Welche Varianten der Frührente stehen Ingenieuren offen?
Das generelle Renteneintrittsalter liegt bei 67 Jahren. Viele Ingenieure können jedoch in Frührente gehen. In welchem Alter ist das möglich? Mit welchen Abschlägen müssen Sie rechnen? Und wie unterstützt Sie das Flexirentengesetz?
Nahezu jeder Ingenieur, der in Deutschland erwerbstätig ist, hat Anspruch auf eine reguläre Altersrente. Denn die Grundvoraussetzung ist eine Mindestversicherungszeit von gerade mal 5 Jahren. Die Altersgrenze, mit der Sie Anspruch auf die Auszahlung der Rente haben, steigt allerdings seit 2012 stufenweise an und wird von 65 Jahre auf 67 Jahre erhöht. Grund ist die gestiegene Lebenserwartung. Doch es gibt verschiedenen Möglichkeiten, die Sie nutzen können, um kürzer zu arbeiten und eine Frührente zu beziehen. Im Wesentlichen sind das:
- Frührente für langjährig Versicherte (mit Abschlägen und abschlagsfrei)
- Frührente für besonders langjährig Versicherte
- Frührente für Schwerbehinderte
- Erwerbsminderungsrente
Außerdem gibt es weiter unten Infos zum Flexirentengesetz
Was verbirgt sich hinter der Altersrente für langjährig Versicherte?
Für langjährig Versicherte gibt es eine Übergangslösung, damit sie durch die Festlegung des neuen Renteneintrittsalters nicht benachteiligt werden. Für eine Frührente greift diese Regelung aber nur, wenn Sie 35 Jahre an anrechenbaren Zeiten in der Rentenversicherung angesammelt haben. Dieser Zeitraum wird auch als Wartezeit für diesen Anspruch bezeichnet.
Angerechnet werden Ihnen für die Wartezeit unter anderem:
- Zeiten, in denen Sie (zusammen mit Ihrem Arbeitgeber) Beiträge im Rahmen einer Beschäftigung eingezahlt haben
- freiwillige Beiträge, die Sie allein gezahlt haben (beispielsweise bei einem Auslandsaufenthalt in Ländern, die kein Rentenabkommen mit Deutschland geschlossen haben. Erkundigen Sie sich, ob sich die Zahlung freiwilliger Beiträge für Sie lohnt.)
- Kindererziehungszeiten für die ersten 2,5 beziehungsweise 3 Lebensjahre des Kindes
- Monate, in denen Sie nicht gearbeitet, sondern nahe Angehörige gepflegt haben (mehr zur Pflegezeit für Angehörige)
- Monate aus einem Versorgungsausgleich bei Scheidung
- Zeiten, in denen Sie über Minijobs beschäftigt waren
- Monate aus einem Rentensplitting unter Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern
- Ersatzzeiten: zum Beispiel Monate der politischen Verfolgung in der DDR
- Zeiten, in denen Sie aus persönlichen Gründen keine Rentenversicherungsbeiträge leisten konnten, etwa weil Sie krank waren oder studiert haben
Bei einer Wartezeit von mindestens 35 Jahren (aber weniger als 45 Jahren) greift die Möglichkeit zur Altersrente für langjährig Versicherte. Praktisch heißt das: Alle Ingenieure der Geburtsjahrgänge 1949 bis 1963 können ohne Abschläge in Frührente gehen, also bevor sie 67 werden. Wann genau das der Fall ist, hängt vom Geburtsjahr ab. Denn das Renteneintrittsalter wird stufenweise angehoben. Ein Beispiel: Sie wurden am 1. Januar 1960 geboren. Abschlagsfrei könnten Sie dann zum 1. Mai 2026 in Rente gehen, also im Alter von 66 Jahren und 4 Monaten. Streng genommen handelt es sich dabei aber eigentlich um keine Frührente, da die Altersgrenze für die reguläre Altersrente für diesen Jahrgang noch niedriger ist. Erst ab dem 1964er Jahrgang beträgt die Altersgrenze 67 Jahre.
Liegen mindestens 35 Jahre der Erwerbstätigkeit vor – oder alternativ anrechenbare Zeiten wie Kindererziehung –, gilt für diese Gruppe, dass zusätzlich eine echte Frührente schon im Alter von 63 Jahren möglich ist. Allerdings wäre diese mit Abschlägen verbunden. Für jeden Monat, den Sie weniger arbeiten, erhalten Sie 0,3 % weniger Rente. Gezählt werden die Monate zwischen dem 63. Geburtstag und dem Renteneintrittsalter, das für Ihren Jahrgang angesetzt wurde. Dieser Abschlag gilt dauerhaft, die individuelle Rente erhöht sich also nicht, sobald Sie das reguläre Eintrittsalter von 67 erreicht haben. Auch die Hinterbliebenenrente nach Ihrem Tod wäre für den Partner entsprechend verringert. Die Kürzung dieser Frührente kann maximal 14,4 % betragen – wenn Sie direkt mit 63 Jahren in Frührente gehen. Bei unserem Beispiel mit dem Geburtsdatum 1. Januar 1960 würde der Abschlag übrigens bei 12 % liegen. Falls Sie weniger als 35 Jahre auf Ihrem Rentenkonto angesammelt haben, besteht die Möglichkeit zu dieser Form der Frührente grundsätzlich nicht.
Alter für abschlagsfreie Rente im Überblick (bei 35 Jahren Versicherungszeit)
Geburtsjahr | Alter | Renteneintritt ab |
1954 | 65 Jahre + 8 Monate | 2019 |
1955 | 65 Jahre + 9 Monate | 2020 |
1956 | 65 Jahre + 10 Monate | 2021 |
1957 | 65 Jahre + 11 Monate | 2022 |
1958 | 66 Jahre | 2024 |
1959 | 66 Jahre + 2 Monate | 2025 |
1960 | 66 Jahre + 4 Monate | 2026 |
1961 | 66 Jahre + 6 Monate | 2027 |
1962 | 66 Jahre + 8 Monate | 2028 |
1963 | 66 Jahre + 10 Monate | 2029 |
1964 | 67 Jahre | 2031 |
2018 haben in Deutschland insgesamt 144.898 Personen diese Frührente für langjährig Versicherte erstmalig erhalten. Der größte Teil davon war mit Abschlägen behaftet, nämlich in 140.942 Fällen.
Welche Regelungen gelten für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte?
Falls Sie bereits auf eine Versicherungszeit von 45 Jahren zurückblicken, gelten für Sie noch bessere Konditionen. Jeder, der vor 1953 geboren wurde, kann die Rente schon mit 63 in Anspruch nehmen, ganz ohne Abschläge. Danach folgt wieder eine Anhebung des Renteneintrittsalters in mehreren Stufen. Ab dem Geburtsjahrgang 1964 liegt das Renteneintrittsalter dann bei 65 Jahren.
So attraktiv eine frühe Rente im Alter von 63 klingt, die Regelungen für besonders langjährig Versicherte können Ingenieure normalerweise nicht in Anspruch nehmen. Bedingt durch ihre Studiendauer erreichen sie die Summe von 45 Jahren an Wartezeit nicht so rechtzeitig, dass für sie eine vorzeitige Rente infrage käme.
Welche Voraussetzungen gelten für eine Frührente für Schwerbehinderte?
Von einer Schwerbehinderung (Behinderungsgrad von mindestens 50) sind derzeit mehr als 7,8 Millionen Menschen in Deutschland betroffen, mehr als 41 % davon sind im erwerbstätigen Alter. Denn die häufigsten Ursachen für eine Schwerbehinderung sind Erkrankungen wie Rheuma und Krebs. Bei einer Behinderung ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, in Frührente zu gehen:
- Es liegt eine Schwerbehinderung vor, der Grad der Behinderung liegt also mindestens bei 50
- Die versicherte Zeit für die Frührente liegt bei mindestens 35 Jahren
- Sie haben das entsprechende Alter erreicht
Das maßgebende Alter für eine abschlagsfreie Frührente bei einer Schwerbehinderung ist wieder gestaffelt. Alle Ingenieure, die 1964 oder später geboren wurden, können im Alter von 65 Jahren abschlagsfrei eine Frührente in Anspruch nehmen. Es ist auch möglich, dass Sie die Frührente bereits mit 62 Jahren beantragen. Dann werden aber Abschläge fällig und zwar 0,3 % von Ihrer Rente für jeden Monat, den Sie weniger arbeiten.
Für die Geburtsjahrgänge von 1952 bis 1963 sind die Konditionen noch besser. Eine abschlagsfreie Frührente ist zwischen 63 und 65 Jahren möglich. Hier liegt wieder eine Stufenregelung vor. Jeder Geburtsjahrgang hat also ein eigenes Eintrittsalter für die abschlagsfreie Frührente. Gestaffelt ist zudem die Altersgrenze, zu der Sie eine Frührente mit Abschlägen erhalten können. Sie steigt Schritt für Schritt von 60 auf 62 Jahre. Wieder werden 0,3 % von der Rente abgezogen – für jeden Monat, den Sie nicht mehr arbeiten, gezählt bis zum regulären Renteneintrittsalter. Der maximale Abschlag liegt bei 10,8 %.
Welche Konditionen gelten für eine krankheitsbedingte Frührente / Erwerbsminderungsrente?
Wer aufgrund einer Erkrankung nur noch teilweise oder gar nicht mehr arbeiten kann, hat Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente. Jedes Jahr stellen 350.000 Versicherte einen entsprechenden Antrag. Voraussetzung ist, dass Sie mindestens 5 Jahre Versicherungszeit zusammenbekommen, 3 Jahre davon müssen Sie Pflichtbeiträge gezahlt haben. Falls die Erwerbsminderung Folge eines Arbeitsunfalls ist, kann schon bei kürzeren Versicherungszeiten ein Anspruch bestehen. Unterschieden wird zwischen teilweiser und vollständiger Erwerbsminderung. Im ersten Fall können sie trotz Frührente noch zwischen 3 und 6 Stunden täglich arbeiten. Die Höhe der Frührente ist entsprechend verringert.
Die Höhe der Rente wird nach einer komplexen Formel berechnet. Dabei werden Ihre persönlichen Rentenpunkte in einen Bezug zum Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmer gesetzt. Für junge Menschen gibt es außerdem die sogenannten Zurechnungszeiten, damit sie eine angemessene Rente erhalten. Das heißt, bei der Berechnung wird so getan, als hätten Sie bis zu einer bestimmten Altersgrenze weiterhin in die Rentenkasse einbezahlt. Auf der anderen Seite werden Abschläge für die vorgezogene Auszahlung der Frührente fällig. Sie liegen jedoch bei maximal 10,8 %.
Welche Vorteile bringt das Flexirentengesetz für Frührentner?
Das Flexirentengesetz ist im Jahr 2017 in Kraft getreten. Es soll den Übergang in den Ruhestand flexibler gestalten. Auf der einen Seite können Sie dadurch freiwillig länger arbeiten. Für das Thema Frührente sind zwei Neuerungen des Flexirentengesetzes wichtig. Beide ermöglichen einen finanziellen Ausgleich:
Sonderzahlungen
Wenn Sie als Ingenieur in Frührente gehen wollen und entweder schwerbehindert sind oder auf die Regelungen für langjährige Versicherungen zurückgreifen können, müssen Sie trotzdem mit Abschlägen rechnen. Sie liegen bei 0,3 % Ihrer Rente pro Monat, den Sie weniger arbeiten. Das können Sie vermeiden, indem Sie ab einem Alter von 50 Jahren freiwillig zusätzliche Beiträge zahlen. Damit können Sie Abschläge ganz oder teilweise ausgleichen. Die dafür notwendige individuelle Beitragshöhe teilt Ihnen die Deutsche Rentenversicherung mit. Das heißt natürlich nicht, dass Sie sich mit diesen Beiträgen verpflichten, in Frührente zu gehen. Sollten Sie dennoch erst zur regulären Altersgrenze Ihre Rente beantragen, erhöht sich Ihre Rente entsprechend der zusätzlich gezahlten Beiträge. Es ist allerdings nicht möglich, sich diese Zahlungen zurückerstatten zu lassen, falls Sie sich gegen eine Frührente entscheiden sollten.
Hinzuverdienst bei Frührente
Frührentner dürfen bis zu einer bestimmten Grenze hinzuverdienen, ohne dass es sich nachteilig auf Ihre Rente auswirkt. Dieser Betrag zum Arbeiten trotz Frührente wurde mit dem Flexirentengesetz auf 6.300 Euro pro Jahr aufgestockt. Falls Sie diesen Betrag übersteigen, werden 40 % auf die Rente angerechnet. Das heißt, sie erhalten eine um diesen Betrag verringerte Rente. Das gilt natürlich nur, so lange Sie diese Tätigkeit ausüben. Dieses Modell kann beispielsweise für Ingenieure interessant sein, die in hohem Erwerbsalter ihre Arbeitszeit reduzieren, aber noch nicht ganz aussteigen wollen. Die Frührente lässt sich auch mit einer selbstständigen Tätigkeit kombinieren.
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