 Monaten.
Höchstüberlassungsdauer
Ferner enthält das AÜG künftig wieder eine kodifizierte Höchstüberlassungsdauer. In den letzten Jahren hatte die Rechtsprechung vorgegeben, dass die Arbeitnehmerüberlassung nur „vorübergehend“ zulässig sein soll, wobei offen gelassen wurde, welcher Zeitraum maximal noch als „vorübergehend“ angesehen werden kann. Nun soll eine gesetzliche Höchsteinsatzfrist von 18 Monaten Anwendung finden. In früheren Fassungen des AÜG war bis zum Jahre 2003 stets eine Überlassungshöchstfrist enthalten. Diese reichte von anfangs lediglich drei, bis zu 24 Monaten. Durch die beabsichtigte gesetzliche Festlegung macht der Gesetzgeber deutlich, dass er Rechtssicherheit schaffen möchte. Geklärt ist zudem die Frage, ob die Überlassungshöchstdauer bezogen auf den Arbeitnehmer oder auf den zu besetzenden Arbeitsplatz gelten soll. Nach dem Entwurf für die AÜG-Reform soll die Überlassungshöchstdauer für die Person des jeweiligen Leiharbeitnehmers gelten. Dies wird in der Zeitarbeitsbranche begrüßt, da nach Ablauf der 18 Monate ein anderer Leiharbeitnehmer auf die Position gesetzt werden kann.
Verstöße des Arbeitgebers
Für den Fall, dass der Entleiher die Höchstüberlassungsfrist überschreitet entsteht ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Leiharbeitnehmer. Das zwischen diesem und dem Verleiher bestehende Arbeitsverhältnis wird in diesem Fall unwirksam. Dem Entstehen eines neuen Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher kann der Leiharbeitnehmer allerdings widersprechen. Mit diesem Widerspruchsrecht werden sich mit aller Wahrscheinlichkeit viele Rechtsstreitigkeiten beschäftigen – ab wann kann der Leiharbeitnehmer widersprechen? Ist ein vorheriger Verzicht möglich? Wann beginnt die Monatsfrist? Weiterhin trifft den Entleiher bei Überschreiten der Höchstfrist ein empfindliches Bußgeld. Er kann mit bis zu 30.000 € er je Einzelfall zur Kasse gebeten werden.
Die Möglichkeit der Einholung einer „vorsorglichen Erlaubnis“ ist passé
In der Praxis überaus häufig anzutreffen ist – aufgrund der Sorge, dass sich das eigentlich als Werkvertrag ausgestaltete Vertragsverhältnis im Nachhinein als unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung darstellt – die Gestaltungsweise, dass der „Besteller“ vor Beginn des Vertragsverhältnisses „vorsorglich“ eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis beantragt, um im Fall der Fälle gewappnet zu sein. Dieser auch „Fallschirmlösung“ genannten bislang gängigen Praxis wird nunmehr ein Riegel vorgeschoben. Eine wirksame Arbeitnehmerüberlassung wird künftig nur dann vorliegen, wenn die vertragliche Beziehung von Beginn an ausdrücklich als „Arbeitnehmerüberlassung“ bezeichnet wird. Fehlt es an einer derartigen Bezeichnung, so wird trotz des Vorliegens einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung auch hier ein Arbeitsverhältnis fingiert, sofern sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass es sich um eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung handelt. Aber auch hier existiert selbstredend ein Widerspruchsrecht des Leiharbeitnehmers.
Gesetzliche Abgrenzungskriterien
Im Weiteren finden sich im Referentenentwurf zur AÜG-Reform auch erstmals gesetzliche festgelegte Kriterien zur Abgrenzung zwischen Arbeits-, Werk- und freien Dienstverträgen. Diese Kriterien sollen im neuen § 611a des Bürgerlichen Gesetzbuches verankert werden. Laut Gesetzesbegründung sollen dadurch die von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßem und missbräuchlichem Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niedergelegt werden. Wie auch stets von der Rechtsprechung vorgenommen, ist eine wertende Gesamtbetrachtung im Einzelfall maßgebend. Die Möglichkeit der freien Einteilung der Arbeitszeit, die Gestaltungsmöglichkeit der zu erbringenden Leistung sowie die freie Wahl des Arbeitsortes sind nur einige der aufgeführten Kriterien, die für eine Selbständigkeit sprechen sollen – alles nichts wirklich Neues. Die bislang auch schon von der Rechtsprechung anerkannten Kriterien werden durch die Kodifizierung nicht belastbarer als bisher sein. Weiterhin ungeklärt bleibt nämlich die Frage der Gewichtung der einzelnen Kriterien untereinander – hierfür hatte der Gesetzgeber offenkundig auch keine Lösung parat. Es wird weiterhin eine mit Risiken verbundene Einzelfallbetrachtung erforderlich werden. Die Gestaltung von Werkverträgen und die Abgrenzung zu Leiharbeit bzw. Scheinselbständigkeit werden durch die Änderungen nicht einfacher. Hier gilt es weiterhin, durch einen zurückhaltenden Umgang mit Werkverträgen und freien Dienstverträgen Risiken zu vermeiden.
Auswirkungen für die Praxis
Vor allem die Regelungen zur künftigen Ausgestaltung der Leiharbeitsverhältnisse werden in der Praxis mehr Fragen aufwerfen, als Probleme lösen. Der Gesetzgeber wollte durch die Reform Rechtssicherheit schaffen. Dies ist jedoch misslungen. Es wurde wenig praxisgerechte Regelungen geschaffen, die vielen Arbeitgebern Kopfschmerzen bereiten werden.
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