Schutzrechte 26.02.2010, 19:45 Uhr

Normierung oder Patentierung? Beides!  

Mittelständler melden verhältnismäßig wenig Patente an. Auch Normen entstehen selten unter ihrer Regie. Große Unternehmen sind ihnen hier drei Schritte voraus: Sie nutzen vermehrt sogar Kombinationen aus Monopolrecht und Standardisierung. Was zunächst widersprüchlich klingt, kann sich am Ende in barer Münze auszahlen. VDI nachrichten, Düsseldorf, 26. 2. 10, sta

Auf den ersten Blick schließen sich Normung und Patentierung aus. Ziel einer Normung ist es schließlich, technische Anwendungshemmnisse durch Vereinheitlichung zu vermeiden und so den Austausch von Waren und Dienstleistungen explizit zu fördern. Patente hingegen bezwecken das Gegenteil: Sie erlauben es dem Eigentümer per Gesetz, andere von der Benutzung seiner Idee auszuschließen. „Trotzdem kann die Kombination beider Herangehensweisen sehr sinnvoll sein“, unterstreicht Patrick P. Erk, Patentanwalt in der Kanzlei Grünecker Kinkeldey Stockmair & Schwanhäusser, Berlin. „Viele große Unternehmen haben bereits Schnittstellen zwischen den Normungs- und Patentabteilungen eingerichtet.“

Erk erklärt an einem Beispiel, warum sich die Kombination auszahlen kann. Im Zentrum steht dabei die fiktive „Sensor AG“. Die Gesellschaft besitzt einige Basispatente, die sich auf die Grundzüge der Sensorgestaltung beziehen. Außerdem hält sie einige Zusatzpatente, mit denen konkrete Anwendungen geschützt werden. Eine Hand voll Wettbewerber ist ähnlich aufgestellt.

„Üblicherweise würden die Sensor AG und die Wettbewerber ihre jeweiligen, durch Basispatente gesicherten Ideen auf dem Sensormarkt zu verteidigen versuchen. An eine Normung würde allenfalls gedacht, wenn die Basispatente abgelaufen sind. Vorher ist die Sorge zu groß, dass die Kontrolle über die eigene Technologie verloren geht und die Wettbewerber sich an ihr bedienen.“

Diesen Bedenken stehen laut Erk jedoch handfeste Vorteile für die Sensor AG gegenüber, wenn es ihr gelingt, die von den eigenen Basispatenten abgedeckte Technologie in die angestrebte Norm einzubringen. „Schließlich verhilft die Normung der Sensortechnik eher zum Durchbruch als fragmentierte, proprietäre Märkte. Und die Sensor AG partizipiert direkt an diesem Erfolg – nämlich über die Lizenzeinnahmen an ihren Basispatenten.“ Zudem könne die genormte Basistechnologie den proprietär bleibenden Anwendungen der Zusatzpatente eine weitaus größere Plattform verschaffen.

Damit dieser Plan aufgeht, bedarf es laut Erk eines sorgfältigen Zusammenspiels zwischen Normungs- und Patentierungsverfahren. „Die Basispatente sollten sich am besten noch in der Anmeldephase befinden, sodass ihr Schutzbereich an die sich entwickelnde Norm angepasst werden kann.“ Bei einem bereits erteilten Patent sei dies nicht mehr möglich. Es könne dann durch eine entsprechende Definition der Norm von Dritten leicht umgangen werden.

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Ein Patent kann laut Erk nur dann in eine Norm einfließen, wenn alle Teilnehmer am Normungsverfahren ihre normrelevanten Patente (und Patentanmeldungen) bekanntgeben und allen Nutzern der Norm Lizenzen „zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen“ gewähren. „Verweigert ein Teilnehmer an den Normungsverhandlungen die Lizenzierung eines normrelevanten Patentes zu diesen Bedingungen oder wird ein normrelevantes Patent eines am Normungsverfahren Unbeteiligten entdeckt, der eine solche Lizenzierung verweigert, wird nach einer von dem Patent nicht erfassten alternativen Definition der Norm gesucht oder, falls dies nicht möglich ist, die Norm aufgehoben.“

Eine eigene, patentgeschützte Technologie in eine Norm einzubringen, gelingt laut Erk am ehesten, wenn sich in den Normungsverhandlungen mehrere, ähnlich gewichtige Inhaber von normrelevanten Patenten gegenübersitzen. „Eine solche Konstellation führt nicht selten zur Bildung eines Patentpools, in dem die normrelevanten Patente gebündelt und gemeinsam lizenziert werden.“

Ganz risikolos ist die Doppelstrategie laut Erk aber auch nicht. Interessierte Firmen müssten die Chancen einer sich aus einer Normierung der Basispatente ergebenden Marktöffnung gegen die Vorteile eines vielleicht kleineren, aber proprietären Marktes abwägen. „Risiken des Normungsverfahrens bestehen darin, dass der Erfolg von der Mitwirkung auch der Wettbewerber abhängt und Ressourcen bindet.“ Weitere Risiken lägen darin, dass die eigene Technologie, insbesondere bei einem schwachen Stand im Normungsverfahren, nicht oder nur unter Aufgabe der Basispatente in die Norm eingebracht werden kann. „Im ersten Fall könnte die eigene Technologie ins Abseits geraten. Der zweite Fall ist nicht ganz so dramatisch. Hier könnten der größere Markt sowie Einkünfte aus den Zusatzpatenten den Wegfall der Basispatente kompensieren.“ S. ASCHE

Dr. Patrick Erk ist deutscher Patentanwalt und European Patent Attorney und berät vornehmlich Mittelständler. Er studierte am Massachusetts Institute of Technology Luft- und Raumfahrttechnik und an der TU Berlin physikalische Ingenieurwissenschaften.

Ein Beitrag von:

  • Stefan Asche

    Stefan Asche

    Redakteur VDI nachrichten
    Fachthemen: 3-D-Druck/Additive Fertigung, Konstruktion/Engineering, Logistik, Werkzeugmaschinen, Laser

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