Kurzarbeit: Arbeitnehmern droht Urlaubskürzung – Gericht fällt klares Urteil
Müssen Arbeitnehmer in Kurzarbeit mit weniger Urlaubstagen rechnen? Darüber hat das Bundesarbeitsgericht eine bedeutende Entscheidung gefällt.
Kurzarbeit war wohl eines der meistgehörten Wörter des Jahres 2020 – und immer noch fällt bei zahlreichen Arbeitnehmern durch die Corona-Pandemie Arbeit weg. Ein Ende ist nicht in Sicht, denn die vierte Welle trifft uns aktuell mit Wucht, was auch Auswirkungen auf viele Unternehmen haben dürfte. Nun sorgt ein Präzedenzfall für Aufsehen. Steht Arbeitnehmern durch Kurzarbeit weniger Urlaub zu?
Kurzarbeit sorgte in der Pandemie für die Erhaltung von Jobs. Dafür ist das Instrument für Arbeitnehmer mit weniger Lohn und möglichen Steuernachzahlungen verbunden. Heute hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, ob es eine weitere negative Entwicklung für Angestellte geben wird: Urlaubskürzungen. Konkret betrifft das die sogenannte Kurzarbeit Null. Wir klären die wichtigsten Fragen.
Bundesarbeitsgericht billigt Kürzung von Urlaubsansprüchen
Das Urteil ist da: Kurzarbeit führt zur Kürzung von Urlaubsansprüchen. Das Bundesarbeitsgericht entschied erstmalig, dass für Zeiträume der Kurzarbeit der Urlaubsanspruch für jeden vollen Monat geleisteter Kurzarbeit „Null“ um 1/12 gekürzt werden kann. Die Rechtslage ordnet der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Fuhlrott ein.
„Bislang war unklar und höchstrichterlich durch das Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden, ob eine solche Urlaubskürzung auch für Zeiten der Kurzarbeit gilt“, erläutert Michael Fuhlrott.
Die Düsseldorfer Richter entschieden, dass zwar Urlaubsanspruch dem Grunde nach entstehe, dieser aber für Zeiten nicht tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung zu kürzen sei. Konjunkturelle Kurzarbeit „Null“ führe daher wie andere Teilzeittatbestände zu einer Kürzung des Urlaubsanspruchs.
Was ist Kurzarbeit Null?
Bei der sogenannten Kurzarbeit Null beträgt der Arbeitsausfall 100 Prozent. Sprich: Die Arbeit wird vorübergehend komplett eingestellt.
Kurzarbeitergeld: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Kurzarbeit: Worüber entscheidet das Bundesarbeitsgericht?
Es geht darum, wie Kurzarbeit Null, bei der die Arbeit vorübergehend komplett ausgesetzt wird, in Bezug auf die Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern rechtlich zu werten ist. Die Kernfrage: Haben Arbeitnehmern für Zeiträume ohne Arbeitspflicht nur einen anteiligen Urlaubsanspruch – wie manche Arbeitgeber und Arbeitsgerichte meinen? Oder gilt die Position von Arbeitnehmervertretern, die eine anteilige Kürzung des Urlaubsanspruchs strikt ablehnen, weil durch Kurzarbeit “Beschäftigte eben keine planbare Freizeit erhalten”, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) argumentiert? Vorstandsmitglied Anja Piel sagte, „aus Sicht des DGB ist es unzulässig, dass Arbeitgeber im Falle von pandemiebedingter Kurzarbeit Null den Urlaub kürzen.“
Kurzarbeit: Studie mit besorgniserregendem Ergebnis
Das Grundsatzurteil wird im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einer Verkäuferin und ihrem Arbeitgeber erwartet. Die Verkäuferin aus Nordrhein-Westfalen arbeitet als Verkaufshilfe drei Tage pro Woche. 2020 wurde sie über mehrere Monate in Kurzarbeit Null geschickt. Ihr Urlaub wurde um einige Tage gekürzt. Dagegen klagt sie – und wird bis in die höchste Instanz vom Rechtsschutz des DGB unterstützt. Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber in seiner heutigen Entscheidung Recht. Es hielt die Kürzung der Urlaubsansprüche für gerechtfertigt.
„Die Entscheidung war so zu erwarten“, meint Fachanwalt Fuhlrott. „Auch der Europäische Gerichtshof hatte in der Vergangenheit eine Kürzung von Urlaubsansprüchen für Zeiten geduldet, in denen der Arbeitnehmer nicht tatsächlich tätig“, so Fuhlrott.
Er weist aber auch daraufhin: „Eine Urlaubskürzung wegen Kurzarbeit ist nur möglich, wenn die Kurzarbeit auch rechtlich wirksam eingeführt worden ist. Die Anforderungen hierbei sind hoch: Ist in der entsprechenden Vereinbarung zur Kurzarbeit nicht die zeitliche Dauer genannt und fehlen Regelungen zum Umfang der Kurzarbeit, besteht ein hohes Unwirksamkeitsrisiko.“
Wann dürfen Arbeitgeber Urlaub kürzen?
Deutsche Arbeitnehmer haben Anspruch auf Erholungsurlaub. Die Höhe richtet sich nach den gesetzlichen Mindestanforderungen (24 Tage pro Jahr), einem Tarifvertrag oder den Angaben im Arbeitsvertrag. Bei krankheitsbedingten Ausfällen und während der Schutzfristen des Mutterschutzes ist eine Urlaubskürzung nicht zulässig. Doch wie so häufig greifen Ausnahmen:
Besteht eine Vereinbarung über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus, kann ein individueller Arbeitsvertrag oder auch ein anwendbarer Tarifvertrag Regelungen über eine anteilige Kürzung des Mehrurlaubs beinhalten. Eine Kürzung aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten wäre dann zulässig.
Anders verhält es sich innerhalb der Elternzeit. Grundsätzlich besteht der Anspruch auf Urlaub auch während dieser Zeit weiter. Arbeitgeber sind aber berechtigt, den Urlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Wird ein komplettes Jahr Urlaub genommen, können die Urlaubstage auch komplett entfallen.
10 Fragen, 10 Antworten rund um den Jahresurlaub
Wird Arbeitnehmern bereits Urlaub durch Kurzarbeit gekürzt?
Das ist in den seltensten Fällen so. Laut Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verzichten fast alle Arbeitgeber auf eine Kürzung des Jahresurlaubs innerhalb der Kurzarbeit. Nur jeder neunte Betrieb hat Urlaubstage gestrichen. In der Regel handelte es sich um Konzerne, die mit erheblichem Arbeitsausfall zu kämpfen hatten.
Wie viele Menschen befinden sich noch in Kurzarbeit?
Im Oktober 2021 waren laut dem Erhebungsportal Statista noch circa 504.000 Personen in Kurzarbeit. Die meisten von ihnen arbeiten im Verarbeitenden Gewerbe. Die Zahl sinkt kontinuierlich. Im April 2020 – zur Hochzeit der Corona-Pandemie – befanden sich laut der Agentur für Arbeit sechs Millionen Personen in Kurzarbeit.
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