Ewiges Recht auf Homeoffice wegen Fehler im Gesetz?
Die Homeoffice-Pflicht endet am 30. Juni. Allerdings gibt es je nach juristischer Auslegung einen Haken am Infektionsschutzgesetz. Alle Fragen und Antworten.
Am 30. Juni 2021 enden die Homeoffice-Pflicht und die Corona-Arbeitsschutzverordnung. Was heißt das für den 1. Juli? Kehren dann alle Beschäftigten wieder in die Betriebe zurück?
Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Homeoffice-Pflicht: Muss ich am 1. Juli wieder ins Büro?
Um die Ausbreitung des Coronavirus in Betrieben einzudämmen, hat die Bundesregierung Arbeitgeber verpflichtet, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen mobilen Arbeitsplatz anzubieten – etwa im Homeoffice. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wiederum waren aufgefordert, das Angebot anzunehmen, sofern keine dringenden Gründe dagegen sprechen.
Dafür wurde extra folgender Passus im Infektionsschutzgesetz geschaffen (§28b Abs.7):
Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung aus-zuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Die zuständigen Behörden für den Vollzug der Sätze 1 und 2 bestimmen die Länder nach § 54 Satz 1.
Problem: Von einem Ende der Gültigkeit ist hier nicht konkret die Rede. Zwar soll die Verpflichtung Ende Juni enden. Je nach juristischer Auslegung ist ein Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entstanden, der auch über den 1. Juli hinaus Gültigkeit hätte. Diese Auslegung, die derzeit immer wieder kolportiert wird, würde bedeuten: Theoretisch könnten Beschäftigte einfach weiter mobil arbeiten.
Habe ich jetzt ein Recht auf ewiges Homeoffice?
Wer sich beim Lesen des letzten Absatzes schon gefreut und gemütlich mit dem Laptop auf dem Schoß ins Sofakissen hat sinken lassen, den müssen wir wohl enttäuschen. Nach gängiger Ansicht ist die Sache mit dem Vertrag doch nicht so einfach. Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht, sagt gegenüber ingenieur.de: „Arbeitnehmer, die aufgrund der gesetzlichen Pflicht durch den Arbeitgeber ins Homeoffice geschickt worden sind, dürften über den Juni hinaus kein Recht auf Arbeiten im Homeoffice mehr haben.“ Denn die Homeoffice-Tätigkeit sei durch den Arbeitgeber in Befolgung der besonderen arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften erfolgt.
„Der Arbeitgeber hatte folglich keinen eigenen Gestaltungsspielraum, sondern hat lediglich für ihn verbindliche Gesetze ausgeführt und sein Direktionsrecht insoweit ausgeübt“, so Fuhlrott. „Daher wird auch etwa vertreten, dass eine Anweisung zum Tätigwerden von zuhause aus in Corona-Zeiten aufgrund entsprechender gesetzlicher Vorgaben keine durch den Betriebsrat mitbestimmungspflichtige Versetzung darstellt, weil der Arbeitgeber gar keinen eigenen Entscheidungsspielraum hat.“
Das Wort „Angebot“ in der gesetzlichen Fassung dürfe also nicht im Sinne eines Vertrags auszulegen sein, erklärt der Experte: „Selbst wenn man aber ein solches „Angebot“ anerkennen würde, so dürfte dies von Anfang an unter einem entsprechenden Vorbehalt des Arbeitgebers gestanden haben, wonach die Regelung nur für die Zeit des Bestehens einer gesetzlichen Pflicht besteht.“
Ohnehin dürften viele Unternehmen Betriebsvereinbarungen getroffen oder anderweitig in Klauseln geregelt haben, die eine Rückkehr in den Betrieb zum gegebenen Zeitpunkt vorsehen. Wahrscheinlich müssen Sie also wieder zurück ins Büro – ob alles so wie vor Corona sein wird, ist aber mehr als fraglich. Viele Betriebe werden wohl nach den Erfahrungen des letzten Jahres langfristig ein System etablieren, das nicht auf die 5-Tage-Präsenz baut. Gerade auch viele größere Unternehmen haben dafür längst eine entsprechende Infrastruktur geschaffen: SAP etwa hatte schon früh verkündet, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dauerhaft Homeoffice anbieten zu wollen. Das gleiche gilt für Vodafone. Und auch Siemens will entsprechende Wege gehen. Das entspricht wohl auch dem politischen Willen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nannte jüngst eine Mischung aus Präsenz und Homeoffice „das neue Normal“.
Corona-Arbeitsschutzverordnung: Bekomme ich keine Corona-Tests mehr vom Arbeitgeber?
Nach der Welle kann unter Umständen vor der Welle sein. Eine drohende vierte Welle soll möglichst vermieden werden. Um eine Ausbreitung – etwa auch der Delta-Variante – am Arbeitsplatz zu verhindern, hat das Bundeskabinett hat mit einer neuen Corona-Arbeitsschutzverordnung weitere Änderungen für den Arbeitsplatz beschlossen. Sie wird vorerst bis zum 10. September gelten.
Unternehmen müssen demnach Beschäftigten, die nicht im Homeoffice arbeiten können, weiterhin zwei Corona-Schnelltests pro Woche anbieten. Es sei denn, der Arbeitgeber kann durch „andere geeignete Schutzmaßnahmen einen gleichwertigen Schutz der Beschäftigten“ sicherstellen – zum Beispiel, wenn die Mitarbeiter vollständig geimpft sind.
Welche Regeln gelten nach dem Ende der Homeoffice-Pflicht am Arbeitsplatz?
„Wir werden die angepasste Arbeitsschutzverordnung so verlängern, dass der Schutz der Beschäftigten auch bei sinkenden Inzidenzen im Vordergrund steht“, hatte Hubertus Heil angekündigt. Die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung bezieht sich nicht nur auf die Schnelltests, sondern bezieht auch andere teils modifizierte Maßnahmen mit ein.
Die bekannten Grundregeln zur Infektionsvermeidung gelten weiterhin, zum Beispiel die 1,5-Meter-Abstands- und Hygieneregeln, auf deren Einhaltung der Arbeitgeber achten muss. Wo Abstand nicht möglich ist, muss der Arbeitgeber seinen Beschäftigten Schutzmasken zur Verfügung stellen. Die Regel, nach der jede Person im Betrieb eine Fläche von zehn Quadratmetern belegt, entfällt allerdings.
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