Homeoffice im Ausland: So gelingt mobiles Arbeiten am Traumort
Das Homeoffice ist zurück. Angesichts einer nicht enden wollenden Pandemie breitet sich auch das Heimbüro wieder rasant aus. Warum nicht gleich ein Homeoffice im Ausland beziehen?
Vor zwei Jahren brach Gunnar Holm seine Zelte in Deutschland ab. Gemeinsam mit seiner Gattin zog der IT-Experte nach Chiclana de la Frontera, den Lieblingsurlaubsort des Paares in Spanien. „Wir haben die Chance beim Schopfe gepackt und hier ein schönes Haus gekauft“, so der 58-Jährige. An der Costa de la Luz arbeitet er nun als IT-Servicemanager für einen Arbeitgeber aus Berlin und deutsche Kunden. Das Modell funktioniert; auch, weil Aufenthaltsrecht und Zeitverschiebung in Spanien keine Hindernisse darstellen. In einem Nicht-EU-Land wäre das möglicherweise anders. Wir sagen Ihnen, was Sie über das Homeoffice im Ausland wissen müssen – wenn Sie dauerhaft oder nur vorübergehend im ausländischen Heimbüro arbeiten wollen.
Habe ich einen Anspruch auf Homeoffice?
Einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice gibt es für Arbeitnehmer nicht. Daran hat auch das Infektionsschutzgesetz nichts geändert, das am 24. November 2021 in Kraft trat, vorläufig bis zum 19. März 2022 befristet ist und die Wiedereinführung der sogenannten Homeoffice-Pflicht vorsieht. Demnach müssen Arbeitgeber „bei Büroarbeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten grundsätzlich die Möglichkeit zum Arbeiten im Homeoffice anbieten.“ „Ein einklagbares Recht des Arbeitnehmers auf Homeoffice ist damit nicht verbunden“, betont Frederik Möller, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Frankfurt. „Vielmehr hat er ein ihm gemachtes Angebot anzunehmen, soweit aus Arbeitnehmersicht keine Gründe entgegenstehen.“
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Aktuelles Urteil zum Homeoffice im Ausland:
Ein rechtlicher Anspruch auf Homeoffice ergibt sich nur, wenn eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag, in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festgehalten ist. Und selbst dann kann es noch zu Problemen kommen. Das zeigt der Fall einer Arbeitnehmerin, die infolge der Corona-Pandemie in ihrem Homeoffice in München tätig war und für einen Monat von der Wohnung ihres Lebensgefährten in Basel in der Schweiz aus arbeiten wollte. Ihr Arbeitgeber ließ sie – trotz einer bestehenden Gesamtbetriebsvereinbarung zur Telearbeit – nicht ins Ausland. Das Arbeitsgericht München gab dem Arbeitgeber in einem Urteil vom 27. August 2021 Recht. Die mobile Auslandsarbeit müsse nicht geduldet werden, da sich daraus erheblicher arbeitsrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Klärungsbedarf ergebe. Grundsätzlich bestimmt also weiterhin der Arbeitgeber den Arbeitsort, nicht der Arbeitnehmer.
Nichtsdestotrotz haben viele Unternehmen ein Interesse daran, den Mitarbeitern Heimarbeit zu ermöglichen, sofern die Tätigkeit dies erlaubt – Tendenz angesichts von Fachkräfteengpässen und Pandemien steigend. „Streitigkeiten über das Homeoffice kommen bisher nur gelegentlich vor“, sagt Arbeitsrechtler Möller. „Vereinzelt kommt es aber schon einmal vor, dass über einen gegebenenfalls bestehenden Anspruch auf Homeoffice gestritten wird – sowohl bei der Anordnung von Homeoffice als auch bei der Rückkehr aus dem Homeoffice.“
Homeoffice im Ausland: Sozialversicherung
Wo ist der Arbeitnehmer sozialversichert, wenn er ein Homeoffice im Ausland bezieht? Grundsätzlich gilt das Territorialprinzip. Anzuwenden ist das Sozialversicherungsrecht des Staates, in dem die Arbeit erbracht wird. Es gibt aber Ausnahmen. So können Arbeitnehmer mit einer A1-Bescheinigung nachweisen, dass ihr Arbeitgeber sie ins Ausland entsandt hat. Damit bleiben sie ausschließlich in Deutschland sozialversichert – bis zu zwei Jahre lang. Allerdings gilt die A1-Bescheinigung nur für EU-Länder, Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Sie wird vom Arbeitgeber beantragt. In Ländern außerhalb der EU kommt es darauf an, ob bilaterale Abkommen mit Deutschland existieren. Gibt es diese nicht, können zusätzliche Beiträge für die Sozialversicherung anfallen.
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Entsendung:
„Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung aus privaten Gründen im Ausland, zum Beispiel bei Eltern, Freunden oder in einem Urlaubsland statt in Deutschland, läge keine Entsendung vor“, erklärt Frederik Möller, „sodass auch kurzfristige Aufenthalte im ausländischen Homeoffice eine Versicherungspflicht in der dortigen Sozialversicherung auslösen und der Arbeitgeber den Mitarbeiter in Deutschland kurzfristig ab- und dann wieder anmelden müsste.“
IT-Servicemanager Gunnar Holm hat seinen gesamten Wohnsitz nach Spanien verlegt – und muss nun in Spanien Sozialabgaben zahlen. Für ihn kein Problem. „Das spanische Sozialversicherungssystem ist deutlich besser als das deutsche, das muss man so klar sagen“, findet er. In Spanien gibt es eine einzige staatliche Versicherung, die Seguridad Social. Die Abgaben summieren sich aktuell auf 37,95 Prozent des Bruttolohns, wovon aber nur 6,35 Prozent auf den Arbeitnehmer entfallen und 31,6 Prozent auf den Arbeitgeber. In Deutschland teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Sozialabgaben zu je 50 Prozent.
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Homeoffice im Ausland: Steuern
Befindet sich der Wohnsitz des Arbeitnehmers in Deutschland, ist er hier unbeschränkt steuerpflichtig – auch dann, wenn er vorübergehend mobil aus Polen oder Portugal arbeitet. Der Arbeitgeber muss zudem die anfallende Lohnsteuer vom Lohn an das deutsche Finanzamt abführen.
183-Tage-Regelung:
Das ändert sich jedoch, wenn der Mitarbeiter in einem Jahr länger als 183 Tage im Ausland tätig ist. In diesem Fall geht das Besteuerungsrecht auf den Staat über, in dem sich das Homeoffice befindet. Experten und Expertinnen sprechen auch von der 183-Tage-Regelung. Hat der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz im Ausland, muss er nur den Teil des Arbeitslohns an die deutschen Behörden abführen, der auf Tätigkeiten entfällt, die er tatsächlich in Deutschland ausgeführt hat.
Gunnar Holm versteuert sein gesamtes Einkommen in Spanien. Sein Nettolohn ist der Gleiche wie wie zuvor in Deutschland. Da die Lebenshaltungskosten vor Ort aber geringer sind, steht er finanziell insgesamt besser da. Deutscher Arbeitgeber, deutsches Lohnniveau, spanischer Arbeits- und Wohnort – für Holm eine lohnenswerte Kombination.
Homeoffice im Ausland: Arbeitsrecht
Ist ein Arbeitnehmer nur vorübergehend im Homeoffice im Ausland tätig – und sein gewöhnlicher Arbeitsort bleibt in Deutschland – dann ist weiterhin deutsches Arbeitsrecht anzuwenden. „Was unter vorübergehend zu verstehen ist, ist jedoch nicht ganz klar“, so Rechtsanwalt Frederik Möller. „Wenige Wochen oder vereinzelte Tage dürften hier unproblematisch sein, wenn die Rückkehr aus dem ausländischen Homeoffice feststeht.“
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Rechtswahlvereinbarung:
Aber auch darüber hinaus können sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber darauf verständigen, dass im ausländischen Homeoffice weiterhin deutsches Recht Anwendung findet. Absichern können sie sich mit einer Rechtswahlvereinbarung. Diese stellt sicher, dass etwa die Urlaubsansprüche weiter aus dem Bundesurlaubsgesetz abgeleitet werden oder dass das deutsche Entgeltfortzahlungsgesetz die Auszahlung des Gehalts im Krankheitsfall sichert.
Ein Blankoscheck ist eine solche Vereinbarung aber nicht. Wenn nämlich in dem betreffenden Land höhere Standards gelten als zuhause, dann können sie dem dort tätigen Arbeitnehmer nicht einfach entzogen werden – auch nicht durch eine Rechtswahlvereinbarung. Ist beispielsweise im Ausland ein höherer Mindestlohn festgeschrieben oder liegt die Höchstarbeitszeit niedriger als in Deutschland, können diese Regelungen nicht ausgehebelt werden. Durch die Überschneidung von Regeln kann es für alle beteiligten Parteien mitunter unübersichtlich werden. „Das macht es für Arbeitgeber, die in der Regel für die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich sind, in der Praxis sehr schwer, insbesondere wenn das Homeoffice in einem Land liegt, in dem der Arbeitgeber bisher keine Arbeitnehmer beschäftigt“, so Möller. „So sind neben den arbeitsvertraglichen Regelungen auch die ausländischen Schutzvorschriften zu beachten, die bei einem Verstoß auch zu Bußgeldern führen können.“
Dauerhaftes Homeoffice im Ausland: Was beachten?
Wer dauerhaft ins Ausland zieht, kommt mit einer A1-Bescheinigung oder Rechtswahlvereinbarung meist nicht mehr aus. Gunnar Holm hat seinen Wohnsitz nach Andalusien verlegt, ist komplett in die spanische Sozialversicherung gewechselt und versteuert sein gesamtes Einkommen in Spanien. Der Trick: Er arbeitet nicht mehr als Angestellter, sondern als Freelancer, ist damit selbst für seine soziale Absicherung verantwortlich. Ein logistisches Problem war das nicht. „Es hat zwischen vier bis maximal sechs Wochen gedauert, hier alles anzumelden“, erzählt Holm.
Betriebsstättenrisiko:
Darüber hinaus ist dadurch das Betriebsstättenrisiko für seinen Arbeitgeber gebannt. Denn verfügt ein Arbeitnehmer nicht mehr über ein Büro beim Arbeitgeber in Deutschland, ist mehr als sechs Monate pro Jahr im Ausland tätig und nutzt vom Arbeitgeber gestellte Kommunikationsmittel – all das ist bei Gunnar Holm der Fall – dann ist der Arbeitgeber unter Umständen zur Gründung einer Betriebsstätte vor Ort verpflichtet, in diesem Fall in Spanien. Die Gewinne, die im Land gemacht werden, müssten dann auch dort versteuert werden. Der damit verbundene bürokratische Aufwand ist oft immens. Tatsächlich hatten Holm und ein Kollege, der ebenfalls in Spanien ansässig ist, dieses Vorhaben anfangs ins Auge gefasst, nach Gesprächen mit den spanischen und deutschen Behörden aber schnell wieder verworfen. „Das war zu kompliziert“, sagt er.
Gunnar Holm ist glücklich in Andalusien. Er arbeitet in der Regel von 8 bis 16 Uhr, kann danach über den Strand spazieren. Sogar auf Spanisch kann er sich schon ganz ordentlich verständigen. Nur manchmal fremdelt er dann doch mit der mediterranen Lebensart, bei Behörden- oder Handwerkerterminen etwa. „In Deutschland spricht man von der akademischen Viertelstunde. In Spanien sind es die akademischen drei Monate“, so Holm mit einem Augenzwinkern.
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