Frauen im Top-Management 13.08.2021, 11:50 Uhr

Frauenquote in Vorständen: Großer Wurf oder Fortschritt in Trippelschritten?

Die Frauenquote für Vorstände börsennotierter Unternehmen ist in Kraft getreten. Welche Regeln gelten nun für Unternehmen? Und kann das Gesetz mehr Gleichberechtigung im Top-Management schaffen oder bleibt es ein Fortschritt in Trippelschritten?

Frau sitzt am Tisch verschränkte Hände unterm Kinn

Die Frauenquote in Vorständen ist da. Was Frauen im Top-Management davon halten.

Foto: panthermedia.net/Goodluz

In der Koalition galt sie lange Zeit als umstritten, nun ist sie da: die Frauenquote in Vorständen. Der Bundesrat hat am 25. Juni 2021 dem Zweiten Führungspositionengesetz zugestimmt. Zuvor beschloss der Bundestag das sperrig zu lesende „Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“. Großer Wurf oder Fortschritt in Trippelschritten? Wir haben Frauen im Top-Management befragt.

„Mit unserem Gesetz muss künftig ab vier Vorstandsmitgliedern mindestens eine Frau am Tisch sitzen“, erklärte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) zum Gesetzesentwurf.

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Lambrecht spricht außerdem von einem “Meilenstein für die Frauen in Deutschland”.

„Damit geben wir qualifizierten und motivierten Frauen die Möglichkeiten, die sie verdienen”, so die SPD-Politikerin.

Erste Effekte zeigen sich in Konzernen wie Adidas, Bayer, Eon oder Südzucker, die Frauen in ihre Vorstände berufen haben. Der Baustoffkonzern HeidelbergCement gibt ebenfalls bekannt, dass ab September Nicola Klimm mit dem Verantwortungsbereich Nachhaltigkeit in den Vorstand berufen worden sei. Klimm übernimmt die neu geschaffene Vorstandsposition als Chief Sustainability Officer. Doch mit der Frauenquote in Vorständen habe das nichts zu tun, so das Unternehmen.

“Wir haben uns Anfang 2020 – also weit vor einer offiziellen Quote – das Ziel gesetzt, künftig mindestens ein weibliches Vorstandsmitglied zu berufen”, heißt es auf Nachfrage unserer Redaktion bei HeidelbergCement. “Mit der Besetzung von Dr. Kimm sind wir dem nachgekommen, unabhängig von einer Quotenregelung”, sagt Christoph Beumelburg
Director Group Communication & Investor Relations.

Das Thema Diversität würde außerdem deutlich breiter behandelt – mit sechs Nationalitäten hat HeidelbergCement bereits einen sehr diversen Vorstand.

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Frauenanteil in Vorständen stagniert

Der Anteil an Frauen in den Aufsichtsräten großer öffentlicher Unternehmen ist dieses Jahr leicht gestiegen, in den Vorständen gibt es allerdings immer noch keine nennenswerte Bewegung. Das belegt die Organisation „Frauen in die Aufsichtsräte“ (Fidar) in ihrem jährlichen Women-on-Board-Index.

Laut dem Index liegt der durchschnittliche Frauenanteil in den Aufsichtsräten zum 1. Januar bei über 34 Prozent. Das entspricht einem Plus von 2,5 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Die öffentlichen Unternehmen liegen damit über der Quote in der Privatwirtschaft, die 33 Prozent erzielte. Doch in den Vorständen blieb der Frauenanteil unverändert bei 22 Prozent. Eine Stagnation mit Folgen?

„Beinah-Stillstand, Stagnation und Rückschritte – das wird der Vorbildfunktion staatlicher Beteiligungen nicht gerecht“, kritisiert Fidar-Präsidentin Monika Schulz-Strelow.

Untersucht wurde die Besetzung der Top-Positionen in den über 260 größten öffentlichen Unternehmen in Deutschland.

Frauenquote in Vorständen: Wie lautet das Gesetz?

Das Gesetz sieht vor, dass in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten und mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern mindestens eine Frau sitzen muss.

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Für Betriebe mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes gelten noch strengere Regeln. Bei mehr als zwei Mitgliedern in der Geschäftsführung soll eine Position mit einer Frau besetzt sein. Wenn Firmen ihren Aufsichtsrat ohne Frauen planen, müssen sie das in Zukunft begründen.

Frauen im Top-Management: „Deutschland liegt international erschreckend zurück“

Christiane Benner, zweite Vorsitzende der Gewerkschaft IG Metall, bezeichnete die Einigung der Koalition als wichtigen Schritt. „Damit hat sich die Vernunft durchgesetzt, denn: Quoten wirken“, sagt sie. Bedauerlich sei aber, dass die Frauenquote für Vorstände nicht in allen Unternehmen gelte, sondern nur für große Unternehmen. Konkret geht es um knapp 70 große Unternehmen in Deutschland.

“Das Gesetz ist in erster Linie ein symbolischer Meilenstein, eine öffentliche Anerkennung der Tatsache, dass es hier dringenden Handlungsbedarf gibt, denn Deutschland liegt beim Frauenanteil im Top-Management international erschreckend weit zurück und wurde zuletzt immer weiter abgehängt”, sagt Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der AllBright Stiftung in Berlin.

Porträt Wiebke Ankersen

Wiebke Andersen ist Geschäftsführerin der AllBright Stiftung. Die gemeinnützige schwedisch-deutsche Stiftung setzt sich für mehr Frauen und Diversität in den Führungspositionen der Wirtschaft ein.

Foto: privat

Frauenquote in Vorständen: Kurzzusammenfassung

  • bislang gibt es eine Frauenquote lediglich für Aufsichtsräte bestimmter Unternehmen
  • Vorständen wird nun eine Mindestbeteiligung von Frauen vorgeschrieben
  • Firma muss börsennotiert sein oder paritätisch mitbestimmt
  • mehr als 2.000 Beschäftigte
  • mindestens eine Frau muss im Vorstand sein, wenn dieser mehr als drei Mitglieder umfasst

Frauenquote in Vorständen: “Es wird das Problem nicht lösen”

Laut einer Studie des Vereins Frauen in die Aufsichtsräte weisen 25 der angesprochenen Unternehmen bisher keine Frau im Vorstand auf.

“Auch wenn die genaue Ausgestaltung noch unklar ist, lassen die bekannt gewordenen Rahmenbedingungen keine großen Veränderungen erwarten, befürchtet Andrea Ruppert von der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS). Die Professorin und Leiterin des Instituts für Mixed Leadership gibt an: „Die geplante Regelung geht in die richtige Richtung, aber weiterhin gelten die Vorgaben für zu wenige Unternehmen.”

Diese Aussage unterstützt auch Wiebke Ankersen: „Es wird aber das Problem nicht lösen: In der Praxis sind nur etwa 25 der 160 Börsenunternehmen vom Gesetz betroffen, eine substantielle Veränderung im Land kann das Gesetz also gar nicht leisten. Wenn wir diese Quotendiskussion, in die Deutschland sich sehr lange verbissen hat, nun aber hinter uns lassen, können wir endlich darüber reden, was für eine nachhaltige Erhöhung des Frauenanteils dringend nötig ist.“

Führungskraft oder fachliche Karriere?

Das Gesetz verpflichtet zwar bislang börsennotierte Unternehmen, Zielgrößen für die Steigerung des Anteils an Frauen in Vorständen festzulegen. Die Zielgröße „Null“ ist aber auch erlaubt. „Die Unternehmen haben die Herausforderung, die Beteiligung von Frauen in Führung selbst zu gestalten, nicht angenommen“, resümiert Ruppert.

Der Anteil der Frauenquote im Aufsichtsrat lag bei den börsennotierten Gesellschaften im September 2020 bei nur 10,1 Prozent.

Corona-Krise verstärkt Rückstand deutscher Frauen im Top-Management

In der aktuellen Corona-Krise hat sich die Zahl der weiblichen Vorstände sogar verringert. Unternehmen haben ihre Vorstände verkleinert, und dies hat häufiger die weiblichen Vorstandsmitglieder getroffen, was zu einem Rückgang der Beteiligungsquote auf den Stand von 2017 geführt hat. In den USA, aber auch in unseren EU-Nachbarstaaten wurde die Corona-Krise hingegen genutzt, um die Vielfalt in Führungsteams und insbesondere den Frauenanteil zu erhöhen, so ein Bericht der Allbright-Stiftung. Die gemeinnützige schwedisch-deutsche Stiftung setzt sich für mehr Frauen und Diversität in den Führungspositionen der Wirtschaft ein.

Unternehmen sollten Signale verstehen und Gleichberechtigung fördern

Rupperts Appell lautet: „Die geplante gesetzlich vorgegebene Erweiterung der Beteiligung von Frauen an Führung sollten alle deutschen Unternehmen als Signal verstehen, ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst zu nehmen und damit auch die Gestaltungshoheit zurückzubekommen.“

Wiebke Andersen fordert mehr Gleichberechtigung, auch bei der Betreuung von Kindern: „Es muss darum gehen, dass auf allen Ebenen mehr Frauen in Führungspositionen gelangen, es muss ganz grundsätzlich eine bessere Balance zwischen Männer- und Frauenkarrieren geschaffen werden. Und dazu müssen verschiedene Akteure beitragen: Der Staat, die Unternehmen, jeder Einzelne. Neben einem klaren Bekenntnis der Unternehmen zu mehr Vielfalt in der Führung und entsprechenden Besetzungen braucht es die Abschaffung des Ehegattensplittings, einen weiteren Kitaausbau und mehr Vätermonate beim Elterngeld, um nur einige Maßnahmen zu nennen, mit denen der Staat diese Entwicklung wirklich beschleunigen könnte.“

Porträt Professorin Andrea Ruppert

Andrea Ruppert ist Professorin für Wirtschaftsprivatrecht an der Frankfurt UAS, forscht und lehrt seit vielen Jahren zu Genderthemen im Kontext von Management und Leadership und ist Geschäftsführende Direktorin des im Juni 2019 gegründeten Instituts für Mixed Leadership (IML) der Frankfurt UAS.

Foto: Kevin Rupp

Frauen im Vorstand und Mutterschutz

Anspruch auf Mutterschutz hat jede Frau – vermeintlich. Denn bislang war es so, dass eine Frau in Vorstandsposition keinen Anspruch auf den Mutterschutz hatte. Beispiele wie beim Online-Shop Westwing zeigen die Tragik auf. Delia Lachance musste ihren Posten als Vorständin räumen, da sie ein Kind erwartete. Doch auch das soll sich nun ändern. Neu aufgenommen wird, dass werdende Mütter als Vorstandsmitglied Auszeiten bis zu drei Monate nehmen dürfen. Das gilt auch für die Pflege von Angehörigen oder bei Krankheiten. Versagt werden darf dieses Recht nur, wenn „wichtige unternehmerische Interessen“ entgegenstehen.

Wer kritisiert die Frauenquote in Vorständen?

Kritik übt der Arbeitgeberverband BDA. Die Quote greife „in verfassungsrechtlich fragwürdiger Weise in das Unternehmensgefüge ein“, so der Verband. „Wenn entsprechende Kandidaten oder Kandidatinnen nicht vorhanden sind oder nicht bereit, eine entsprechende Position zu übernehmen, so kann eine gesellschaftlich und vor allem von den Unternehmen gewünschte Entwicklung nicht per Gesetz erzwungen werden.“

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sieht in der Koalitionseinigung nur einen „kleinen Schritt“ in Richtung Chancengleichheit. Dass lediglich eine Frau im Vorstand verlangt würde, zeige nach ihm, “wie weit der Weg in Deutschland bis zur tatsächlichen Gleichstellung noch ist“.

Zentrale Fragen rund um die Frauenquote

Ist die Frauenquote gesetzlich?

Am 1. Januar 2016 wurde die Frauenquote eingeführt. Das Gesetz umfasst eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen. Wichtig ist, dass es sich hierbei um eine Geschlechterquote handelt und keine reine Frauenquote.

Wie viele Frauen sitzen im Vorstand?

Frauen sind sind deutschen Vorständen immer noch selten. In 103 von 186 untersuchten Konzernen sitzt immer noch keine Frau in der Chefetage, so eine Studie der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte. Parallel stieg der durchschnittliche Frauenanteil in den Vorständen im Vergleich zum Vorjahr auf 13 Prozent (Plus von 2,3 Prozent).

Podcast-Tipp: Wie wichtig ist kulturelle Vielfalt im Beruf?

Globalisierung sorgt für eine kulturelle Vielfalt auf dem deutschen Arbeitsmarkt und an den Hochschulen. In dieser Folge von “Technik aufs Ohr” sprechen wir mit Maria Prahl, Diversity Managerin. Sie ist Gründerin von Working Between Cultures und seit 2004 als Trainerin an Hochschulen, in Stiftungen und in Unternehmen tätig. Ihr Schwerpunkt liegt in der Zusammenarbeit und Kommunikation in heterogenen Teams.

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Ein Beitrag von:

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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