Mit Corona auf der Arbeit infiziert: Ist das eigentlich ein Arbeitsunfall?
Gemeinsamer Mittagsplausch, Treffen in der Kaffeeküche oder Großraumbüros: Auf der Arbeit lauern zahlreiche Gefahren, sich mit dem Coronavirus anzustecken. Gilt das dann eigentlich als Arbeitsunfall? Wir klären auf.
Der Begriff des Arbeitsunfalls ist ganz klar definiert. Wer sich zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit das Bein bricht, hat einen Arbeitsunfall erlitten. Dieser muss der Versicherung auch so gemeldet werden. Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales heißt es etwa:
“Arbeitsunfälle sind die Unfälle, die versicherte Personen infolge einer versicherten Tätigkeit erleiden.”
Nicht nur Unfälle am Arbeitsplatz stehen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Wegeunfälle fallen ebenfalls unter den Versicherungsschutz. Das gilt auch, wenn ich einen Umweg mache und mich verletzte, während ich mein Kind in die Kita bringe.
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Ansteckung mit Covid-19: Arbeitsunfall oder Berufskrankheit?
So weit so klar, doch in der Corona-Pandemie leben und arbeiten wir unter besonderen Bedingungen. Gilt eine Ansteckung mit SARS-CoV-2 an meinem Arbeitsplatz auch als Arbeitsunfall? Aktuelle Erkenntnisse beantworten das mit einem klaren Jein.
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Was ist eine Indexperson?
Laut der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) gesetzliche Unfallversicherung gilt eine Infektion mit Covid-19 infolge einer Beschäftigung als Arbeitsunfall. Dazu muss die Ansteckung nachweislich auf eine infizierte Person aus dem Arbeitsumfeld zurückzuführen sein. Hierbei spricht man von einer sogenannten Indexperson. Doch Achtung: Es kommt auf die Dauer und vor allem die Intensität des Kontaktes an. Ein infizierter Kollege, der im Treppenhaus an einem vorbeigegangen ist, wird wohl kaum der Auslöser gewesen sein – und gilt arbeitsrechtlich auch nicht als Indexperson.
Es muss sich eine konkrete Person feststellen lassen, die den Arbeitnehmer angesteckt hat. Bekomme ich zum Beispiel innerhalb meiner Corona-Warn-App einen Hinweis, dass sich in meiner Nähe ein infizierter Kollege befand, reicht das nicht aus. Wenn eine Erkrankung durch Corona als Arbeitsunfall geltend gemacht werden soll, ist ein intensiver beruflicher Kontakt mit der besagten Indexperson von Nöten. Das kann zum Beispiel der direkte Kollege sein, der im Büro gegenüber sitzt.
“Die Corona-Warn-App gibt nur eine Information über einen Risikokontakt. Sie trifft keine Aussage, ob eine Infektion erfolgt ist und wann diese geschehen ist. Die Corona-Warn-App kann also keine Aussage über die betrieblichen Ursachen treffen”, bekräftigt auch nochmal Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Corona Masseninfektion: Wer ist der Verursacher?
Lässt sich solch ein konkreter Kollege nicht definieren, kann im Einzelfall auch auf ein nachweislich massives Infektionsgeschehen in der Firma Bezug genommen werden. Nehmen wir den Fall Tönnies: In der Fleischfabrik sind im Juni mehr als 650 Menschen positiv auf das Corona-Virus getestet worden. Dieser Massenausbruch galt als Herd der Infektionen unter den Mitarbeitern. Doch ist das wirklich nachweisbar?
“Das ist noch nicht abschließend geklärt. Haben spezifische Umstände des Arbeitsplatzes zur Infektion geführt, könnte man dies annehmen. Geht die Ansteckung mehr auf ein allgemeines Lebensrisiko zurück, da die Corona-Erkrankung in der Bevölkerung weit verbreitet ist, wird man dies ablehnen müssen”, sagt Fuhlrott.
Hier bewegt man sich als Arbeitnehmer also in einer klaren Grauzone.
Alles in allem lässt sich zusammenfassen: Kann die Infektion auf der Arbeit nicht nachgewiesen werden, geht es zu Lasten der erkrankten Person. Die Anerkennung als Arbeitsunfall kann nur unter den individuellen Umständen bewertet werden.
“Es muss sich um Krankheiten handeln, die der Arbeitnehmer infolge seiner Arbeitstätigkeit erleidet. Notwendig ist also ein kausaler Nachweis, der über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht”, so der Fachanwalt weiter.
Wer zahlt nun den Corona-Test?
Szenario: Ein paar Tage nach dem Lunch mit dem Lieblingskollegen leiden Sie unter den bislang bekannten Corona-Erscheinungen. Sie begeben sich in Quarantäne und Ihr Arbeitgeber möchte gerne einen Test haben. Wer zahlt das denn jetzt?
„Wenn Symptome für eine Erkrankung vorliegen, wird ein Corona-Test derzeit von den Krankenkassen übernommen. Wer sich rein vorsorglich testen will, muss die Kosten selbst übernehmen. Eine Ausnahme kann allenfalls dann angenommen werden und eine Kostentragungspflicht des Arbeitgebers unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge- bzw. arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer betrieblich besonders hohen Ansteckungsgefahren ausgesetzt worden ist oder dies regelmäßig ist. Dann mag der Arbeitgeber verpflichtet sein, für die Kosten des Tests aufzukommen“, erläutert Fuhlrott gegenüber unserer Redaktion.
Corona als Berufskrankheit: Ist das ansteckend?
Neben dem Arbeitsunfall, gibt es auch die Fälle der sogenannten Berufskrankheit.
Was ist eine Berufskrankheit?
Man spricht von einer Berufskrankheit, wenn Sie sich in Ihrer beruflichen Tätigkeit eine Erkrankung zuziehen. Alle Berufskrankheiten sind in der Berufskrankheiten-Verordnung, kurz BVK, aufgelistet. Wer zum Beispiel viel mit Chemikalien zu tun hat, kann unter bronchialen Infekten leiden und hat damit eine Berufskrankheit. Physikalische Einwirkungen wie Druck, Vibrationen oder das Tragen schwerer Lasten können ebenfalls Ursachen sein.
Laut dieser Definition wäre eine Corona-Infektion doch keine Berufskrankheit, oder?
Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales heißt es:
“Als Berufskrankheit kommen nur solche Erkrankungen in Frage, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht werden. Diesen Einwirkungen müssen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sein.”
Anerkannte Berufskrankheiten finden Sie in der Anlage 1 zur BKV.
Gilt Corona als Berufskrankheit?
Tatsächlich zählt die Anlage auch andere Infektionskrankheiten dazu. Doch es gibt eine Einschränkung – und zwar in der Branche. Wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig ist oder durch eine andere Arbeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war, gilt eine Infektion als Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit. „Aber selbst wenn die Erkrankung in der Liste aufgeführt ist und die Person dem Tätigkeitsbereich zuzuordnen ist, wird eine Berufskrankheit nicht sofort anerkannt. Es ist weiterhin der Nachweis erforderlich, dass die das Auftreten begünstigenden Umständen und Bedingungen am Arbeitsplatz nachweislich vorlagen“, erklärt Fuhlrott.
Wer in der BKV nach “Corona”, “Covid-19” oder “Sars-CoV-2” sucht, tut dies aktuell vergeblich.
Kompakt: Berufskrankheit vs. Arbeitsunfall: Was ist der Unterschied?
„Nach der gängigen Definition sind Arbeitsunfälle solche Unfälle, die versicherte Personen infolge der versicherten Tätigkeit erleiden. Der Sturz eines Malers von der Leiter bei der Arbeit ist also der klassische Arbeitsunfall. Der Herzinfarkt am Schreibtisch des Sachbearbeiters hingegen regelmäßig nicht, da hier kein berufsspezifisches Risiko verwirklicht wird. Der Unfall ist also durch ein plötzlich eintretendes, zeitlich begrenztes Ereignis definiert. Berufskrankheiten hingegen können durch kürzere oder längere gesundheitsschädliche Einwirkungen durch die Arbeitsleistung entstehen“, so Anwalt Michael Fuhlrott.
Corona: Wer übernimmt die Kosten eines Arbeitsausfalls?
Generell übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung die Behandlungskosten von Arbeitsunfällen sowie Berufskrankheiten und zahlt auch Lohnersatz. Im Prinzip ist das auch bei Covid-19 so, wenn die Infektion nachweislich auf der Arbeit passiert ist. Ob Arbeitsunfall oder Berufskrankheit: Die Einstufung muss bei einer Erkrankung durch das Coronavirus vorliegen.
Infektionserkrankungen gelten aktuell nur für gewisse Berufsgruppen als Berufskrankheit – und zwar bei Ärzten, Krankenpflegern oder Labormitarbeitern. Hinweise, dass weitere Berufsgruppen, wie Kassierer oder Zugbegleiter, ein erhöhtes Risiko haben, sich mit Corona anzustecken, liegen nicht vor. Daher sind die Hürden recht hoch, Corona-Fälle als Berufskrankheit einzustufen. Arbeitsunfälle werden also deutlich häufiger vorkommen.
Arbeitsrecht: Was gilt, wenn ich mich im Homeoffice anstecke?
Zahlreiche Betriebe haben ihre Angestellten in der Hochphase der Pandemie ins Homeoffice geschickt. Zwar läuft der Betrieb wieder regulärer ab, doch vor dem Hintergrund der neuesten Entscheidungen der Regierung, sieht es eher nach einem zweiten Lockdown statt nach “business as usual” aus. Durch die Familie oder andere Kontakte, können sich Mitarbeiter ja auch im Homeoffice anstecken. Gelten dann dieselben Regularien? Fachanwalt Michael Fuhlrott klärt auf:
“Eine Ansteckung im Home Office dürfte regelmäßig nicht als Arbeitsunfall zu qualifizieren sein. Eine Ansteckung hat hier regelmäßig keinen betrieblichen Bezug, sondern dürfte über private Kontakte erfolgt sein.”
Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM Rechtsanwälte.
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